Scheuer zur Pkw-Maut: "Ich würde wieder so handeln"

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat auch im zweiten Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss jede Schuld von sich gewiesen.

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Andreas Scheuer

Scheuer sei eindeutig entlastet, befand Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) nach dessen Aussage.

(Bild: Daimler)

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Nach seiner zweiten Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Pkw-Maut sieht sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer mit schweren Vorwürfe konfrontiert. Kritik kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch vom Koalitionspartner SPD.

Scheuers öffentliche Zeugen-Befragung endete am späten Donnerstagabend nach rund zehn Stunden. Danach schloss sich erst eine nicht-öffentliche, dann eine geheime Sitzung an. Dabei ging es um das laufende Schiedsverfahren zwischen dem Bund und den eigentlich vorgesehen Betreibern. Diese fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Sommer 2019 gekündigt hatte. Der EuGH hatte die Maut gekippt.

Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler im Haushalts- und Vergaberecht vor, die zulasten der Steuerzahler gingen. Er habe die Maut-Verträge abgeschlossen, bevor Rechtssicherheit bestand. Der Minister verteidigte sein Vorgehen in seiner erneuten Befragung umfassend gegen Kritik. Im Ausschuss betonte er mehrfach, er habe nach "bestem Wissen und Gewissen" gehandelt. Er verstehe Unmut über das Projekt, hatte der CSU-Politiker vor der Befragung in Berlin gesagt. "Fakt ist aber, dass wir rechtens gehandelt haben." Würde er heute in der gleichen Situation stehen, würde er wieder so entscheiden.

Die Infrastrukturabgabe sei kein Projekt von ihm. Er habe bei Amtsantritt im März 2018 ein Gesetz vorgefunden, das von Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident gebilligt worden sei. Wie jeder andere Verkehrsminister habe er das dann umsetzen müssen. Er habe stets großen Wert darauf gelegt, dass die Umsetzung der Pkw-Maut ein transparenter, juristisch einwandfreier und nachvollziehbarer Prozess sei, sagte Scheuer. Auch die Organisationsstruktur sei sachgerecht und effizient gewesen. Vergabe- und Haushaltsrecht seien eingehalten worden. Scheuer wies auch erneut Forderungen der gekündigten Maut-Betreiber gegen den Bund entschieden zurück.

Der Bundesverkehrsminister legte umfangreich dar, warum er die Pkw-Maut Ende 2018, noch vor der endgültigen Entscheidung des EuGH umsetzen wollte. Sein damaliger Staatssekretär Dr. Gerhard Schulz habe ihm versichert, der Vertrag sei zuschlagsfähig und das Verfahren rechtlich unbedenklich. Schulz habe ihm erklärt, im Klageverfahren Österreichs gegen die Bundesrepublik habe alles darauf hingedeutet, dass die Richter der deutschen Auffassung folgen würden. Daher habe er sich entschieden, das "Projekt voranzutreiben und nicht wegen eines minimalen Restrisikos Einnahmeausfälle in dreistelliger Millionenhöhe in Kauf zu nehmen".

SPD-Obfrau Kirsten Lühmann sagte nach der Befragung Scheuers, im Verkehrsministerium habe es eine Art "organisierte Verantwortungslosigkeit" gegeben. Scheuer habe dem Ausschuss dargelegt, dass er sich voll auf seinen damaligen Staatssekretär Gerhard Schulz verlassen habe – etwa zur Frage, ob vergaberechtlich alles in Ordnung sei. Schulz habe das bestätigt.

Bei der Befragung von Schulz sei aber festgestellt worden, dass dieser "nicht immer voll im Film" gewesen sei. "Das zeigt, dass es nicht rund gelaufen ist, dass der Minister sich auf seinen Staatssekretär verlassen hat, der aber nicht immer alle Informationen hatte."

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hatte am Rande der Befragung Scheuers gesagt, es sei an Hybris nicht zu überbieten, wenn dieser es so darstelle, als sei alles richtig gelaufen. Es sei unglaublich, dass der für das Desaster verantwortliche Minister jede Verantwortung von sich weise. FDP-Obmann Christian Jung sagte, Scheuer habe die Vorwürfe nicht entkräften können, dass er und sein Ministerium bei der Pkw-Maut gegen Vergaberecht, Haushaltsrecht und Europarecht verstoßen hätten. Der FDP-Politiker Oliver Luksic fügte hinzu: "Minister Scheuer hat einen Vertrag unterzeichnet, ohne die Entschädigungsregeln zu kennen und den Vertrag überhastet gekündigt, ohne genaue Faktenlage. Er ist Minister Ahnungslos und verantwortet damit selber das Maut-Chaos." Linke-Obmann Jörg Cezanne kritisierte, Scheuer habe weitreichende Entscheidungen auf nicht nachvollziehbaren Informationsgrundlagen gefällt.

FDP, Grüne und Linke fordern seit Langem Scheuers Rücktritt. SPD-Obfrau Lühmann sagte, politisch liege die Verantwortung eindeutig beim Minister. Juristisch gebe es aber keinen Punkt zu sagen, es sei ihm strafrechtlich in irgendeiner Form etwas vorzuwerfen. Auf die Frage, ob die SPD einen Rücktritt Scheuers fordere, sagte Lühmann: "Nein, das ist nicht unsere Sache." Das müsse CSU-Chef Markus Söder gefragt werden.

Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte dagegen, Vorwürfe gegen den Minister hätten sich an keiner Stelle bestätigt. Scheuer sei "eindeutig entlastet". Er habe Gesetze stringent umgesetzt. Es habe auch keine mangelhafte Organisation im Ministerium gegeben. Scheuer sagte als letzter Zeuge im Untersuchungsausschuss aus, der vor mehr als einem Jahr seine Arbeit aufgenommen hatte. Für den Minister war es schon der zweite Ausschuss-Termin nach einer stundenlangen ersten Vernehmung im Oktober 2020. Der Ausschuss schreibt nun einen Abschlussbericht, der im Mai oder Juni fertig sein soll.

(mfz)