"Nur eine Art Aufwärmen"

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TR: Sie versuchen auch, Geld-Transaktionen von Wikileaks nachzuvollziehen. Was versprechen Sie sich davon?

Young: Viele Menschen sind diesbezüglich sehr neugierig. Daher haben wir die Wau-Holland-Stiftung kontaktiert [Die nach dem verstorbenen Hacker und Journalisten benannte Wau-Holland-Stiftung nimmt Spenden für Wikileaks entgegen und leitet die Gelder dann weiter. Das Verfahren ist jedoch in Aktivisten-Kreisen als intransprarent kritisiert worden. Anm. d. Red.]. Diesen Brief habe ich bereits ins Netz gestellt. Allerdings bin ich skeptisch. Man kann nämlich an diese Informationen nicht heran kommen, egal, ob es sich um Regierungen, Kirchen oder Universitäten handelt. Sie erzählen niemals die Wahrheit über das Geld.

TR: Was hat das alles mit der Arbeit von Wikileaks zu tun?

Young: Wikileaks ist darauf aus, soviel Geld wie nur möglich zu machen. Während der letzten Monate sollen sie sehr erfolgreich gewesen sein und mehrere Millionen Dollar eingenommen haben. Wir wissen es nicht ganz genau, doch es gibt Gerüchte, die von einem fantastischen Erfolg sprechen. Dennoch hören wir von Wikileaks immer noch: Gebt uns mehr. Gebt uns mehr.

Das sind alles Fundraising-Methoden. Daher haben die Menschen ein Recht darauf zu erfahren, wofür Wikileaks sein Geld ausgibt. Und wenn Wikileaks das nicht tut, dann sollte man aufhorchen und Verdacht schöpfen. Auch ein Bericht der Wau-Holland-Stiftung wird da nicht helfen. Die haben bereits verlauten lassen, dass sie nur einen Teil des Geldes verwalten.

TR: Warum macht Wikileaks das?

Young: Sie wollen für die Zukunft vorsorgen. Und deswegen soviel Geld wie nur möglich machen. Warum sonst? Ich verstehe auch nicht, warum die Medien nicht darauf eingehen, dass Wikileaks sich eher wie eine Firma anstatt wie eine gemeinnützige Organisation verhält. Wahrscheinlich haben sie Angst, die Legende von den noblen Rebellen und somit auch ihr eigenes Geschäftsmodell zu zerstören.

TR: Welche Rolle spielt Internet-Technologie für Gruppen wie Wikileaks und Cryptome?

Young: Mit ihr lassen sich zwei Arten von Diensten anbieten, ein öffentlicher und ein geheimer. Man kann Informationen, die man unter privaten Kontakten zirkulieren lässt, abtrennen von öffentlichen Diensten. Internet-Technologie erlaubt zudem jede Form von Kontrolle zu umgehen. Deswegen verfügt Wikileaks auch über einen solchen Untergrund-Dienst. Wir haben darauf schon mehrmals auf unserer Webseite hingewiesen.

TR: Habe ich Sie richtig verstanden? Wikileaks ist in Geschäfte im Cyber-Untergrund verwickelt?

Young: Absolut. Zum Beispiel haben sie auch einen entsprechenden Kanal benützt, um die Diplomaten-Depeschen zu verteilen. Sie setzten eine entsprechende Webseite auf, deren Inhalte verschlüsselt waren und gewährten ausgewählten Zeitungen Zugriff darauf. Ich nehme an, dass Wikileaks mehrerer solcher Seiten betreibt und man Informationen an mehrere Parteien verkauft.

TR: Wikileaks nutzt Verschlüsselung auch, um ihre Quellen zu schützen?

Young: Nun ja, auch hier gibt es wieder zwei Versionen. Das, was sie für ihre öffentliche Seite anbieten, ist eigentlich sehr schwach geschützt. Dann gibt es da noch die Version für ihre Untergrund-Aktivitäten. Die beinhaltet genau den Grad an Kryptographie, den man von Geheimdiensten kennt.

TR: Wie bewerten Sie die Zukunft von Plattformen wie Wikileaks und Cryptome?

Young: Da wird noch viel interessanteres Material veröffentlicht werden. Was Wikileaks bisher gezeigt hat, ist nur untere Geheimhaltungsstufe. Das ist nur eine Art Aufwärmen. Sie testen gerade den Markt, um zu erfahren, was man sehen will. Sie benutzen auch das minderwertigere Material, um Aufmerksamkeit für weitaus exklusivere Dokumente zu bekommen. Diese verkaufen sie dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst nachdem der Schwarzmarkt abgeschöpft ist, werden die Dokumente öffentlich angeboten.

TR: Was wäre exklusiveres Material?

Young: Geheim und sehr geheim sind Klassifikationen, die einen nicht mehr vom Hocker reißen. Da gibt es noch ganz andere, die der Öffentlichkeit unbekannt sind.

TR: Was wären ihre Favoriten?

Young: Baupläne für Massenvernichtungswaffen, die Dateien von Banken und ihren Anwälten, die Akten des Vatikans über das, was er seit tausend Jahren so treibt. Die geheimen Unterlagen über Gefängnisbesuche des Roten Kreuzes. Interne Dokumente aus Steuerbehörden. Aber so etwas wird sehr stark bewacht. ()