Neues Mittel könnte Zähne neu wachsen lassen

Japanische Forscher testen ab 2024 Antikörper, die bei Zahnmangel für Nachschub sorgen, und wollen sie bis 2030 auf den Markt bringen.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 25 Kommentare lesen

(Bild: Erstellt von Midjourney durch MIT Technology Review)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Haie profitieren von ihrem Revolvergebiss. Die Meeresjäger verfügen über ein mehrreihiges Arsenal an Zähnen, bei dem der Nächste nachrückt, wenn der Vordere ausfällt. Für Menschen ist das auch attraktiv – und der Wunsch scheint nicht mehr so weit weg zu sein.

Japanische Forscher vom Kitano Krankenhaus in Osaka wollen Menschen zumindest dritte Zähne ermöglichen und – zunächst bei angeborenem Zahnmangel – dafür sorgen, dass Lücken mit natürlichen Zähnen geschlossen werden. Das Team von Katsu Takahashi, Leiter der Abteilung für Zahnmedizin und Kieferchirurgie, will ab Juli kommenden Jahres in einer klinischen Phase-1-Studie testen, ob eine in Mausversuchen bereits erfolgreich eingesetzte Substanz auch bei Menschen sicher wirken würde. Schafft es das Mittel durch alle drei Studienphasen und die japanische Zulassung, wollen es die Forscher bis 2030 verfügbar machen. Das sagten sie der japanischen Nachrichten-Website Mainichi.

Menschen bilden üblicherweise nur zwei Zahnreihen aus. Takahashi und anderen Forschern zufolge gibt es aber Hinweise auf Anlagen für eine dritte Reihe. Diese Zahnknospen entwickelten sich normalerweise nicht zu Zähnen, sondern bilden sich mit der Zeit zurück. In manchen Fällen schreite ihre Entwicklung dennoch voran und es kommt zu überzähligen Zähnen. Takahashi will diese dritten Zahnknospen gezielt aktivieren, um neue Zähne wachsen zu lassen.

Mehr zu Medizin

Die Zahnentwicklung wird von zahlreichen Genen gesteuert. Zwei von ihnen scheinen eine besondere Rolle zu spielen, wie Versuche mit Knockout-Mäusen gezeigt haben. Wurde das USAG-1-Gen ausgeschaltet, bildeten die Nager überzählige neue Zähne. Das brachte die Wissenschaftler auf die Idee, das Gen indirekt abzuschalten, indem sie das zugehörige USAG-1-Protein mithilfe von Antikörpern wegfangen.

Weil das USAG-1-Protein nicht nur für die Zahnbildung eine Rolle spielt, war es wichtig, hochspezifische Antikörper zu finden, die gezielt nur diese Funktion unterbinden. USAG-1 interagiert nämlich auch mit Proteinen, die bei der Entwicklung von diversen Organen beteiligt sind.

Vor zwei Jahren meldete Takahashis Team im Fachjournal Science Advances, dass einer der getesteten Antikörper bei Mäusen, denen von Geburt an die Anlagen für mehrere Zähne fehlten (Anodontie), nach nur einer Behandlung neue, komplett ausgebildete Zähne wachsen ließ. Bei Frettchen konnten die Forscher mithilfe der Antikörper das Wachstum neuer, dritter Zähne auslösen – und damit gleichzeitig zeigen, dass sich die Rückbildung dieser Anlagen verhindern und zur Zahn-Neubildung nutzen lässt. In beiden Versuchen wurden die Antikörper systemisch, also über das Blut verabreicht, und nicht lokal appliziert.

Bei Menschen trifft der angeborene Zahnmangel etwa ein Prozent der Bevölkerung. Jedem zehnten dieser Patienten fehlen sechs oder mehr Zähne, was das Kauen, Schlucken und Sprechen erschweren und auch das Wachstum beeinträchtigen kann. Kommt das japanische Antikörpermittel auf den Markt, wollen die Forscher als erstes Kinder mit angeborener Anodontie im Alter von zwei bis sechs Jahren damit behandeln.

(jle)