Wärmepumpen und Kältemaschinen: Wie es auch ohne schädliche Fluor-Gase geht

Kältemaschinen und Wärmepumpen nutzen meist Fluor-Gase, die einen starken Treibhauseffekt haben und sich in der Umwelt anreichern. Dabei gäbe es Alternativen.

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Unter den natürlichen Kältemitteln gibt es noch eine weitere vielversprechende Substanz: R-718, vulgo: Wasser.

(Bild: Peter Bocklandt / Shutterstock.com)

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Mehr als 2000-mal so klimaschädlich wie CO2 ist das weit verbreitete Kältemittel R-410 A. Es handelt sich um eine Mischung aus Difluormethan (CH2F2) und Pentafluorethan (CHF2CF3). Beides zählt zu den sogenannten Perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) – Kohlenwasserstoffe, die reichlich mit Fluor bestückt sind. Bei Betrieb und Entsorgung entweicht regelmäßig eine gewisse Menge Kältemittel, laut Umweltbundesamt jährlich rund 2,5 Prozent der Füllung. Bei einer handelsüblichen, mit R-410 A betriebenen Wärmepumpe für Einfamilienhäuser entspräche dies der Treibhauswirkung von 700 Kilometern Autofahrt, rechnet Riffreporter vor (€). (Unter dem Strich schnitten Wärmepumpen aber trotzdem "weit besser" ab als Gasheizungen.)

Neben ihrer Treibhauswirkung verursachen die Fluor-Gase noch ein anderes Problem: Sie sind sehr stabil und reichern sich in der Nahrungskette an. Deshalb werden sie oft "Ewigkeitschemikalien" genannt. Deutschland setzt sich mit anderen Ländern dafür ein, PFAS europaweit verbieten zu lassen. Und die Bundesregierung will laut Riffreporter "bis spätestens Ende 2024 prüfen, ob Wärmepumpen mit Kältemitteln, die fluorierte Treibhausgase enthalten, künftig von der Förderung ausgeschlossen werden".

Alternativen zu finden ist allerdings nicht ganz einfach, denn die Anforderungen an Kältemittel sind vielfältig. Ihre Aufgabe ist es, Wärme aufzunehmen, indem sie verdampfen, und sie wieder abzugeben, indem sie kondensieren. Das bedeutet: "Die Temperatur zur Verdampfung und Verflüssigung des Kältemittels muss zur jeweiligen Anwendung passen und beide Vorgänge müssen bei möglichst geringen (und damit beherrschbaren) Drücken stattfinden", erklärt die Niedersächsische Klimaschutzagentur.

Zudem sollten die Kältemittel möglichst viel "latente" (also durch Phasenwechsel gespeicherte) Wärme transportieren können, die Ozonschicht nicht schädigen, ein niedriges Treibhauspotenzial haben und weder brennbar noch toxisch sein. Das alles lässt sich kaum unter einen Hut bringen. Einige synthetische Mittel haben zwar ein vergleichsweise niedriges "Global Warming Potential" (GWP), können aber toxisch sein. "Für keines dieser Kältemittel kann eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden", erläuterte die Klimaschutzagentur.

Bei den natürlichen Kältemitteln sieht es ähnlich aus. In großen Anlagen hat sich Ammoniak bewährt, das aber ebenfalls giftig ist. Auch Kohlendioxid funktioniert als Kältemittel, erfordert aber hohe Drücke und entsprechend aufwendige Technik. Propan und Butan sind weitere aussichtsreiche Kandidaten, aber leider brennbar und kommen deshalb meist nicht für Innenräume in Frage. "Eine ideale Lösung gibt es derzeit nicht; auch weil diese von der jeweiligen Anwendung abhängt", schreibt die Klimaschutzagentur.

Doch die Entwicklung geht weiter. Für Propan hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energietechnik in Freiburg nun eine Art Workaround geschaffen: eine hocheffiziente Wärmepumpe mit einer Heizleistung von knapp 13 Kilowatt, die mit nur 124 Gramm Propan (C3H8) auskommt, also weniger als zehn Gramm pro Kilowatt. "Das entspricht etwa der Propan-Menge in fünf Feuerzeugen", sagt ISE-Projektmanager Clemens Dankwerth. Handelsübliche Wärmepumpen brauchen ungefähr das Sechsfache.

Für ihr Aggregat hat das Fraunhofer-Team allerdings einen schnell laufenden Verdichter aus der Automobilindustrie benutzt, der per se weniger Kältemittel braucht. Für einen Dauerbetrieb über 20 Jahre hinweg wäre er wohl nicht haltbar genug. Clemens Dankwerth ist aber zuversichtlich, auch mit robusteren Systemen unter 150 Gramm zu kommen. Bei einer so geringen Menge wäre eine Anlage auch ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen in Gebäuden einsetzbar.

Unter den natürlichen Kältemitteln gibt es noch eine weitere vielversprechende Substanz: R-718, vulgo: Wasser. Ungiftig, unbrennbar, unschlagbar billig, unschädlich für das Klima. "Nahezu ideal", schreibt die Klimaschutzagentur, "aber nur für Anwendungen oberhalb 0 Grad Celsius möglich". Logisch, denn dann friert es ein. Für klassische Luft-Wärmepumpen kommt Wasser damit eher nicht in Frage. Wohl aber für Kältemaschinen. Das Start-up Efficient Energy aus der Nähe von München hat bereits rund 200 solcher Anlagen verkauft. Zu den Kunden zählen Siemens, British Telecom, Unis und die Autobranche. Die Aggregate leisten 30 bis 120 kW und decken einen Temperaturbereich von 10 bis 28 Grad ab.

Bei welcher Temperatur Wasser verdampft und seiner Umgebung dabei Wärme entzieht, hängt vom Druck ab. Anders als herkömmliche Kälteanlagen arbeiten die Maschinen von Efficient Energy nicht mit Überdruck, sondern mit einem "Grob-Vakuum" von 10 bis 100 mbar. Doch so ein niedriger Druck ist ingenieurtechnisch schwierig zu beherrschen. "Wir lassen eine gewisse Diffusion von Luft zu", sagt CEO Georg Dietrich. "Aber wir haben einen sehr effizienten Weg gefunden, die Luft mit sehr geringem Aufwand zu entfernen." Die Details seien "stark patentiert" und das Ergebnis von zehn Jahren Entwicklung.

Eine andere Herausforderung war es, die Anlagen möglichst kompakt zu bauen. Wasser hat gasförmig ein weitaus höheres Volumen als flüssig. Deshalb hat Efficient Energy einen eigenen Turbo-Verdichter entwickelt, der mit solchen hohen Volumina umgehen kann. Mit herkömmlichen Kolben- oder Scroll-Kompressoren sei so etwas nicht möglich. Bis 2019 hat das Start-up zudem noch einen selbst entwickelten E-Motor verwendet, der die nötigen 90.000 Umdrehungen pro Minute schaffte. Mittlerweile ist es bei einem Zulieferer aus der Automobilindustrie fündig geworden.

Durch den eigenen, drehzahlgeregelten Verdichter kann Efficient Energy den Druck des Systems genau auf das geforderter Temperaturniveau einstellen – auch bei sehr niedrigen Differenzen zwischen Eingangs- und Ausgangstemperatur. "Wenn der Kunde 16 Grad will, stellen wir genau 16 Grad ein", sagt Dietrich. Insgesamt verbrauchen die Anlagen nach seinen Angaben bis zu 80 Prozent weniger Strom als konventionelle Kältemaschinen.

Die Abwärme dieser Maschinen könnte prinzipiell auch zum Heizen benutzt werden. Die Frage ist nur: Wie findet man einen Abnehmer? "Das ist die größte Herausforderung", sagt Dietrich. Wenn etwa ein Rechenzentrum Dritte mit Wärme beliefere, sei das mit vielen Hürden verbunden. "Deshalb konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die die Wärme selbst nutzen können – etwa, weil sie ein Bürogebäude direkt neben dem Rechenzentrum haben."

Zwei Anlagen laufen nach Angaben von Dietrichs bereits im Kälte-Wärme-Kopplungs-Betrieb – bei einem Autozulieferer und in der Uni Passau. Doch auch unabhängig von der Wärmeauskopplung sieht er in der Kälteerzeugung einen großen Hebel, den Treibhausgasausstoß zu bremsen. "Circa sieben Prozent des weltweiten Energiebedarfs entsteht durch Kühlung", sagt Dietrich. Trotzdem habe die Kältetechnik bisher ein Aschenputtel-Dasein geführt. Doch das habe sich – auch durch die steigenden Energiepreise – in letzter Zeit geändert. "Wir merken, dass die Industrie sich bewegt. Die Gebäudetechnik könnte allerdings etwas mehr Gas geben. Für alle Applikationen gibt es Lösungen mit natürlichen Kältemitteln. Es gibt keinen Grund, nicht auf nachhaltige Klimatechnik umzustellen."

(grh)