Vom Flop zum Kultfilm: 40 Jahre TRON

Seite 2: Erste Pläne für einen TRON-Film

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Dennoch oder vielleicht deswegen hält Lisberger an einem weiteren Film fest. Er will den elektronischen Krieger aus den Werbespots zu einem Abenteuer in Spielfilmlänge ausbauen. Er ist fasziniert von der Pong-Konsole seiner Schwiegereltern und registriert den wachsenden Einfluss von Videospielen in den siebziger Jahren. Und er stellt sich eine Frage, die ihn zeitlebens nie loslassen wird. Was ist hinter dem Bildschirm? Wenn es dort Leben gäbe, wie würde es ausschauen? Wie erleben die Spielfiguren die elektronischen Kämpfe im Innern des Computers? Die Spiele von Atari und anderen Studios, wie "Pong" und "Breakout", sind eine Inspiration. Der Film soll zunächst Futurebowl heißen; irgendwann wird daraus der Name TRON.

Vom Klassiker "Spartacus" (mit Kirk Douglas, von Stanley Kubrick) übernimmt er die tödlichen Gladiatoren-Kämpfe – und die Möglichkeit, sich ihnen durch Flucht zu entziehen. Ähnlich wie in "2001" soll es einen alles überwachenden Computer geben.

Eine der neuen Mitarbeiterinnen ist Bonnie MacBird. Sie hat eigentlich einen sicheren Job in der Story-Entwicklung bei Universal, aber Lust auf Veränderung. Sie verspricht sich, bei Lisbergers kleinem Team nicht nur Drehbücher zu schreiben, sondern auch Filme mitzuproduzieren.

Um mehr über Computer zu erfahren, organisiert Lisberger Ausflüge zu Unternehmen wie Apple und zu einem noch viel aufregenderem Platz: dem PARC, dem Palo Alto Research Center von Xerox. Dort entsteht der erste Computer mit einer grafischen Bedienoberfläche, mit Fenstern und Menüs, gesteuert mit der Maus. Die Vorlage für den Apple Macintosh und für Microsoft Windows. Sie werden Alan Kay vorgestellt, einem der führenden Köpfe hinter der GUI. Mehrere Stunden führt er sie in die Welt der Computer ein, getränkt mit Kunst, Musik und Bildung. Sie engagieren ihn als technischen Berater; und auch wenn er am Ende nicht viel zum Film beitragen kann: Bonnie MacBird und Alan Kay heiraten 1983; und er ist zweifelsohne das Vorbild für den Filmhelden Tron, der auf der anderen Seite des Bildschirms den bürgerlichen Namen Alan Bradley trägt.

Das Team um Lisberger stellt das Konzept mehreren Filmstudios vor. Es gibt ein Drehbuch und einen ganzen Raum voller Zeichnungen, Storyboards und Designs, etwa für die Kostüme und Anzeige. Die Manager von Universal & Co finden die Entwürfe beeindruckend und erkennen die Leidenschaft. Aber sie können die Filmidee nicht einordnen. Sie verstehen die Computer-Begriffe nicht; und dass man in eine virtuelle Welt teleportiert wird. Sie erkennen das Einzigartige, aber sie wollen das Risiko nicht eingehen.

Ausgerechnet Disney greift zu. Dabei ist das Studio zunächst gar nicht unter den Favoriten. Man befürchtet, es hätte mit seinen traditionellen Trickarbeiten kein Interesse an Computertricks. Und wenn sie es hätten, würden sie solche Filme intern selbst umsetzen. Doch Disney hat Erfolge dringend nötig.

Seit mehr als zehn Jahren ist das Unternehmen gelähmt. Das Oberhaupt Walt Disney, stets getrieben auch durch Innovationen, stirbt 1966. Sein Bruder Roy Oliver Disney folgt 1971. Man hat es versäumt, einen geeigneten Nachfolger aufzubauen. Walt hat eine leibliche (und eine adoptierte) Tochter; doch eine Frau als Nachfolge kommt für den Patriarchen nicht in Frage. So holt er seinen Schwiegersohn Ron Miller in die Firma und gibt ihm mehr und mehr Aufgaben. Miller schlägt sich nicht schlecht, ist aber kein Visionär und gefangen in der Stagnation. Man hat Angst vor Entscheidungen, sondern fragt sich: Was würde Walt an dieser Stelle tun.

Während andere Studios enorme Erfolge mit "Der weiße Hai" (Universal) oder "Star Wars" (20th Century Fox) feiern, produziert Disney weiterhin harmlose Familien-Filme in der Art des VW-Käfers Herbie. 1980 wirkt Disney altmodisch, nicht nur nach außen. Auch die Mitarbeiter sind teilweise seit Jahrzehnten dabei und haben kein Gespür für die Interessen der jungen Kino-Generation.

Ein Film wie TRON kommt genau richtig. Innovativ und ein potenzieller Schlager wie "Star Wars" (das Lucas übrigens Jahre zuvor erfolglos Disney anbietet). Disney sieht auch das Potenzial der Vermarktung von Videospielen, in Wohnzimmern, in Spielhallen und in den eigenen Themenparks.

Man wird sich einig; dennoch will Disney schauen, ob Lisberger in der Lage ist, bei einem Spielfilm Regie zu führen, und ob die Trick-Technik wie versprochen funktioniert. Man setzt Test-Aufnahmen um, die vielversprechend sind. Der erste aufgenommene Schauspieler ist der Frisbee-Meister Sam Schatz, der auch die anderen Schauspieler im Umgang mit der Wurfscheibe trainiert.

Die Arbeiten am Drehbuch verlaufen indes zäh. MacBird und Lisberger haben unterschiedliche Vorstellungen von dem Film. Das Grobe ist gesetzt: ein böses Master Control Program in der Art von HAL aus "2001" und tödliche Gladiatoren-Spiele im Innern des Computers. Doch über den Weg wird man sich nicht einig. MacBird stellt sich eher eine Komödie vor und denkt beim Erschaffen der Figur Flynn an Robin Williams. Nach zahlreichen Entwürfen kauft Disney eine Version ihres Drehbuches, das noch vielfach überarbeitet wird. Bei der weiteren Entstehung des Films ist sie nicht mehr dabei.