Neue Recycling-Konzepte für alte Windkraftanlagen

Tausende Windkraftanlagen werden in den kommenden Jahren demontiert und ausgetauscht. Was passiert mit den Rotorblätter?

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Windkraft, Windenergie, Windrad, Energie
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Von
  • Susanne Donner

Windräder sind schon fast ein Symbol der Energiewende. Viel grüner kann Strom nicht entstehen. Die Probleme fangen erst an, wenn Windräder ausrangiert werden. Schon die Demontage mit Kränen und schwerem Gerät ist ein ziemliches Unterfangen. Gewaltige Kreissägen zerlegen den Turm und die bis zu 50 Meter langen Rotoren am Kraftwerksstandort in transportfähige Stücke. Und dann? Ein umfassendes Recycling ist nicht vorhanden – und auch nicht ganz einfach, berichtet die neue Ausgabe von MIT Technology Review (jetzt im heise shop und im Bahnhofsbuchhandel).

Während zwar die Türme aus Stahlbeton wieder zum neuem Beton verarbeitet werden könne, sind in den Rotorblättern diverse Materialien so miteinander verklebt, dass das Windrad über seine Lebensdauer optimal läuft. Es soll Stürmen trotzen, weder bersten noch sich verbiegen. Zugleich muss es extrem leicht sein, um eine maximale Energieausbeute zu liefern. Diese Höchstleistung bei Wind und Wetter ermöglicht eine Konstruktion aus sehr leichtem, aber besonders stabilem und teurem Balsaholz aus den Tropen.

Dazu sind Bauteile aus Carbon- und Glasfasern sowie Metall in den Rotorblättern verbaut. Umhüllt sind diese Bestandteile mit Epoxidharz auf der Basis von Bisphenol A, einem Kunststoff, den man am ehesten von Klebstoffen aus dem Baumarkt kennt. In den Rotorblättern befinden sich zudem manchmal Lagen aus hitzefesten Aramidfasern, sehr zugfesten und zähen Spezialkunststoffen, die besonders viel Energie aufnehmen können. Die Flügel der Windräder sind also Verbundwerkstoffe, und solche Materialien sind per se schlecht zu recyceln. "Das Recycling – eigentlich ein Gebot der Nachhaltigkeit – ist schwierig und teuer", sagt der Ressourcenforscher Winfried Bulach vom Öko-Institut am Standort Darmstadt. Das Ökodenken der Branche und auch der Umweltpolitik endete bisher beim Wettlauf um immer mehr Leistung pro Windrad. Die Wiederverwertung war kein Thema.

Dieser Text stammt aus: MIT Technology Review 8/2021

Mehr über unser Gehirn und ob es im Alltag durch Meditation und Achtsamkeit wirklich zur Ruhe kommt, hinterfragt die neue Ausgabe 8/2021 von Technology Review. Das Heft ist ab dem 11.11.2021 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Deshalb gehen ausrangierte Windanlagen momentan laut Bulach in großer Zahl nach Ost- und Südeuropa – wie viele das genau sind, wird jedoch nicht erfasst. Jedenfalls kann man dort auch mit den "Eisenschweinen" aus den 90er-Jahren, wie die alten robusten Modelle in der Branche heißen, Strom erzeugen. "Ein zweites Leben im Ausland für noch einmal 10 bis 20 Jahre ist im Moment die beste Option", analysiert Bulach.

Was nicht gen Osten verschoben wird, wird großenteils geschreddert und landet, obwohl hierzulande seit 2005 mit Inkrafttreten der Technischen Anleitung für Siedlungsabfälle verboten, auf Mülldeponien, berichtet Bulach. Einige Hersteller hätten mit Blick auf das Entsorgungsproblem sogar vorgeschlagen, die Rotorblätter im Meer zu versenken. Und Holger Seidlitz, Ingenieur am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung in Wildau, hat sie schon mitten in der Landschaft auf wilden Deponien gefunden.

Dabei mangelt es nicht an Ideen, Wertvolles aus den Windradflügeln zu holen. Das Bremer Unternehmen Neocomp wirbt mit einem Verfahren, bei dem glasfaserhaltige Schredderware für Zementwerke entsteht. 80.000 Tonnen Rotorblattabfall könne die Fabrik im Jahr behandeln. Gewaltige Kreissägen schneiden die Rotorblätter zunächst in sechs Meter lange Stücke. Dann werden die Segmente geschreddert. Aus dem grob gemahlenen Schrott entfernen Magnete Eisen; mit mechanischen Verfahren wird Kupfer abgetrennt. Die Metalle werden andernorts recycelt. Das faserige Pulver, das übrig bleibt, nimmt die Zementindustrie indes als Ersatzbrennstoff. Denn sie benötigt viel Sand, der knapp auf dem Weltmarkt ist und sich ständig verteuert. Der Clou: Glas und eben auch die Glasfasern in den Rotorblättern basieren auf Sand. Bei achthundert Grad Celsius in den Zementfabriken schmelzen die Glasstückchen und ersetzen den Sand. Die Kunststoffe und das Balsaholz aus den Rotoren verbrennen indes und liefern zusätzliche Hitze für den Prozess. "Es ist nicht das werthaltigste Recycling. Aber momentan eine gute Lösung", sagt Philipp Sommer, Recyclingexperte bei der Deutschen Umwelthilfe.

Das Unternehmen CFK Valley Stade Recycling widmet sich den Carbonfasern der Rotoren und arbeitet seit 2011 an einer Lösung. In seiner Anlage im niedersächsischen Wischhafen gewann es Carbonfasern aus verschiedenen Werkstoffen, auch aus Bauteilen von Flugzeugen und Autos, zurück. Die Fasern sind mit 30 Euro je Kilogramm auch die teuerste Zutat in den Windradflügeln. Stade Valley erhitzt dafür die geschredderten Abfälle unter Luftabschluss in einer sogenannten Pyrolyse. Dabei zersetzen sich die Kunststoffe zu einem Öl, das etwa als Brennstoff eingesetzt werden kann. Im Fall eines Epoxidharzes auf Basis von Bisphenol A entstehen dabei allerdings vorwiegend Phenole und Chlorphenole, toxische Substanzen, die die weitere Verwendung der Flüssigkeit begrenzen. Reinigen und abtrennen konnte Valley Stade aber die Carbonfasern.

"Die recycelten Carbonfasern sind etwas kürzer und die Zugfestigkeit ist etwas geringer als bei Neuware", weiß Seidlitz, der an dem Material forscht. "Es sind trotzdem verschiedene Anwendungen denkbar." Die Recyclingfasern könnten statt Glasfasern in Kunststoffen in Autos eingesetzt werden. Dann könnten entsprechende Bauteile "um den Faktor drei bis fünf abspecken". Nur sicherheitsrelevante Bauteile in Flugzeugen und Autos ließen sich aus den Rezyklaten einstweilen nicht herstellen. "Niemand wird für derart mechanisch und chemisch vorbeanspruchte Fasern die Produkthaftung übernehmen", sagt Seidlitz.

Wie es um den Einsatz von solchen recycelten Fasern bestellt ist, lesen Sie in der neuen Ausgabe von MIT Technology Review (im heise shop und im Bahnhofsbuchhandel erhältlich).

(jle)