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Anfangs werden diese Ortsangaben nur mit ein paar Minuten oder sogar Stunden Zeitverzögerung verfügbar sein, aber Galligans Team bastelt bereits am Geo-Mining in Echtzeit. Für kleine Firmen, Programmierer und neugierige Privatleute ist der Dienst gratis. Nur wer mehr als 30000-mal am Tag individuelle Ortsdaten abfragt oder die seiner Kunden in SimpleGeos globaler Datenbank speichern und mit anderen Diensten zusammenführen will, muss zahlen.

Damit werden Ortsdaten zur billigen Massenware. Der Zugriff auf und die Suche in Millionen solcher Koordinaten war bislang großen Organisationen vorbehalten – Mobilnetzbetreibern, großen Werbeagenturen, Regierungsbehörden. Nun kann jedermann die Info-Krümel der mitteilsamen Gesellschaft ansaugen und bis auf den Quadratmeter genau sortieren. Der Löwenanteil von SimpleGeos Fundus stammt aus den Bewegungsdaten von mehreren Hundert Millionen Handy-Nutzern, die bei der Firma Skyhook zusammenfließen. Das Unternehmen aus Boston sammelt seit Jahren die Koordinaten von Mobiltelefonen, Laptops und WLAN-Hotspots in Nordamerika, Westeuropa und Ballungszentren in Asien. "Wir bringen es am Tag auf 300 Millionen Ortsdaten – und wir heben sie unbegrenzt auf. Ich will das auf eine Milliarde pro Tag ausbauen", sagt Skyhook-Chef Ted Morgan, der seine Datenbank auch an externe Anbieter vermietet.

Skyhooks Software hat die Welt in eine halbe Milliarde Planquadrate von 100 mal 100 Metern unterteilt und bietet für jeden Fleck im Raster die Logbücher der vergangenen zwei Jahre an, die sich zur Analyse in stundenweise Scheibchen schneiden lassen. Im Gegensatz zu Mobilanwendungen, die man herunterladen und aktivieren muss, saugt Skyhook im Hintergrund die Lebenszeichen aller Handys an, die sich in eine Funkzelle einloggen. Selbst wer Datum und Uhrzeit auf seinem Laptop automatisch einstellen lässt, schickt die Koordinaten seines Rechners an Skyhook, ob er will oder nicht.

Konkurrent WaveMarket hat das Konzept der mobilen Ortung noch um einen Schritt erweitert. Dessen Dienst Veriplace erlaubt jedem einmal registrierten Handykunden, sich nach Belieben minutengenau auf einer Karte sichtbar zu machen. Jede Kommunikation zwischen dem Telefon und einem Funkturm generiert eine Koordinate, die man für sich selber archivieren oder externen Webdiensten zugänglich machen kann. "Das funktioniert für jedes Handy, egal wie alt es ist, und egal auf welchem Netz es läuft", erklärt Marketingchef Joel Grossman. Auch hier muss nur zahlen, wer in großem Maßstab Ortsdaten abfragt. So kann jeder kleine Kurierdienst seinen Fahrer ebenso gezielt verfolgen wie große Logistikunternehmen, und jeder Familienvater kann auf seinem Büro-PC sehen, wo sich seine Kinder gerade herumtreiben.

Bisher hat WaveMarket Verträge mit fast allen großen Mobilfunkbetreibern in den USA, Brasilien und Südkorea abgeschlossen und besitzt so Zugriff auf die Bewegungen von rund 180 Millionen Mobiltelefonen allein in den Vereinigten Staaten. Mit europäischen Anbietern verhandelt die Firma bereits. Bedenken zum Datenschutz teilt Grossman nicht: "Das Ganze ist völlig transparent, denn ich als Kunde kann be- stimmen, wie genau und wann ich lokalisierbar sein will." Wer etwa ein Firmenhandy habe, könne beispielsweise festlegen, keine Ortsdaten außerhalb der Geschäftszeiten zu übermit- teln. Solange seine Koordinaten noch nicht an einen anderen Dienst übergeben wurden, kann ein Kunde sie auch komplett löschen. Was mit den Daten passiert, sobald sie einmal abgesaugt wurden, ist indes offen.

Was sich mit der Verknüpfung von Orts- und anderen Daten alles anstellen lässt, zeigt die Neugründung Klout aus San Francisco. Seit ein paar Monaten arbeitet das Unternehmen mit Casinos und Hotels in Las Vegas zusammen. Die Software analysiert die Twitter-Aktivitäten von Reisenden anhand der bei der Buchung verwendeten E-Mail-Adresse und schlägt dem Hotel-personal beim Einchecken etwa vor, mit welcher Show sich ein Gast am ehesten ins Casino locken ließe. "Wir verfolgen die Leute und können genau die Kunden finden, nach denen ein Unternehmen sucht", behauptet Gründer Joe Fernandez. Genau diese Möglichkeit zur endlosen Rasterfahndung bereitet Datenschützern Kopfschmerzen. Wer stellt sicher, dass all die Anfragen bei Aggregatoren von Skyhook bis SimpleGeo nicht für perfide oder illegale Zwecke genutzt werden? Jüngst präsentierten findige Programmierer zur Warnung eine Webseite namens Pleaserobme.com, die Reise-Ortsmarken von Nutzern sammelte, die damit ihr Haus als Einbruchsziel offenbarten.

Und wer kontrolliert, ob Ortsangaben von Mobiltelefonen wirklich von den persönlich identifizierbaren Daten wie Geräte- oder Telefonnummer getrennt sind, wie Skyhook versichert, und ob sie anschließend im angegebenen Zeitraum gelöscht werden? Wie können Einzelne auch Jahre später noch Kontrolle über ihre Infoschleppe behalten, wenn ihre Bewegungen längst zu neuen Info-Karten in Dutzenden von Atlanten verwoben wurden?