Vom Flop zum Kultfilm: 40 Jahre TRON

Seite 5: Die Oscar-Verleihung

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Im Dezember 1982 erscheint TRON als VHS-Kassette. Die Oscar-Verleihung könnte der Zweitverwertung Auftrieb geben. Doch der Film geht leer aus. Er erhält nur zwei Nominierungen für die beste Tonmischung und das beste Kostüm. Das Team ist entsetzt. Beim Ton verliert man gegen "E.T.", einen Film, den alle lieben. Eine Entscheidung des Herzens, nicht des Kopfes, redet man sich ein. Und bei den Kostümen verliert man gegen "Gandhi". Rosanna Norton, welche die Anzüge nach den Zeichnungen von Moebius schneidert, ist außer sich: In "Gandhi" tragen die Darsteller das, was jeder in Indien trägt. In TRON sieht man nicht, was jeder trägt.

Es wird gern erzählt, dass die Academy TRON für den Spezialeffekte-Oscar ausschließt, weil man den Einsatz von Computern als Mogelei empfindet. Es gibt nichts Offizielles, nur eine naheliegende Vermutung.

Grundsätzlich ist die Academy kein Freund von Spezialeffekten. In fast 100 Jahren Oscar-Verleihung hat noch nie ein Effekte-Spektakel den Preis für den besten Film gewonnen. Vielleicht würde man "Titanic" und den dritten Teil von "Der Herr der Ringe" entgegenhalten; doch beide Filme gewinnen nicht (nur) wegen ihrer Computertricks. Ein wichtiger Grund ist, dass die mit Abstand meisten Stimmberechtigten zur Gruppe der Schauspieler gehören. Und die finden Schauspiel wichtig. Und dass sie nicht irgendwann durch Computer ersetzt werden.

Während die Gewinner jeder Kategorie von der ganzen Academy gewählt werden, erstellen Fachjurys die Nominierungen. Als TRON in einem Kino-Saal als Anwärter für eine Nominierung der Effekte-Jury vorgestellt wird, ist die Atmosphäre frostig. Richard Taylor kann die Situation nicht verstehen, bis Richard Edlund, der für seinen Film "Polstergeist" ebenfalls auf der Bühne steht, eine Erklärung findet: Die Jury würde denken, die Tricks seien gemogelt; der Computer hätte alles allein gemacht.

Freilich muss man sagen: Die Mitbewerber sind 1982 so stark wie in keinem anderen Jahr; und es dürfen nur drei Titel nominiert werden. TRON muss in Sachen Tricks antreten gegen "Blade Runner" und "Poltergeist" (die Nominierungen erhalten) sowie "E.T." (der gewinnt), gegen "Star Trek 2", "Firefox" und sogar gegen einen deutschen Film: "Das Boot" wird gleich für sechs Oscars nominiert (erhält aber keinen).

Nach TRON inszeniert Lisberger nur noch zwei Spielfilme. 1987 erscheint "Hot Pursuit", der auf Deutsch unter den Titeln "Danny ... immer fünf Minuten zu spät!" und "Mr. Alligator – See You Later ..." bekannt ist. Es ist eine der leichten Liebes-Komödien mit dem Teenie-Schwarm John Cusack und passt so gar nicht in das Gesamtwerk Lisbergers.

Das Ende seiner Filmkarriere besiegelt 1989 ein fataler Flop: der krude B-Movie "Slipstream". Er entsteht zusammen mit dem Produzenten Gary Kurtz, der sich nach seinen strahlenden Erfolgen mit "American Graffiti" und den ersten beiden "Star Wars"-Teilen mit George Lucas überwirft. Er macht sich als Produzent selbstständig, mit Filmen wie "Der dunkle Kristall". Doch bei "Slipstream" läuft alles schief; trotz Mark Hamill als Star schafft es der Film nicht mal in die Kinos.

TRON überzeugt nicht an der Kino-Kasse. Doch die Verkäufe im Heim-Video florieren. Und das schon seit 40 Jahren. Es gibt zahllose VHS-Auflagen, Laserdisc, ab 2002 DVD und ab 2011 Blu-ray. Und Spielzeug wie Action-Figuren und den Lichtrenner als gelbes Plastik-Motorrad von Tomy.

Auch die Computerspiele laufen nicht schlecht. Ab 1982 erscheinen sie für Münzautomaten, das Atari 2600, das Mattel Intellivision und für dessen glücklosen Computer-Bruder, den Aquarius, sowie den Commodore PET.

Man denkt immer mal über eine Fortsetzung nach. Die erscheint 2003 zunächst als Computerspiel: "Tron 2.0", entwickelt von Monolith Productions. Es bekommt gute Kritiken und wird von den Spielern gemocht. Vielleicht ist das ein Anstoß, sich an weiteren Film zu wagen. "Tron: Legacy" erscheint 2010. Für den Regisseur Joseph Kosinski ist es der erste Spielfilm; er kommt wie Lisberger aus der Werbebranche und inszeniert Spots auch für Spiele wie "Halo 3". Ein Konzept-Teaser sorgt für Euphorie – und für die stolze Investition von 170 Millionen Dollar für den zweiten Teil (die am Ende nicht für ein vernünftiges Drehbuch reichen). Jeff Bridges und Bruce Boxleitner schlüpfen in ihre alten Rollen. Die Hauptrolle spielt Garrett Hedlund als Filmsohn von Flynn. Der fesche Soundtrack kommt von Daft Punk. Wie der Ur-Film erhält auch der Zweite gemischte Kritiken. Er ist kein Flop, aber auch nicht der erhoffte Erfolg. Rund um den Streifen gibt es ebenfalls eine Spiele-Familie namens "Tron – Evolution". 2012 folgt eine zehnteilige Trickserie "Tron – Der Aufstand", die eine Brücke zwischen Teil 1 und Teil 2 schlägt.

Ein dritter Teil ist im Gespräch, mit Jared Leto in der Hauptrolle und von Regisseur Garth Davis, dessen "Lion – Der lange Weg nach Hause" sechs Oscar-Nominierungen schmücken. Ob wirklich etwas daraus wird, ist unbestimmt; die jüngste konkret klingende Nachricht ist zwei Jahre alt.

(bme)