Vom Flop zum Kultfilm: 40 Jahre TRON

Seite 4: Die Schauspieler

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Im Großen und Ganzen sieht man in dem Film nur sechs Schauspieler. Jeder hat eine Doppelrolle; in der realen und in der elektronischen Welt. Die drei Freunde Flynn, Alan und Lori alias Clu, Tron und Yori. Und den Bösewicht Dillinger alias Sark, der gleichzeitig das Master Control Program spricht. Dann gibt es den erfahrenen Walter Gibbs alias Dumont, der den Pioniergeist von Gründern wie Hewlett und Packard sowie die Altersweisheit von Obi-Wan Kenobi verkörpern soll. Und zuletzt Alans Arbeitskollegen ohne Namen (der um Popcorn bittet), der sich in der Elektronen-Welt als Ram vorstellt.

Wie gewohnt will Disney bei den Gagen sparen; daher werden die meisten Rollen mit eher unbekannten Darstellern besetzt. Jeff Bridges kennt man natürlich. Er wird bereits 10 Jahre zuvor für seine Rolle in dem einflussreichen Jugenddrama "Die letzte Vorstellung" für einen Oscar nominiert und spielt neben Jessica Lange die Hauptrolle in der 1976er-Version von "King Kong". Ihn reizt das Neue an TRON, die Vorstellung, in einen Computer gezogen zu werden. Dass er dort als Teil seines Kostüms einen unbequemen Tanzgürtel tragen muss, über den sich die anderen Schauspieler lustig machen, erfährt er erst später.

Bruce Boxleitner, der Darsteller des titelgebenden Tron, ist zeitlebens eher im Fernsehen als im Kino zu sehen. Auf Western spezialisiert, kann er mit dem Drehbuch überhaupt nichts anfangen. Seine Welt sind Pferde, nicht Videospiele. Doch er lässt sich dazu überreden, das Studio zu besuchen, sieht die Entwürfe. Und er macht mit, weil es ein Film von Disney ist und weil Jeff Bridges mitspielt.

Die einzige Frau zu besetzen, ist ebenfalls nicht einfach. Debbie Harry, die Sängerin von Blondie, wäre gern dabei; aber Testaufnahmen überzeugen nicht. Auch Michelle Pfeiffer ist im Gespräch. Schließlich geht die Rolle der Lori an Cindy Morgan. Sie kommt aus Chicago und beginnt ihre Karriere beim Radio, bis sie nach Los Angeles zieht und eine kleine sexy Rolle in der Komödie "Caddyshack" von "Ghostbusters"-Regisseur Harold Ramis bekommt. Sie geht mit jemandem aus Lisbergers Studio aus, und so wird man auf sie als mögliche Besetzung aufmerksam. Als sie zum ersten Mal in ihr hautenges Kostüm schlüpft, trainiert sie anschlieénd tagelang, um fünf Pfund abzunehmen.

In jener Zeit ist es schick, Bösewichte mit britischen Schauspielern zu versehen – man denke an "Jäger des verlorenen Schatzes", den Weltraum-Bond "Moonraker" oder auch "Krieg der Sterne". Peter O'Toole (der in England aufwächst, aber irisch-schottische Wurzeln hat) ist die erste Wahl für Dillinger; doch er hat nicht wirklich Interesse, in einem Film mitzuspielen, der vor schwarzer Leinwand gedreht wird und bei dem alles Andere erst nachträglich eingefügt wird. Zwei Wochen vor Drehbeginn wird man David Warner habhaft, dem Bösewicht aus "Time Bandits", und Lisberger bucht ihn in seiner Not, ohne mit ihm gesprochen zu haben.

Die fehlenden Sets sorgen für Schwierigkeiten. Jeff Bridges kennt Bluescreens zwar bereits von "King Kong" (und mag sie nicht); andere erinnert die Arbeit an das Theater mit kargen Bühnen. Doch sie verstehen nicht, worauf alles hinausläuft. Bis Lisberger ihnen erklärt, dass der Film in einem Flipper-Automaten spielen würde; ein Gerät, das sie alle kennen. Damit die Schauspieler trotz der fehlenden Sets ein Gefühl für die virtuelle Welt bekommen, lässt Lisberger eine Reihe von Spiel-Automaten aufstellen.

Am 9. Juli 1982 kommt der Film in die amerikanischen Kinos (und nach Deutschland fünf Monate später). Der größte PR-Coup platzt bereits im Vorfeld: Am 5. Juli sollen die beiden großen Nachrichten-Magazine, TIME und Newsweek, TRON als Cover-Bild haben (ohne voneinander zu wissen). Doch Ronald Reagans Außenminister tritt zurück; und hastig ändern beide Blätter ihr Titelthema.

Disney erhofft sich nicht nur Einnahmen aus den Ticket-Verkäufen, sondern auch durch Merchandising. Die Rede ist von stolzen 400 Millionen US-Dollar. TRON ist ein Signal für die Erneuerung Disneys. So lädt man kurz vor dem Kino-Start neben Journalisten zum ersten Mal auch Börsen-Analysten zu Test-Vorführungen in New York und Los Angeles ein. Ein schlimmer Fehler: Unter den Zuschauern ist der Analyst Theodore James Jr., der den Film schrecklich findet. Seine vernichtende Kritik und die Empfehlung, Disney-Aktien abzustoßen, werden vielfach abgedruckt und führen zu einem Kursverlust.

Der Film spielt 4,7 Millionen Dollar am so wichtigen ersten Wochenende ein. Nicht schlecht für Disney, aber weit entfernt von einem Kassenschlager. "E.T.", der bereits seit Wochen läuft, bringt 13 Millionen Dollar am gleichen Wochenende. Andere Filme, wie "Star Trek – Der Zorn des Khan" oder "Rocky III", starten mit den dreifachen Einnahmen.

Bei Kosten von 20 Millionen Dollar plus einigen Millionen für die Vermarktung spielt TRON nur 33 Millionen in den USA ein. Da die Einnahmen mit den Kinobetreibern geteilt werden, werden nicht einmal die Kosten gedeckt.

Der Misserfolg von TRON und ein noch viel größerer Flop im Folgejahr, die Verfilmung von Ray Bradburys Roman "Das Böse kommt auf leisen Sohlen", verstärken die Orientierungskrise von Disney. Zumal sich Disney bereits drei Jahre zuvor die Finger verbrannt hat mit "Das schwarze Loch", einem Science-Fiction-Streifen im Fahrwasser von "Star Wars", dessen Kosten und Einnahmen mit denen von TRON vergleichbar sind.

In der Firmen-Leitung bricht Streit aus: Ron Miller, der nach der TRON-Pleite den Spitznamen "Tron" Miller bekommt, hält an der Strategie fest, teure Blockbuster nach dem Vorbild von "Der weiße Hai" und "Star Wars" zu produzieren. Aber TRON zeigt, wie riskant es ist. Widerwillig tritt Miller 1984 zurück; ein Bauernopfer, um die Analysten zu beruhigen. Für die Sonnenseiten seines Schaffens kann er sich nicht mehr feiern lassen: den Pay-TV-Sender Disney Channel und das Label Touchstone, das ein erwachseneres Publikum ansprechen soll. Gleich der erste Film "Splash – Eine Jungfrau am Haken" mit einem jungen Tom Hanks ist ein großer Erfolg, dem viele Hits wie "Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone" und vor allem "Pretty Woman" folgen.