So gut wie ein PCR-Test: Forscher entwickeln "Rucksack"-Labor für 51 Dollar ​

Ein günstiges Open-Source-Testsystem für Sars-CoV-2 setzt auf Alltagsgegenstände wie eine Computerfestplatte, ein Handy-Akku und eine Thermosflasche. ​

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Alles in einem kleinen Rucksack: die CentriDrive-Zentrifuge, eine Kühlbox für die Reagenzien, eine Thermosflasche, ein digital Thermometer und zwei Pipetten. Und es bleibt sogar noch etwas Platz übrig. (Das Lineal dient nur zum Größenvergleich.)

(Bild: Smoukov, Lin et al., 2022, PLOS ONE.)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Forscher der Queen Mary University of London haben ein günstiges Minilabor für COVID-Tests entwickelt, das in einen Rucksack passt und insgesamt nur 51 Dollar kostet. Es soll vor allem ärmeren Ländern zu umfangreichen Testmöglichkeiten verhelfen, sagt Projektleiter Stoyan Smoukov. Die Komponenten sind vergleichsweise leicht erhältlich, 3D-druckbar oder bestehen aus Alltagsgegenständen.

Smoukovs Team hat im Fachjournal "PLOS One" neben sämtlicher Hardware und den Softwaredaten für die verwendete Arduino-Plattform auch eine detaillierte Anleitung für den Zusammenbau und Einsatz veröffentlicht, damit neben medizinischem Personal auch wenig trainierte Menschen das Labor bedienen, die acht farbkodierten Reagenzien einsetzen und die Ergebnisse anhand eine Farbreaktion verstehen können.

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Das Herzstück des Minilabors ist eine CentriDrive getaufte Zentrifuge, in der eine Handy-Akku-betriebene Computerfestplatte einen Probenhalter zum Rotieren bringt. "Festplatten mit rotierenden Spindeln sind sehr effizient und stabil konstruiert. Meist funktionieren diese Ingenieurswunderwerke in aussortierten Computern noch", schreiben die Forscher im Fachjournal "PLOS One". Die Spindelmotoren haben mit drei bis fünf Jahren eine relativ lange Lebenserwartung und lassen sich mit einem günstigen Potentiometer auf die gewünschte Geschwindigkeit einstellen.

Den Probenhalter stellten die Forscher mit einem 3D-Drucker her. Der Handy-Akku lässt sich zum Wiederaufladen an eine Autobatterie anschließen. Smoukov schätzt, dass eine Akkuladung für etwa 1.000 Proben reicht. Insgesamt kostet der CentriDrive nur etwa 28 Dollar und hilft nebenher beim Elektronik-Recycling, freut sich der Forscher.

Sein Team hat sich beim Nachweisverfahren bewusst gegen eine günstige PCR-Version entschieden, denn dabei "muss man die Proben immer noch wiederholt erwärmen und abkühlen lassen", erklärt der Projektleiter. Das hätte das Minilabor zu aufwendig und zu teuer gemacht. Stattdessen haben sie den ähnlich effektiven RT-LAMP-Test vereinfacht (RT-LAMP steht für "reverse transcription loop-mediated isothermal amplification", zu Deutsch etwa schleifenvermittelte DNA-Vermehrung bei fester Temperatur). Dabei werden die Proben auf eine einzige konstante Temperatur erhitzt und statt einer unangenehmen Rachen- und Nasenschleimhaut-Beprobung braucht der Test nur etwas Speichel.

Alles auf einen Blick: a) die CentriDrive, b) die Schaltkreise der CentriDrive, c) alle Reagenzien für den LAMP-Test.

(Bild: Smoukov, Lin et al., 2022, PLOS ONE.)

Laut den Londoner Forschern spürt ihr Minilabor das Sars-CoV-2-Virus vergleichbar effektiv wie kommerzielle PCR-Tests auf und kann laut Vorab-Tests bereits eine geringe Viruslast von bis hinunter zu vier Virenpartikeln pro Mikroliter nachweisen. Für eine genauere Validierung sind kontrollierte Studien mit Patienten geplant, die Störvariablen aufdecken und die Sensitivität sowie Spezifität präzisieren sollen. Für die parallele Auswertung von sechs Proben brauchte das System in Tests gerade mal 90 Minuten. Die acht chemischen Reagenzien plus Wegwerfbehälter und Pipettenspitzen kosten 3,50 Dollar pro Probe.

Dagegen kosten kommerzielle LAMP-Testkits im Großhandel zwischen sechs und 20 Euro (fünf bis 17 Pfund). Ein LAMP-Flugtauglichkeitstest etwa am Flughafen London-Heathrow wiederum schlägt mit mindestens 100 Euro zu Buche (85 Pfund) und liefert in zwei Stunden ein Ergebnis. "Viele nehmen an, dass der Personalkosten-Anteil für solche kommerziellen Tests sehr hoch ist. Aber er macht nur etwa einen Pfund pro Test aus, in diesem Fall also ein Prozent. Das wird hoffentlich die Suche nach weiteren Kostensenkungsmöglichkeiten für die Tests motivieren“, sagt Smoukov. Nach zwei Jahren Pandemie gehe es nicht mehr um Notfallpreisgestaltung mit außerordentlichen Risiken. "Tests sollten Gebrauchsgüter sein, da wir auf Jahre hinaus mit COVID leben und diese Kostensenkungsfähigkeit wahrscheinlich auch für andere Krankheitsnachweise brauchen werden."

Für langfristige Einsätze müssen die Reagenzien gekühlt werden, für kurze Ein- bis Zwei-Tages-Einsätze außerhalb von Krankenhäusern ließen sie sich in Styroporboxen mit Trockeneis gekühlt transportieren, sagt Smoukov. Vor Ort würden sie ohne Kühlen ein paar weitere Stunden aushalten. Er hofft, dass der Test auf breites Interesse stoßen wird. Bisher haben bereits Krankenhäuser und Pharmaunternehmen aus Indien und Pakistan Gesprächsbedarf signalisiert, etwa um genauere Validierungsstudien durchzuführen.

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(vsz)