Rückschlag für die Brennstoffzelle? Ein Nachruf auf den Honda FCX Clarity

Honda galt lange als führende Kraft bei Wasserstoffautos. Nun stellt der Konzern seinen FCX Clarity ein. Davon könnten europäische Hersteller profitieren.

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(Bild: Honda)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Normalerweise lässt es hartgesottene Journalisten kalt, wenn ein Autohersteller ein Modell einschläfert. Aber die Sterbehilfe des japanischen Autobauers Honda für die Brennstoffzellenversion seines Clarity ruft liebgewonnene Erinnerungen wach: Fast auf den Tag genau vor 13 Jahren fuhr der Autor dieser Zeilen nämlich als einer der wenigen Auserwählten den Prototypen des Wasserstoffmobils auf Tokios Straßen spazieren.

Die Fahrt mit dem Millionen-Dollar-Auto war ein Zeichen für die Visionen der japanischen Autoindustrie, die inzwischen das gesamte Land träumt. Leise und kultiviert surrte das rollende Stromkraftwerk durch die Stadt, eine damals noch faszinierende Erfahrung, die Lust auf mehr Wasserstofftechnik auf der Straße machte.

Und in Japan ließ es sich gut an. 2017 legte das Land als erste Industrienation eine nationale Strategie zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft vor. Die Regierung verfolgte dabei einen anderen Weg die der Europäischen Union: Während die EU Wasserstoff vor allem bei Nutzfahrzeugen und in industriellen Anwendungen eine Rolle im Klimaschutz einräumte, sollten in Japans PKWs eine Triebkraft der schadstoffarmen Stromproduktion mit Wasserstoff sein.

Mehrere 100.000 Wasserstoffautos sollten bis 2030 über die Straßen surren. Erst im Juni versprach die Regierung, bis 2030 das H2-Versorgungsnetz auf 1000 Tankstellen auszubauen. Doch nun versetzt ausgerechnet Honda, einer der bisher wichtigsten Motoren der Strategie, diesem Plan nun einen herben Rückschlag – und stärkt damit Europas Karten.

Unternehmerisch kann man Hondas Entscheidung nachvollziehen. Seit seiner Markteinführung im Jahr 2016 konnte Honda weltweit nur 1900 Brennstoffzellen-Claritys verkaufen. Und anders als der finanziell weit potentere Rivale Toyota entschied sich Hondas Management offenbar, nicht nahtlos eine zweite Brennstoffzellengeneration ins Rennen zu schicken.

Dies ist noch nicht unbedingt das endgültige Ende aller Wasserstoffträume der Japaner. Laut der Tageszeitung "Nikkei" wird Honda mit seinem Partner GM weiter an Brennstoffzellenautos entwickeln. Aber für einige entscheidende Jahre wird damit ein Loch im Brennstoffzellenangebot klaffen und die Wasserstoffpläne in der privaten Mobilität ausbremsen.

Der Grund ist schlicht das Autoangebot. Welcher Tankstellenkonzern wird sein H2-Säulennetz massiv ausbauen, wenn vorerst in Japan nur noch Toyota die Wasserstoffstrategie im PKW-Sektor trägt? Der andere große Befürworter von Brennstoffzellen als automobile Stromkraftwerke, der koreanische Autokonzern Hyundai, wird in Japan ja schlicht nicht verkauft.

Schlimmer noch für Japans Strategie: Andere Massenhersteller scheuen die aufwändige Technik vorerst ebenfalls. Stattdessen setzt aus Angst vor schärferen Emissionsregeln in Europa eine Massenflucht in batterieelektrische Autos ein. Audi hat gerade angekündigt, 2026 sein letztes Modell mit Verbrennungsmotor auf den Markt zu bringen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Honda ist weitaus forscher als der Branchenprimus Toyota, der vorerst Hybridautos ein größeres Gewicht einräumt und sogar Benzinern bis ins nächste Jahrzehnt eine Chance gibt. Toyota unterstützt die Argumentation, dass der Klimanutzen von reinen Elektroautos in einem Land wie Japan, in dem derzeit rund drei Viertel des Stroms mit fossilen Brennstoffen hergestellt wird, zweifelhaft ist.

Doch auch in anderen Ländern wird Strom noch lange nicht nur aus erneuerbaren Energiequellen oder der Atomkraft gezapft. Da dennoch Netto-Null-Emissionen bis 2050 das Ziel sind, kann der Elektroantrieb daher in Toyotas Augen nicht der alleinige Antrieb sein. Toyota will daher mehrere Pfade gleichzeitig beschreiten. Dazu gehören alle Antriebsstränge und selbst synthetische Brennstoffe.

Nur in einigen Ländern sieht Toyota Elektroautos vorn, in anderen hält Japans größter Hersteller Hybride für angebrachter. Doch in den USA sieht Toyota bis 2030 selbst für dicke Benzin-SUVs noch einen Massenmarkt.

Die EU-Politik kann nun Japan in die Wasserstoffpläne für den Autosektor pfuschen. Zwar wird erst die Zukunft zeigen, ob Japans oder Europas Weg sich auszahlen wird. Hondas Entscheidung legt aber nahe, dass sich die Waagschale sich zugunsten von Elektroautos neigt.

(bsc)