Schule digital: Bildungsmedien für Schulen – bundesweites Kuddelmuddel

Seite 2: Wir lernen online

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Wir Lernen Online ist schon seit März 2020 online und ein Produkt einer Konsortialgemeinschaft, bestehend aus dem Verein edu-sharing.net e.V., der Wikimedia und dem Bündnis Freie Bildung im Community-Management. Neben der Suchfunktion gibt es bei WLO auch schulfachspezifische Portale. Die Oberfläche sieht ansprechend aus und vermittelt den Eindruck der leichten Bedienbarkeit, die Funktion "Filter" allerdings hat es in sich.

Die Suchtreffer zu einem Stichwort können nach Schulfächern, Altersstufen, Medienarten, Bezugsquellen und Schlagworten nachträglich gefiltert werden, wobei nur die Filterkriterien angeboten werden, die in der aktuellen Suchtrefferliste auch tatsächlich vorhanden sind – der Vorteil einer indexbasierten Suche. In vielen Länderportalen ist das allerdings längst Standard. Unter den Bezugsquellen findet sich nicht selten sogar Youtube.

Ein Portal, das Youtube nach Bildungsinhalten durchsucht? Das macht Sinn. Wenn nicht in so einigen Youtubetreffern Werbeeinblendungen wären. In Schule ist das ein absolutes No-Go. Ließe man das offiziell und mit staatlicher Förderung zu, dann wäre das der Durchschlag der neoliberalen Version der Aufmerksamkeitsökonomie in den Schutzraum Schule. Hier müssen die Portalbetreiber nachbessern. Das ist möglich, denn es ist filterbar, ob ein Youtube-Kanal auf Werbeeinblendungen setzt oder nicht.

Bei WLO wird die OER-Philosophie offensiv vertreten. Für Nicht-Insider: Die Abkürzung OER steht für "Open Educational Resources". Darunter werden freie Lern- und Lehrmaterialien mit einer offenen Lizenz wie etwa Creative Commons oder GNU General Public License in Anlehnung an den englischen Begriff für Freie Inhalte, open content, verstanden.

Daher gibt es über der Suchworteingabe einen Schiebeschalter, über den die Funktion "zeige mir nur OER" aktiviert werden kann. Angezeigt werden dann ausschließlich Treffer, deren Medien unter einer Creative Commons Lizenz stehen. Checks mit verschiedenen Stichworten zeigen, dass sich die Anzahl der Suchtreffer für echte OER-Medien im Schnitt auf ein Zehntel bis ein Fünftel reduziert. Das ist enttäuschend, jedoch nicht der Suchmaschine anzulasten. Aber warum das so ist, das muss diskutiert werden.

Die Eingabe des Stichworts "Vogel" bei WLO liefert 480 Treffer, auf Platz 6 gar den "Vogel des Jahres 2016", ein Wissenshappen vom ZDF, präsentiert von Harald Lesch (Stand 17.04.2021). Ein Klick auf den Link führt zur ZDF-Mediathek und dort zu der Meldung "Diese Seite wurde leider nicht gefunden – Der von Ihnen gewünschte Inhalt ist nicht mehr vorhanden". Das ist eine Folge des gültigen Staatsvertrages, der den Sender anweist, Inhalte nur für eine bestimmte Zeit in der Mediathek vorzuhalten. Nun ist aber die Frage an WLO berechtigt – wenn man schon auf eine indexbasierte Suche statt eine Echtzeitsuche in externen Repositorien setzt – wie oft der Index aktualisiert wird. Fakt ist: Derselbe ins Leere führende Treffer wird im konkreten Fall mehrere Wochen lang angezeigt. Lehrkräfte, die etwas suchen, nehmen solche Leerläufe übel, wenn sie öfter auftreten.

Des weiteren verblüfft die Relevanzsortierung der Treffer. Bei so manchen Stichworten, zum Beispiel "Igel" oder "Elefant", fällt es schwer, darin irgendeinen Sinn oder ein System zu entdecken. Außerdem sind die Datensätze zur Beschreibung der Medien, die sogenannten Metadaten, oft nicht sauber.

MUNDO ist ein Teil von SODIX, das als Projekt die von der KMK formulierten Herausforderungen über zentrale, service-orientierte und landesspezifisch anpassbare Lösungen adressiert. Die Kultusministerkonferenz der Länder setzt mit ihrer im Dezember 2016 veröffentlichten Strategie "Bildung in der digitalen Welt" verbindliche Maßstäbe für die Digitalisierung der Bildungssysteme der Länder und benennt in diesem Zusammenhang auch konkret die Anforderungen an eine zu entwickelnde Bildungsmedieninfrastruktur. Dazu gehören 1. die allgemeine Auffindbarkeit von Bildungsmedien, 2. allgemeine und jederzeitige Verfügbarkeit von Bildungsmedien, 3. allgemein verbindliche technische Schnittstellen und 4. öffentliche Dokumentation.

Das heißt: Für MUNDO ist zumindest die Möglichkeit der Integration in Ländersysteme nicht nur in Aussicht gestellt, sie ist obligatorisch, denn sie ist Gegenstand eines Auftrags der KMK.

Die Oberfläche von MUNDO ist vergleichbar mit WLO ansprechend gestaltet und bietet auch vergleichbare Funktionen. Ebenso wie bei WLO gibt es Filter für Schulfächer, Schulstufen, Medienarten und Lizenzarten, die CC-Lizenzen sind hier sogar feiner gerastert. Auch hier wird versucht, die Vorteile einer indexbasierten Suche voll auszuschöpfen. Bei Zuschaltung eines Filters wird unmittelbar die Anzahl der verbleibenden Treffer angezeigt. Allerdings sucht man bei vielen Stichworten vergeblich nach einer sinnvollen Relevanzsortierung, ebenso wie bei WLO. Wie bewerten Lehrkräfte das?

Am 18. September 2020 – zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle heute verfügbaren Funktionen realisiert – veröffentlicht der Deutschlandfunk einen Beitrag "Bildungsportal MUNDO im Lehrercheck". Eine Lehrerin und ein Lehrer aus Berlin, sie für Englisch und Russisch, er für Mathematik, probierten das Portal aus. Ihre Kommentare reichten von "kenne ich schon" über "das ist wie Youtube" bis hin zu "das sind nur Links". Die Lehrerin bemängelte zusätzlich das Fehlen von Aufgabenstellungen und Fragen. Und der Mathematiklehrer ergänzte: "Also ich brauche diese Meta-Ebene nicht. Ich kann mir dieselben Sachen auch ergoogeln."

MUNDO erneut nutzen würden beide nicht. Das ist vernichtend. Und es darf behauptet werden, dass bei WLO das Urteil ähnlich ausgefallen wäre, denn beide Systeme sind im Wesentlichen Sammlungen von Internetlinks. Die umfangreichen und komfortablen Filterfunktionen beider Systeme können die inhaltliche Armut des Angebots nicht kaschieren, so bleiben sie vielmehr technischer Ausdruck politischer Hilf- und Konzeptlosigkeit. Wo es nicht viel gibt, kann nicht viel gefunden werden.