Forscher zum Batteriemarkt: "Deutschland hat sich zum Musterknaben entwickelt"

Batterieforscher Maximilian Fichtner spricht im Interview über die Aufholjagd Europas und die Vor- und Nachteile der verschiedenen neuartigen Akkukonzepte.

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Der Chemiker Maximilian Fichtner, Jahrgang 1961, ist unter anderem Professor für Festkörperchemie an der Uni Ulm und stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung.

(Bild: Helmholtz-Institut Ulm)

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Neue Materialien machen Batteriezellen günstiger und umweltfreundlicher, ein optimiertes Batteriedesign sorgt für längere Reichweite zu geringeren Kosten. Doch perfekt ist die Technik noch immer nicht. Im Interview spricht Experte Maximilian Fichtner über neue und alte Möglichkeiten.

Mein Eindruck von der Batterieforschung ist: Immer, wenn sie gerade einen Bestandteil optimiert hat – etwa die Katode –, bekommt sie Probleme mit etwas anderem, zum Beispiel dem Elektrolyt. Braucht man dafür eine besonders hohe Frustrationstoleranz?

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Die brauchen Sie als Chemiker generell. Es gibt den Fall, dass man an einem Parameter dreht und ein paar andere Dinge funktionieren dann nicht mehr so gut. Aber es gibt auch den umgekehrten Effekt: Varta hat zum Beispiel der Anode Silizium zugemischt, um die Kapazität zu steigern. Gleichzeitig verbesserte sich dadurch die Schnellladefähigkeit. So etwas können Sie allerdings nicht immer im Voraus wissen. Es gibt viele, viele Schritte auf dem Weg zur fertigen Batterie und jeder dieser Schritte kann scheitern. Deshalb kommt nur ein Bruchteil von dem, was in den Labors gemacht wird, tatsächlich in einem kommerziellen System an.

Welche Schritte sind das?

Nehmen wir an, Sie wollen Kobalt in der Kathode schrittweise durch Mangan und Nickel ersetzen. Dann schauen Sie zunächst, ob Sie die gewünschte Kristallstruktur überhaupt hinbekommen. Als Nächstes machen Sie daraus eine Elektrode für kleine Knopfzellen. Meist stellen Sie dann fest, dass die Kapazität beim Be- und Entladen langsam abnimmt. Sie müssen also weiter optimieren. Wenn Sie denken, die Lösung zu haben, müssen Sie eine „Vollzelle“ in einem größeren Format bauen. Das ist eine Kunst für sich: Sie müssen vielleicht noch Zusätze zum Elektrolyten zugeben, die Oberfläche stabilisieren und so weiter. Irgendwann sind Sie an einem Punkt, wo Sie damit zu einer Chemiefirma gehen. Die sagen dann: „Wie soll ich davon bitte eine Tonne herstellen? Ich hab’ ja gar keinen Prozess dafür.“ Und wenn Sie das Ganze dann trotzdem hochskaliert bekommen, kann sich herausstellen: Aus irgendeinem Grund hat das Material nicht mehr diese tollen Eigenschaften wie die paar Gramm aus dem Labor. Oder es ist zu teuer und damit vielleicht nicht mehr konkurrenzfähig.

Könnte eine Künstliche Intelligenz solche Schwierigkeiten nicht vorher abschätzen?

Schon früh kann man mit einer KI ableiten, ob ein Material etwa eher für den stationären oder den mobilen Bereich geeignet ist. Auch die Alterung von Zellen lässt sich mittlerweile recht erfolgreich damit vorhersagen. Jetzt versucht man, auch die Materialentwicklung zu beschleunigen. In Ulm bauen wir gerade eine riesige, europaweit einzigartige Anlage auf, mit einer autonomen, KI-gestützten Robotik.