Superheißes Salz für bessere Netzakkus

Dank neuer Batteriechemie soll erneuerbare Energie besser im Netz gespeichert werden können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 61 Kommentare lesen

Die Schmelzsalzbatterien von Ambri haben die Größe einer Essensbox und können zu Energiespeichersystemen in Containergröße aneinandergereiht werden.

(Bild: Ambri)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Um erneuerbare Energie besser zu speichern, sind große Pufferspeicher notwendig. Start-ups, die an neuen Batteriechemieverfahren arbeiten, schicken sich nun an, diesen Markt aufzurollen. Einige dieser Anbieter könnten letztendlich billiger – und in vielerlei Hinsicht besser – sein als die Hersteller der aktuell noch branchenüblichen Lithium-Ionen-Batterien. Doch bis dahin gibt es noch einige Hürden zu überwinden. Eine neue Technik nutzt superheißes Salz zur Energiespeicherung.

Die Welt baut immer mehr Kapazitäten für erneuerbare Energien auf, insbesondere für Solar- und Windenergie, deren Strom bekanntermaßen mit dem Wetter kommen und gehen kann. Deshalb muss die gewonnene Elektrizität zwischengespeichert werden. Bislang dienen dazu vor allem Pumpspeicherwerke, die bislang über 90 Prozent der weltweiten Energiespeicherung ausmachen. Wasserkraft ist zwar eine kostengünstige und effektive Art der Energiespeicherung, aber sie ist auch mit Umweltbedenken verbunden – und sie unterliegt großen Einschränkungen hinsichtlich der Installationsorte, da sie große Wassermassen benötigt.

Der Rest wird zumeist von Batterien übernommen – und diese werden wahrscheinlich auch in den kommenden Jahrzehnten den größten Teil des Wachstums des Energiespeichermarktes ausmachen. Am weitesten verbreitet sind dort heute Lithium-Ionen-Batterien, wie sie auch in Handys oder Elektrofahrzeugen eingesetzt werden. Das hat gute Gründe: Im Laufe der jahrzehntelangen Entwicklung und Skalierung sind Lithium-Ionen-Batterien billiger geworden. Gleichzeitig sind die Produktionskapazitäten explodiert, so dass gefühlt jede zweite Woche neue Gigafactories auf der ganzen Welt entstehen.

Allerdings gibt es einige Diskrepanzen zwischen dem, was Lithium-Ionen-Batterien können, und den Anforderungen, die eigentlich an Akkus für die stationäre Energiespeicherung gestellt werden. Da wäre zunächst der Preis. Um erneuerbare Energien erschwinglich zu machen, muss die Speicherung im Netzbereich spottbillig sein. Letztes Jahr hat sich das US-Energieministerium das Ziel gesetzt, die Kosten bis 2030 um 90 Prozent zu senken. Lithium-Ionen-Batterien sind im Laufe der Jahre zwar wie erwähnt billiger geworden, aber diese Kostenreduktionen könnten sich dem Ende zuneigen, vor allem angesichts der zu erwartenden Materialknappheit.

Dass Lithium-Ionen-Akkus vergleichsweise klein und energiereich sind, hilft im Bereich der Energiespeicherung im Netz zudem weng. Das mag für Handys oder E-Autos gut sein, doch hier sind andere Dinge entscheidend. Ein Kompromiss bei der Energiedichte für stationäre Anwendungen könnte somit niedrigere Kosten bedeuten. Bei der Langlebigkeit gibt es zudem Probleme. In Industrieanlagen werden oft Geräte eingesetzt, die bei entsprechender Wartung jahrzehntelang halten. Lithium-Ionen-Batterien müssen hingegen in der Regel alle fünf bis zehn Jahre ausgetauscht werden, was sehr teuer werden kann.

Mehr über Akkus und Energiespeicher

Angesichts des Missverhältnisses zwischen der aktuellen Batterietechnik und unserem künftigen Energiespeicherbedarf arbeiten immer mehr Start-ups an einer alternativen Methode zur Energiespeicherung. Man hört von Eisenluft- und Eisenflussbatterien, Kunststoffbatterien und sogar Start-ups, die komprimiertes Kohlendioxid zur Energiespeicherung verwenden.

Doch nun schafft eine weitere Technologie den Sprung vom Labor in die kommerzielle Welt: Schmelzsalz. Ambri ist ein in Boston ansässiges Start-up, das solche Batterien aus Kalzium und Antimon herstellt. Das Unternehmen hat vor kurzem ein Demonstrationsprojekt zur Energiespeicherung für Microsoft-Rechenzentren angekündigt und im vergangenen Jahr über 140 Millionen Dollar für den Aufbau seiner Produktionskapazität eingesammelt.

Nach Angaben des Unternehmens könnte seine Technologie über die gesamte Lebensdauer 30 bis 50 Prozent billiger sein als ein entsprechendes Lithium-Ionen-System. Schmelzsalzbatterien können außerdem einen Wirkungsgrad von über 80 Prozent erreichen, was bedeutet, dass ein relativ geringer Teil der Energie, die zum Laden der Batterie verwendet wird, als Wärme verloren geht. Ambri wurde 2010 auf der Grundlage von Forschungsergebnissen aus dem Labor von Donald Sadoway am MIT gegründet. Ziel sei es, ein kostengünstiges Produkt für den stationären Netzspeichermarkt zu entwickeln, so David Bradwell, Gründer und Technikchef des Unternehmens.

Die Inspiration kam den Forschern an einem ungewöhnlichen Ort: der Aluminiumproduktion. Unter Verwendung ähnlicher chemischer Reaktionen, wie sie bei der Aluminiumschmelze verwendet werden, baute das MIT-Team ein kostengünstiges Energiespeichersystem im Labormaßstab. Doch die Umsetzung dieses Konzepts in ein reales Produkt war wie üblich nicht leicht. Die auf Magnesium und Antimon basierende Batteriechemie, mit der das Unternehmen begann, erwies sich als schwierig in der Herstellung. Nach anhaltenden Problemen mit den Dichtungen der Batterien entließ Ambri 2015 sogar ein Viertel seiner Mitarbeiter und kehrte in die Designphase zurück.

Im Jahr 2017 stellte das Unternehmen auf einen neuen Ansatz für seine Batterien um, der Kalzium und Antimon verwendet. Die neue Chemie stützt sich auf billigere Materialien und soll sich als einfacher in der Herstellung erweisen, sagt Bradwell. Seit der Umstellung hat das Unternehmen technische Probleme behoben und Fortschritte bei der Kommerzialisierung erzielt, darunter Sicherheitstests durch Dritte. Und erste kommerzielle Verträge sind unterzeichnet, darunter jener mit Microsoft.

Das Start-up steht jedoch auch aktuell noch vor großen Herausforderungen. Die Batterien werden bei hohen Temperaturen von über 500 Grad Celsius betrieben, was die Auswahl an Materialien, aus denen sie hergestellt werden können, einschränkt. Und die Umstellung von einzelnen Batteriezellen, die etwa die Größe einer Brotdose haben, auf gigantische Systeme in Containergröße kann zu Problemen bei Systemsteuerung und Logistik führen. "Und beim Einsatz eines Produkts in der realen Welt muss man sich mit Dingen auseinandersetzen, die in der realen Welt passieren", räumt Bradwell ein. Sei das der Schutz vor Blitzschlägen oder Nagetieren, die sich an den Leitungen gütlich halten.

Zumindest eine Sache hat sich in den letzten zehn Jahren jedoch geändert für Ambri: der Markt. Bradwell zufolge waren sich Investoren und Analysten damals nicht einmal einige, dass überhaupt jemand Energiespeicher haben will. Jetzt scheint die einzige Frage zu sein, wie schnell die Branche wächst. Es wird dauern, bis Ambri und andere neue Batteriehersteller die Produktion hochfahren können. Und der Beweis, dass es sich hier um eine praktikable und erschwingliche Alterantive zu den bestehenden Batterien ist noch nicht erbracht. "Die Reise geht weiter", sagt Bradwell.

(jle)