Unterwegs zum autonomen Fahren: Mit V2X-Kommunikation simulationsbasiert testen

Seite 2: V2X-Technologie – Fakten und Hintergründe

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Die V2X-Technologie, auch bekannt als Car2X, entwickelte sich in den 2010er-Jahren mit dem Ziel, die Sicherheit und Effizienz des Straßenverkehrs durch vermehrte Kommunikation der Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen. Der frühzeitige Austausch von Informationen unter ihnen, beispielsweise durch die Meldung einer Aquaplaning-Gefahrenstelle von Fahrzeug zu Fahrzeug, kann Unfälle verhindern. Die Effizienzsteigerung geht mit der Vermeidung von Unfällen einher und zeichnet sich vor allem durch die Möglichkeit einer höheren Verkehrsdichte aus. Fahrzeuge, die Informationen über sich und ihre Umwelt austauschen, können zukünftig schneller auf Gefahren reagieren und daher auch enger hintereinander fahren. Dieser Anwendungsfall wird Platooning genannt.

Die V2X-Kommunikation basiert ursprünglich auf dem 2010 veröffentlichten Standard IEEE 802.11p. Der 802.11p-Standard ist eine Erweiterung der WLAN-Spezifikation, die innerhalb der IEEE-802.11er-Reihe festgehalten ist. Die Entwicklung und Erforschung der V2X-Technologie treiben hauptsächlich Europa, die USA und Japan voran. In Europa begleiten das European Telecommunication Standards Institute (ETSI) mit Sitz in Frankreich und das Car2Car Communication Consortium (C2C-CC) die Entwicklung. Der Standard ETSI ITS-G5 stellt die Umsetzung des 802.11p-Protokolls für den europäischen Raum dar. Im ITS-G5-Standard sind für die V2X-Kommunikation mehrere Kanäle im Bereich von 5,85 bis 5,925 GHz reserviert. In den USA haben Automobilhersteller und das Verkehrsministerium im Jahr 1999 75 MHz im 5,9-GHz-Frequenzband für die V2X-Kommunikation vorgesehen.

Das für die Kommunikation verwendete "Wireless Access in Vehicular Environments (WAVE)"-Protokoll basierte bis November 2020 ebenfalls auf IEEE 802.11p. Während es in Europa und den USA noch keine weitreichende Ausstattung mit V2X-fähiger Infrastruktur gab, konnte das zuständige Ministerium in Japan auf das bestehende Mautsystem zurückgreifen. Japan verwendet eine modifizierte Version des WAVE-Standards für eine Kommunikation im 5,8-GHz-Bereich.

Nach dem ETSI-ITS-G5-Standard besteht ein V2X Kommunikationssystem aus Roadside-Units (RSU) – streckenseitige Kommunikationsinfrastruktur – auf der einen Seite und On-Board-Units (OBU) auf der anderen Seite. Fahrzeuge, die über V2X kommunizieren sollen, haben eine solche OBU an Bord. Intelligente Infrastruktur wie Ampeln oder Masten am Straßenrand sind mit einer RSU ausgestattet, um V2X-Nachrichten senden und empfangen zu können.

Innerhalb der OBUs und RSUs ist der V2X-Stack der wichtigste Bestandteil. Der V2X-Stack ist in Abbildung 1 dargestellt und hat ähnlich wie das ISO/OSI-Modell mehrere Schichten.

Der V2X-Stack ist ähnlich zum ISO/OSI-Referenzmodell in Schichten aufgebaut (Abb. 1).

In der untersten der vier Schichten befinden sich die Zugangstechnologien, die die in der Regel drahtlose Kommunikationstechnik zwischen den ITS-Stationen umfassen. Die darüberliegende Netzwerk- und Transportschicht steuert die Verbreitung der gesendeten Nachrichten. In der nachfolgenden ITS-Facilities-Schicht befindet sich die Verwaltung von Softwaremodulen und die Datensammlung sowie -aggregation für Applikationen. Die Applikationen sind in der obersten Schicht "ITS Applications" zu finden. Hierunter fallen sowohl Anwendungen zur Interaktion im Fahrzeug (Human Machine Interface, HMI) als auch die Fahrzeugsensorik.

Referenzmodell

Das ISO/OSI-Referenzmodell bildet die gängigen Netzwerkprotokolle in einer Schichtenarchitektur ab. Das Modell umfasst sieben Schichten von der Bitübertragung über die Vermittlungs- und Transportschichten bis hin zur Darstellungs- und Anwendungsschicht.

In der V2X-Kommunikation hat das ETSI in Anlehnung an den internationalen Standard europäische Nachrichtenformate für verschiedene Anwendungsfälle definiert. Die Cooperative Awareness Message (CAM) umfasst allgemeine Fahrzeuginformationen wie die Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung. Die Fahrzeuge senden solche Cooperative Awareness Messages kontinuierlich mindestens ein Mal pro Sekunde aus, um Verkehrsteilnehmende im Umkreis von bis zu 500 Metern über sich zu informieren. Für die Warnung anderer vor Gefahrenstellen legt der ITS-G5-Standard die Verwendung einer Decentralized Environmental Notification Message (DENM) fest. Eine DENM enthält sowohl Informationen über das sendende Fahrzeug als auch zur Gefahrenstelle. Die Gefahrenstelle wird mittels CauseCode und SubCauseCode codiert. Der CauseCode 12 beispielsweise steht für Personen auf der Straße. Fahrzeuge können solche Gefahrenmeldungen im Display anzeigen, um Fahrende zu warnen.

Nachrichtenformate

Der Zusatz "-em" bzw. das eingeschobene "-e–" bei den Nachrichtenformaten MAPEM, SPATEM, SREM und SSEM steht für "extended" und grenzt die europäische Version der Nachrichtenformate von dem global verwendeten IEEE Standard ab.

Hat ein Fahrzeug eine DENM empfangen, kann es sie wiederum per Broadcast an andere Fahrzeuge in seiner Nähe weiterleiten. So erhalten auch Fahrzeuge in größerer Entfernung Meldungen. Ampeln kommunizieren ihren aktuellen Status über die Nachrichtenformate Signal Phase and Timing (SPATEM) und Map Topology, kurz MAPEM. Mit SPATEM teilen Ampeln den aktuellen und (abhängig vom Hintergrundsystem) gegebenenfalls auch den prognostizierten Signalzustand mit. Aus der Kombination von SPATEM und MAPEM können OBUs den Fahrenden verschiedene Services anbieten.