Studie: Europa kann sich selbst mit Wasserstoff versorgen

Vor allem Norwegen, Spanien und Frankreich könnten mehr grünen Wasserstoff erzeugen, als sie benötigen. Deutschland ist wohl weiter auf Importe angewiesen.

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(Bild: peterschreiber.media / Shutterstock.com)

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Europa kann sich selbst mit grünen Wasserstoff zu wirtschaftlichen Preisen versorgen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Fraunhofer ISI, RIFS Potsdam und Deutscher Energie-Agentur innerhalb des Forschungsprojekts HYPAT. Allerdings seien die Weichen dafür falsch gestellt: Gerade die Länder mit einem großen Potenzial an erneuerbaren Energien investierten tendenziell zu wenig in eine Wasserstoff-Infrastruktur.

Das "technische Potenzial" für Erneuerbare schätzten die Forschenden anhand der verfügbaren Fläche für Wind- und Solarkraftwerke ab. An der Spitze liegt demnach Norwegen, sogar ohne Wasserkraft. Im Jahr 2050 könnte es jährlich mehr als 1900 Terawattstunden zu Kosten von 40 Euro pro Megawattstunde produzieren, so die Studie. Dahinter folgen Spanien mit 1760 TWh und Frankreich mit 1700 TWh.

Den europäischen Wasserstoff-Bedarf errechnete die Studie für zwei Szenarien. Das erste Szenario umfasst ausschließlich Anwendungen, die ohne Wasserstoff kaum zu dekarbonisieren sind – etwa Stahlherstellung, Chemie, Luftfahrt und Schifffahrt. Das zweite Szenario schließt darüber hinaus auch Gebäudeheizungen, LKWs und PKWs ein. Würde der gesamte dafür benötigte Wasserstoff elektrisch hergestellt, bedeute dies für die untersuchten Staaten (EU plus Norwegen, Schweiz und das Vereinigte Königreich) einen gesamten jährlichen Stromverbrauch von 6600 beziehungsweise 8000 Terawattstunden.

Das ist mehr als doppelt so viel wie heute (rund 3000 TWh). Um diesen Bedarf komplett aus Erneuerbaren zu decken, müsste sich die Produktion Erneuerbarer um den Faktor drei bis vier erhöhen (bei einem gleich bleibendem Anteil an Kernkraft). Doch angesichts des ermittelten Potenzials an Erneuerbaren hält die Studie das zumindest theoretisch für möglich. Europaweit könnten die Erneuerbaren "selbst bei breiter Anwendung von Wasserstoff" die gesamte Elektrizitätsnachfrage einschließlich der Nachfrage zur Wasserstoffherstellung decken. Länder wie Norwegen, Spanien und Frankreich hätten "selbst bei starker heimischer Nutzung von Wasserstoff mehr Potenzial, als sie selbst für ihre eigene Nachfrage benötigen würden", heißt es in der Pressemitteilung. Einschränkend steht allerdings in der Studie: "Natürlich kann nicht das gesamte theoretische Potenzial realisiert werden, nicht einmal langfristig." Zudem sei für die Wasserstoffproduktion auch das Wasserangebot ein begrenzender Faktor.

Deutschland hingegen werde "trotz aller Anstrengungen" künftig ein Wasserstoff-Importland bleiben. Das Potenzial für erneuerbare Energien sei "nicht einmal halb so groß wie die künftige Nachfrage". 2050 könnte es das EU-Land mit der "größten absoluten Versorgungslücke" sein. Weitere Defizit-Länder seien die Niederlande, Belgien und Tschechien.

Allerdings sind die Staaten mit dem größten Potenzial nicht unbedingt die, die am meisten in die Wasserstoff-Infrastruktur investieren – und umgekehrt. Bei den geplanten Investitionen liegt Deutschland vor Frankreich und UK an der Spitze, Spanien folgt erst auf Platz vier. (Vom nicht-EU-Land Norwegen liegen keine Zahlen vor.)

Europa schöpfe sein Potenzial nicht aus, bemängelt die Studie. Förderprogramme wie der EU-Innovationsfonds würden dieses Ungleichgewicht sogar noch verstärken. Zur Abhilfe empfehlen die Forschenden fünf Maßnahmen: höhere Subventionen für Wasserstoffprojekte, grenzüberschreitende Auktionen für grünen Wasserstoff, nationale Ausbauzielpfade für Erneuerbare in allen Mitgliedsländern, Entwicklung von bilateralen oder regionalen Wasserstoffpartnerschaften zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern sowie Fokussierung der Wasserstoffnutzung in Defizitländern auf die schwierig zu elektrifizierenden Sektoren.

(bsc)