Post aus Japan: Das meditative Auto

Einige Unternehmen basteln daran, dass Fahrzeuge den Wachheitszustand von Autofahrern erkennen. Toyota geht einen Schritt weiter: Das Auto soll zum besten Freund und Einflüsterer werden.

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Von
  • Martin Kölling
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Auf der Ceatec war ich ganz beeindruckt von einem Produkt, das der japanische Bauteile-, Medizingeräte- und Elektronikhersteller Omron derzeit bei Autoherstellern feilbietet. Mit einer Kamera im Armaturenbrett erkennt das Auto, wohin die Fahrer gucken, ob sie dösen oder schlafen. Denn das Auto soll wissen, ob der Fahrer wach genug ist, um das Steuer übernehmen zu können, wenn der Fahrassistent sich überfordert fühlt. Doch diese Woche erklärte ein japanischer Hersteller, dass er mindestens einen Schritt weiter denken will.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Toyota präsentierte am Montag das Konzept i – auf japanisch "Ai" gesprochen und mit dem gleichlautenden Schriftzeichen "Liebe" geschrieben. Es wird kommende Woche auf der Tokyo Motor Show präsentiert. Und Toyota will das Auto – erraten? – zum intimsten Freund des Menschen machen – und gehässig gesagt sogar zum Meditationslehrer, und zwar mit der Anwendung eines anderen "AI", nämlich künstlicher Intelligenz.

"Toyota glaubt, dass Autohersteller Autos produzieren müssen, die von ihren Fahrern geliebt werden", erklärt Makoto Okabe, Geschäftsführer der Planungsabteilung für Elektroautos, das Konzept. Und Toyota will dies nicht durch übliche PS-Bolzerei erreichen, mit der andere Hersteller um Aufmerksamkeit buhlen. Toyota will künstliche Intelligenz nutzen, damit das Auto die Emotionen des Fahrers und anderer Insassen verstehen und auf sie reagieren kann.

Der erste Schritt ist, dass das Auto den Fahrer kennenlernt. Mit Kameras und Sensoren werden Blickrichtung, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und -temperatur sowie die Sprache aufgezeichnet und ausgewertet. Und weil das noch nicht wirklich reicht, um die Vorlieben und Reaktionen des Menschen auf Nachrichten zu kennen, wertet das Auto auch noch die Konten in sozialen Netzwerken aus. So könnte es beispielsweise feststellen, dass ich Werder-Fan bin, und versuchen, mich zu trösten und mir mit Anekdoten aus den guten Meisterjahren Mut zu machen.

Damit kommen wir zum zweiten Punkt: dem Beschützen. Das smarte Auto soll mehr Sicherheit und Seelenfrieden stiften, meint Toyota. Aus den diversen Körperdaten kann das Auto nämlich ähnlich wie bei Omron erkennen, ob der Mensch das Steuer übernehmen kann. Doch das Auto kann noch mehr, sagt Okabe.

Erstens erkennt es den Wachzustand nicht nur wie Omron erst spät an den Augen. Aus der Datenflut kann es schon viel früher bemerken, dass der Fahrer möglicherweise müde wird. Das Auto kann dann eine Pause oder poppige Musik vorschlagen, eine Konversation mit dem Fahrer beginnen oder im Extremfall fragen, ob es vielleicht das Steuer übernehmen soll.

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Der Concept-i soll eine Reichweite von etwa 300 km haben.
(Bild: Toyota)

Wenn der Fahrer doch mal gestresst ist, sorgt das Auto prompt für Entspannung, und zwar indem es die fünf Sinne des Menschen anspricht, inklusive Geruch, Licht und Berührungen. Mit Tricks in Sitz und Gurt beispielsweise beeinflusst das Auto die Atmung und der Mensch wird ruhig. ... Ommm. Fehlt noch das Rezitieren von buddhistischen Sutren und die Mediation im Fahrersitz wäre perfekt. Aber auf Wunsch kann das Auto bestimmt auch einen Mönch mimen.

Das Resultat aus Lernen und Schützen soll den Menschen inspirieren, oder anders gesagt einen neuen Fahrspaß jenseits von Hochgeschwindigkeitsjagden durch Stadt und Land generieren. Das Auto speichert quasi das Leben, legt detaillierte Emotionskarten und Erinnerungen an und geht ausgestattet mit all den Daten auf den Fahrer ein wie es der eigene Lebenspartner nie könnte. Und natürlich kann das Auto auch neue Routen und Restaurants vorschlagen. Das Design des Konzeptautos ist da eigentlich nur noch Nebensache.

Noch ist es nur eine Idee. Man wisse noch nicht, ob die Menschen die Angebote auch wirklich wollen, gestand Okabe. Aber Toyota wird das Feedback nicht erst in ferner Zukunft sammeln, denn die vorgestellten Techniken sind für die nahe Autozukunft gedacht. Bereits 2020, in nur drei Jahren, sollen Straßentests mit einigen der Technologien beginnen.

Mein Fazit: Ich finde es zwar erfrischend, dass Toyota quer zur Masse der Autohersteller denkt und mal etwas ganz anderes probiert. Aber ich möchte gar nicht, dass das Auto und damit auch der Hersteller meine intimsten Geheimnisse erkennt. Doch vielleicht bin ich einfach nur zu alt. Vielleicht stellt sich Toyotas Idee in den jüngeren Generationen, die mit sozialen Netzwerken und vermehrt Robotern, künstlicher Intelligenz, smarten Uhren, Lautsprechern und vorausdenkenden Netzdiensten aufwachsen, als großer Hit heraus.

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