Warum Schönheitsfilter ein Massenexperiment an Mädchen und jungen Frauen sind

Der virale Hype um den TikTok-Filter "Bold Glamour" zeigt mal wieder: Gesichtsfilter in den sozialen Medien spielen eine zentrale Rolle. Das hat Folgen.

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(Bild: Montage: Shutterstock/Cookie Studio; Shutterstock/New Africa; Technology Review)

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Tate Ryan-Mosley
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Makellose Haut, große Augen, schmale Nase, volle Lippen, betonte Wangenknochen – das ist oftmals das Grundrezept der Filter, so auch bei dem aktuell viel diskutierten TikTok-Filter "Bold Glamour". Er scheint die gefakte Schönheit in der Augmented Reality (AR) auf die Spitze getrieben zu haben. Die Algorithmen erstellen ein aalglattes Abbild, das auch auf abrupte Kopfbewegungen und Bewegungen im Gesicht reagiert.

Veronica begann mit 14, ihre Selfies auf sozialen Medien mit Filtern zu bearbeiten. Jeder auf ihrer Schule hatte Spaß daran, damit herumzuspielen, erinnert sie sich: "Es war eine Art Witz. Es ging den Leuten nicht darum, gut auszusehen."

"Uns schon", sagt ihre jüngere Schwester Sophia, die damals in der fünften Klasse war. "Zwölfjährige Mädchen, die Zugang zu etwas haben, das sie nicht wie zwölf aussehen lässt? Das ist das Coolste überhaupt. Man fühlt sich so hübsch."

Als Augmented-Reality-Gesichtsfilter zum ersten Mal auf den sozialen Plattformen auftauchten, waren sie ein Gimmick, eine Art virtuelles Verkleidungsspiel, um wie ein Tier auszusehen oder sich plötzlich einen Schnurrbart wachsen zu lassen. Heute jedoch wollen vor allem Mädchen im Teenageralter mit solchen Filtern ihr Aussehen verschönern, indem sie Gesicht und Körperteile schärfen, verschlanken oder neu einfärben. Veronica und Sophia nutzen beide begeistert Snapchat, Instagram und TikTok, wo auch Millionen anderer Menschen solche Filter nutzen. Sie erlauben ihnen, sich durch verschiedene Identitäten zu wischen.


Dieser Artikel erschien online erstmals am 5. August 2021. Anlässlich der Diskussion um den aktuellen TikTok-Filter "Bold Glamour" veröffentlichen wir den Online-Text an dieser Stelle erneut.


Veronica, jetzt 19, scrollt zurück zu alten Bildern auf ihrem iPhone. "Oh ja ... Hier habe ich definitiv versucht, gut auszusehen", sagt sie und zeigt mir eine Glamour-Version ihrer selbst – verführerisch, mit weit aufgerissenen Auen, leicht geöffneten Lippen und gebräunter Haut, die aussieht, wie mit dem Airbrush bearbeitet. "Das bin ich mit 14", sagt sie. Das Bild scheint sie zu verstören. Trotzdem, erzählt Veronica, benutze sie fast jeden Tag Filter. "Wenn ich kein Make-up trage oder glaube, gerade nicht unbedingt am besten auszusehen, dann kann der Beauty-Filter bestimmte Dinge korrigieren."

Solche Gesichtsfilter sind die wohl am weitesten verbreitete Anwendung von AR. Forscher verstehen ihre Auswirkungen noch nicht, aber sie glauben zu wissen, dass es echte Risiken gibt – und dass es vor allem junge Mädchen sind, die diesem Risiko ausgesetzt sind. Sie sind Versuchspersonen in einem Experiment, das zeigen soll, wie Technologie unsere Identität, unsere Selbstdarstellung und unsere Beziehungen beeinflusst. Und das alles ohne Aufsicht.

TR 5/2021

Bei Schönheitsfiltern erkennt die Software ein Gesicht und überlagert es mit einer unsichtbaren Schablone, die aus Dutzenden Punkten besteht und eine Art topografisches Netz bildet. Darauf kann ein ganzes Universum an fantastischen Grafiken gelegt werden – von einer anderen Augenfarbe bis hin zu aufgesetzten Teufelshörnern, je nachdem, welche Regeln die Schöpfer des Filters dafür festgelegt haben. Dank neuronaler Netze funktioniert das sogar in Echtzeit auf Videos. Jeremy Bailenson, Gründungsdirektor des Virtual Human Interaction Lab der Stanford University und Koryphäe in der Virtual-Reality-Forschung, hält das für eine Meisterleistung: "Es ist schwer, das technisch so hinzubekommen."

Diese Videofilter haben ihre Wurzeln in der japanischen Selfie- und "Kawaii"-Kultur, die von (typischerweise mädchenhafter) Niedlichkeit besessen ist. Mitte der 1990er wurden Selfies in Japan zum Massenphänomen, als sich Fotokabinen, in denen die Kunden ihre Selbstporträts verzieren konnten, zu einem festen Bestandteil von Spielhallen wurden. Der Aufstieg von MySpace und Facebook in den frühen 2000ern verbreitete Selfies dann weltweit. Mit Snapchat begann 2011 die nächste Stufe: Die App machte Selfies zum idealen Medium, um die eigenen Reaktionen, Gefühle und Stimmungen visuell zu kommunizieren. 2015 übernahm Snapchat das ukrainische Unternehmen "Looksery" und veröffentlichte dessen "Lenses"-Funktion – sehr zur Freude von Veronicas Schul-Clique.

Facetune-Filter: Die kleinen Bilder zeigen das Originalfoto. Nach der Filterbehandlung sehen normale Teenager...

(Bild: Facetune)

Snapchat spricht von "200 Millionen täglich aktiver Nutzer" von Lenses (Stand: 2021). Mehr als 90 Prozent der Jugendlichen in den USA, Frankreich und Großbritannien würden die AR-Produkte des Unternehmens nutzen. Und Facebook (heute: Meta) und Instagram melden, dass über 600 Millionen Menschen mindestens einen ihrer AR-Effekte verwendet haben. Fast ein Fünftel der Facebook-Mitarbeiter – etwa 10.000 Personen – arbeitet laut Bloomberg an AR- oder VR-Produkten. Die meisten Filter selbst werden allerdings von Drittanbietern über eine geöffnete Schnittstelle erstellt. Schon im ersten Jahr haben mehr als 400.000 Entwickler insgesamt über 1,2 Millionen Effekte auf Facebook-Produkten veröffentlicht. Bis September 2020 hatten mehr als 150 Ersteller-Accounts jeweils den Meilenstein von einer Milliarde Views überschritten.

Für die Visagistin und Fotografin Caroline Rocha boten insbesondere Instagram-Filter in einem entscheidenden Moment ihres Lebens einen Rettungsanker. 2018 befand sie sich an einem persönlichen Tiefpunkt: Jemand, der ihr sehr am Herzen lag, war gestorben und dann erlitt sie noch einen Schlaganfall, der zur vorübergehenden Lähmung eines Beins und zur dauerhaften Lähmung einer Hand führte. Die Dinge wurden so unerträglich, dass sie einen Selbstmordversuch unternahm.

... aus wie Models auf dem Cover einer Fernsehzeitschrift – glatte Haut, strahlend weiße Zähne, perfekte Ausleuchtung.

(Bild: Facetune)

"Ich wollte einfach nur raus aus meiner Realität", sagt sie. "Meine Realität war dunkel. Sie war tief. Ich verbrachte meine Tage zwischen vier Wänden." Die Filter fühlten sich wie ein Ausbruch an. Sie gaben ihr die Möglichkeit, "zu reisen, zu experimentieren, Make-up zu testen oder Schmuck anzuprobieren", sagt sie. "Das öffnete ein großes Fenster für mich."

Rocha hat Kunstgeschichte studiert und Instagram-Filter fühlten sich wie eine zutiefst menschliche und künstlerische Welt voller Möglichkeiten an. Sie freundete sich mit AR-Schöpfern an, deren Ästhetik sie ansprach. Sie besprach verschiedene Filter für eine wachsende Zahl von Followern und wurde dadurch zu einer "Filter-Influencerin", obwohl sie diesen Begriff hasst.

Schließlich begann sie, selbst Filter zu erstellen. Sie knüpfte Kontakte zu Künstlern wie Marc Wakefield, der sich auf düstere, fantastische Effekte spezialisiert hat. (Einer seiner Hits ist "Hole in the Head", bei dem ein Loch das Gesicht durchdringt.) Die Community war "so nah und so hilfreich – wunderschön", sagt sie. Als sie mit der Erstellung eigener AR-Effekte begann, hatte sie keinerlei technische Kenntnisse und verbrachte Stunden damit, Anleitungen zu studieren und sich von anderen helfen zu lassen. Ihr erster Filter, der sich viral verbreitete, hieß "Alive". Er überlagert ein Gesicht mit einer Herzschlagkurve, die sich als herzförmige Linie um die Augen legt. Rocha sagt, Alive sei eine Hommage an ihre eigene Geschichte mit psychischen Erkrankungen.

Aber mittlerweile hat Rocha ihre Ansicht über Filter geändert. Künstlerische oder lustige Filter werden längst von Schönheitsfiltern in den Schatten gestellt. Rocha sieht viele Frauen auf sozialen Medien nonstop Filter benutzen. "Sie weigern sich, ohne Filter gesehen zu werden, weil sie in ihrem Inneren glauben, so auszusehen", sagt sie. "Das kam mir ein bisschen krank vor."

Dieser Filter von Caroline Rocha alias @frenchsinger heißt „Alive“ und überlagert ein Gesicht mit einer Herzschlagkurve, die sich als herzförmige Linie um die Augen legt.

(Bild: @frenchsinger)

Sie selbst habe immer "gegen diese Art von Falschheit angekämpft", so Rocha. "Ich sagte mir: ,Okay, ich muss meine Nase dünner machen und mir größere Lippen verpassen, weil ich mich hässlich fühle.‘ Und dann dachte ich mir: ,Boah, nein, so bin ich nicht. Ich will mich schön fühlen, ohne diese Dinge zu verändern.‘"

Sie war zunehmend enttäuscht von der schönheitsbesessenen Filterkultur. "Sie hat sich verändert, weil, meiner Meinung nach, die neue Generation der Schöpfer nur Geld und Ruhm und Follower will. Es herrscht eine schlechte Stimmung in der Community und ich finde das traurig, denn wir machen Kunst und es geht um unsere Gefühle." Veronica, der Teenager, sieht die gleichen Muster: "Wenn jemand sich komplett durch Filter darstellt und nur noch gefilterte Fotos postet, die alle Schönheitsstandards erfüllen und damit Follower und Geld bekommt – ich weiß nicht, ob das genial oder schrecklich ist."

Claire Pescott erforscht an der University of South Wales das Verhalten von Kindern in den sozialen Medien. In Fokusgruppen hat sie einen Geschlechterunterschied beobachtet, wenn es um Filter geht: "Alle Jungs sagten: ,Die sind wirklich lustig. Ich mag es, diese lustigen Ohren aufzusetzen, sie mit meinen Freunden zu teilen und Spaß zu haben." Junge Mädchen hingegen sehen AR-Filter vor allem als Werkzeug zur Verschönerung: "Sie sagten alle Dinge wie: ,Ich nehme diesen Filter, weil er meine Narben und Flecken wegmacht.‘ Und das waren Kinder im Alter von 10 bis 11 Jahren."

"Es geht nicht nur darum, dein aktuelles Bild zu filtern", glaubt Pescott. "Es geht darum, dein ganzes Leben zu filtern."

Und dieser Wandel hat gerade erst begonnen. Die AR-Filter sind nur ein Teil einer schnell wachsenden Suite automatisierter digitaler Schönheitstechnologien. Die App "Facetune" zur einfachen Video- und Fotobearbeitung etwa wurde bereits über 60 Millionen Mal heruntergeladen. Ein neues Phänomen sind voreingestellte Filter für Adobe Lightroom, die vor allem von etablierten Influencern verkauft werden. Sogar Zoom kann für Videogespräche die Haut glätten. Viele haben diese Funktion als Retter während der Pandemie angepriesen.

Filtergalerie von Caroline Rocha alias @frenchsinger.

(Bild: @frenchsinger)

Während unseres Gesprächs bat ich Veronica zu definieren, wie ein "Instagram-Gesicht" aussieht. Sie antwortete schnell und selbstsicher: "Kleine Nase, große Augen, reine Haut, große Lippen." Diese Ästhetik geht weiter über Retuschen wie bei Zoom hinaus – sie ändert Form und Größe bestimmter Gesichtszüge.

Sophia und Veronica bevorzugen solche Verzerrungsfilter. Einer von Sophias Favoriten lässt sie wie die Sängerin und Influencerin Madison Beer aussehen. "Sie hat diese riesigen Wimpern, die meine Augen wunderschön aussehen lassen. Meine Lippen sind dreimal so groß und meine Nase ist winzig", sagt sie. Aber ihr ist auch klar: "Niemand sieht so aus – es sei denn du bist Madison Beer oder jemand, der eine wirklich, wirklich gute Nasen-OP hatte." Veronicas Lieblingsfilter ist hingegen ein Verzerrungsfilter namens "Naomi Beauty" auf Snapchat. Alle ihre Freunde benutzen ihn, sagt sie: "Er reinigt deine Haut und macht deine Augen riesig."

Es gibt Tausende solcher Verzerrungsfilter auf den großen sozialen Plattformen. Sie haben Namen wie "La Belle", "Natural Beauty“, "Boss Babe" oder "Big Mouth". Die wenigen Vorschriften und Einschränkungen für die Nutzung von Filtern werden von den Unternehmen selbst überwacht. Instagram hat diese sogenannten Deformationseffekte ursprünglich von Oktober 2019 bis August 2020 offiziell verboten, weil es Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die psychische Gesundheit gab. Die Richtlinie wurde inzwischen allerdings aktualisiert. Nun werden nur noch Filter verboten, die, so der Konzern, "plastische Chirurgie fördern". Die Richtlinie besagt, dass "Inhalte gemäß den Facebook-Gemeinschaftsstandards nicht für die Verwendung eines potenziell gefährlichen kosmetischen Verfahrens werben oder die Auswirkungen eines solchen Verfahrens darstellen dürfen." Dies schließe Effekte ein, die solche Verfahren simulieren, in dem sie Markierungslinien von Schönheits-OPs darstellen. Im April 2021 hatte Facebook dazu gegenüber MIT Technology Review erklärt, man setze die Richtlinie durch eine Kombination aus automatisierten Systemen und menschlichen Bearbeitern durch. Sie sollen Effekte überprüfen, sobald sie zur Veröffentlichung eingereicht werden. Allerdings wissen viele Filter-Entwickler selbst nicht, was denn ein Filter sein soll, der "Schönheitsoperationen fördert" – und Meta agiert offenbar uneinheitlich. Das Unternehmen sagt, es berate sich regelmäßig mit Expertengruppen wie der National Eating Disorders Association und der JED Foundation, einer gemeinnützigen Organisation für psychische Gesundheit.

Facebook und Snapchat markieren gefilterte Fotos zudem. Aber dies lässt sich leicht umgehen, indem man die Bearbeitungen einfach außerhalb der Apps vornimmt oder ein gefiltertes Foto herunterlädt und erneut hochlädt. Pescott glaubt nicht, dass solche Markierungen den ungesunden Schönheitskult bremsen können. Stattdessen sollten Kinder ihrer Meinung nach vielfältigeren und authentischeren Bildern ausgesetzt werden.

Rocha indes beschloss, Stellung zu beziehen. Sie begann, Fälle von Body Shaming in ihren Posts zu verurteilen und hörte auf, selbst Verzerrungsfilter zu nutzen – außer eindeutig humorvolle. Sie wolle nicht für die schädlichen Auswirkungen einiger Filter verantwortlich sein. Einige Frauen, so sagt sie, hätten schon in Erwägung gezogen, sich Schönheits-OPs zu unterziehen, um genauso auszusehen wie ihr gefiltertes Selbst.

Krista Crotty ist eine klinische Bildungsspezialistin am Emily Program, einem führenden Zentrum für Essstörungen in St. Paul, Minnesota. In den letzten fünf Jahren konzentrierte sich ein Großteil ihrer Arbeit darauf, Patienten über einen gesünderen Medienkonsum aufzuklären. Sie hat eine Zunahme der Ängste beobachtet, wenn Patienten sich online und offline unterschiedlich präsentieren. "Die Leute stellen Informationen über sich selbst ein – sei es Größe, Figur oder Gewicht –, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen." Für junge Menschen, die noch dabei sind, herauszufinden, wer sie sind, kann dieses Pendeln zwischen einem digitalen und einem authentischen Selbst besonders kompliziert sein. Und es ist unklar, was die langfristigen Folgen sein werden.

Künstlerisch gestaltete Fotofilter können verstörend sein – so wie hier beim Filter „Hole in the Head“ von Marc Wakefield.

(Bild: Marc Wakefield)

"Die Online-Identität ist fast wie ein Artefakt – eine Art projiziertes Bild von einem selbst", sagt Claire Pescott. Aus ihren Beobachtungen folgert sie, dass Filter auch einen positiven Einfluss auf Kinder haben können: "Sie können sozusagen verschiedene Personas ausprobieren. Sie können spontan Identitäten annehmen und ändern und sie können sich mit ihren verschiedenen Gruppen weiterentwickeln."

Aber sie bezweifelt, dass alle jungen Menschen verstehen, wie Filter ihr Selbstverständnis beeinflussen. Und sie ist besorgt über die Art und Weise, wie Social-Media-Plattformen sofortiges Feedback in Form von Likes und Kommentaren liefern. Junge Mädchen, sagt sie, haben besondere Schwierigkeiten, gefilterte von normalen Fotos zu unterscheiden. Pescotts Untersuchungen ergaben auch, dass Kinder zwar häufig über die physischen Gefahren von Social Media aufgeklärt werden, aber nur "sehr wenig" über deren "emotionale, nuanciertere Seite, die meiner Meinung nach gefährlicher ist".

Stanford-Forscher Bailenson glaubt, dass wir einiges darüber aus der etablierten VR-Forschung lernen können. So färben die physischen Eigenschaften eines Avatars zum Beispiel auf das Verhalten von Menschen ab, wie Bailenson herausfand – Menschen mit größeren Avataren verhielten sich selbstbewusster ("Proteus-Effekt"). Auf diese Weise können sich auch Klischees verbreiten: Eine aktuelle Studie zeigte, dass sich Spieler mit Avataren des anderen Geschlechts tatsächlich geschlechtsstereotyp verhielten. Bailenson erwartet ein ähnliches Verhalten in den sozialen Medien.

Trotz der Macht und Verbreitung von Filtern gibt es nur sehr wenige Untersuchungen über ihre Auswirkungen. "Das ist wirklich ein Problem, weil die Filter gegen alles stehen, was uns immer beigebracht wird, nämlich: ,Sei du selbst‘", sagt Bailenson, selbst Vater von zwei jungen Mädchen, die AR-Filter nutzen. Er sieht einen Unterschied zwischen einer spielerischen Nutzung und einer ständigen Augmentierung unserer selbst in Echtzeit – und es sei wichtig zu verstehen, was diese unterschiedlichen Kontexte für Kinder bedeuten.

Es gibt noch eine weitere Sorge – vor allem, da die meisten Nutzer sehr jung sind: Die Menge an biometrischen Daten, die TikTok, Snapchat und Facebook durch diese Filter sammeln. Obwohl Facebook und Snapchat sagen, dass sie Filter nicht zum Sammeln personenbezogener Daten nutzen, zeigt ein Blick in ihre Datenschutzrichtlinien: Sie räumen sich sehr wohl das Recht dazu ein, die Daten zu speichern. Hier sollte man daran erinnern, dass Facebooks intelligente Foto-Tagging-Funktion – die versucht, Personen auf Ihren Bildern zu identifizieren – eine der ersten großen kommerziellen Anwendungen der Gesichtserkennung war.

Insbesondere Facebook sieht Gesichtserkennung und das Gesicht selbst als Teil seiner AR-Strategie. Die Veröffentlichung einer eigenen AR-Brille ist für 2027 geplant und das Unternehmen hat Gesichtserkennung bereits als möglichen Teil des Produkts angedeutet.

Angesichts all des Aufwands, sich in dieser komplexen Welt zurechtzufinden, wünschen sich Sophia und Veronica einfach, besser über Schönheitsfilter aufgeklärt zu werden. Außer ihren Eltern hat ihnen nie jemand dabei geholfen. "Man sollte keinen College-Abschluss haben müssen, um herauszufinden, was ungesund für einen sein könnte", sagt Veronica.

(jle)