Wie Wasserstoff aus Baumschnitt und Obstschalen gewonnen werden soll

In Kalifornien soll nachhaltiger Treibstoff produziert werden – bei gleichzeitiger Absenkung des CO₂-Niveaus.

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Obstplantagen sollen das notwendige Material liefern.

(Bild: Mote)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • James Temple
Inhaltsverzeichnis

Das Start-up-Unternehmen Mote plant, im fruchtbaren Central Valley in Kalifornien eine neuartige Kraftstoffanlage zu errichten, die, wenn sie wie erhofft funktioniert, kontinuierlich Kohlendioxid einfangen und aus dem Kreislauf entfernen soll.

Die von Mote aus Los Angeles entwickelte Anlage würde die Mengen an landwirtschaftlichen Abfällen nutzen, die in den ausgedehnten Mandelplantagen und anderen landwirtschaftlichen Betrieben des US-Bundesstaates anfallen. Reste wie Baumschnitt und Obstschalen würden auf Temperaturen von über 800 Grad Celsius erhitzt, heiß genug, um die Biomasse in Wasserstoff und Kohlendioxid umzuwandeln.

Mote plant, das Kohlendioxid abzutrennen und es tief in den Untergrund zu pumpen, etwa in salzhaltige Grundwasserleiter oder in stillgelegte Ölquellen nahe der Anlage. Den Wasserstoff will das Unternehmen verkaufen, um die wachsende Flotte emissionsfreier Busse und Lastwagen in den USA zu versorgen.

Normalerweise würde das Kohlendioxid, das sich während der Verbrennung von Pflanzenmaterial durch Verbindung von Kohlenstoff mit Sauerstoff bildet, in die Atmosphäre gelangen. Durch das von Mote geplante Verfahren soll aber der von den Pflanzen während ihres Wachstums gebundene Kohlenstoff dauerhaft gespeichert und damit aus dem Kreislauf entnommen werden. Der Wasserstoffverkauf würde, so das Konzept, die hohen Kosten des Prozesses abdecken.

Nach Angaben von Mote wäre seine Anlage die erste, die Biomasse in Wasserstoff umwandelt und dabei die Kohlenstoff-Emission auffängt. Sie ist jedoch nur eine von vielen sogenannten BECCS-Konzepten (bioenergy with carbon capture and storage – Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -lagerung), das sich um Kommerzialisierung bemüht. BECCS wurde bereits vor zwei Jahrzehnten erstmals als Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels vorgeschlagen.

Unter BECCS versteht man eine nicht genau definierte Technologie. Sie könnte etwa Anlagen umfassen, die mit Holzschnitzeln, Rutenhirse oder Hausmüll betrieben werden und Strom, Ethanol oder so genannte synthetische Kraftstoffe erzeugen, um damit heutige Autos, Lastwagen und Flugzeuge anzutreiben.

Das Konzept gewinnt in Forschung und politischen Diskussionen zunehmend an Beachtung. Immer mehr Klimamodelle kommen zu dem Schluss, dass eine gefährliche Erderwärmung nur verhindert werden kann, indem die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre stark reduziert wird. Es gibt jedoch ernsthafte Probleme, dies einerseits erschwinglich und andererseits in ausreichendem Maß, energieeffizient und zuverlässig zu tun.

Das von Mote geplante Verfahren, die so genannte Biomassevergasung, sei technisch schwierig und teuer, sagt Dan Sanchez, Leiter des Carbon Removal Lab an der University of California, Berkeley. Es erfordere eine sorgfältige Vorbehandlung der Abfälle und Reinigung der entstehenden Gase. Außerdem sei es kompliziert und kostspielig, die Brennstoffe von verstreut liegenden Farmen oder aus Wäldern einzusammeln.

Was außerdem gegen eine längerfristige Perspektive des Unternehmens sprechen könnte: eine fehlende Infrastruktur für Transport und Speicherung der entstehenden Gase sowie eine zu geringe Nachfrage nach dem teuren Wasserstoff.

Trotzdem könnte die Anlage von Mote ein besonders effektiver BECCS-Ansatz sein. Denn der entstehende Brennstoff wäre in der Bilanz kohlenstofffrei, während andere Anlagen Brennstoffe produzieren, die am Ende doch wieder einen gewissen Anteil Kohlendioxid freisetzen.

Laut Mac Kennedy, dem Geschäftsführer des Unternehmens, könnte die Anlage schon nach wenigen Jahren rentabel arbeiten. Denn zum einen wird die Herstellung kohlenstoffarmer Brennstoffe staatlich subventioniert, und zum zweiten gibt es für Kohlenstoffspeicherung Steuervergünstigungen. Mac Kennedy hofft, weitere Anlagen in ganz Kalifornien und darüber hinaus zu errichten. Er will eventuell auch zusätzliche Brennstoffquellen nutzen – zum Beispiel Bäume, die Wäldern nach Waldbränden oder um Brandschneisen zu schaffen entnommen werden.

Die erste Anlage von Mote, die bereits 2024 in Betrieb gehen könnte, soll 150.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr entfernen und 7.000 Tonnen Wasserstoff produzieren. Wie viel Biomasse dafür nötig ist, bleibt unklar.

Mote führt derzeit Partnerschafts-Gespräche mit CarbonCure Technologies, einem Unternehmen, das Beton mit abgeschiedenem CO₂ anreichert. Eine wichtige Vereinbarung, die über den endgültigen Standort der Anlage entscheidet, ist jedoch bislang noch nicht unter Dach und Fach: die mit einem Eigner eines Grundstücks, wo sich das Treibhausgas unterirdisch einleiten und speichern ließe.

Kern County in Kalifornien könnte als Testgebiet für ein solches Projekt taugen, da es sowohl in der Nähe von Farmen als auch von Öl- und Gasquellen liegt. Darüber hinaus verfügt der US-Bundesstaat über zahlreiche klima- und umweltpolitische Maßnahmen, die das Vorhaben unterstützen könnten wie Subventionen für kohlenstoffarme Kraftstoffe, Finanzierung der Wasserstoffinfrastruktur und vergleichsweise strenge Vorschriften für die Verbrennung landwirtschaftlicher Abfälle.

Kaliforniens "Low Carbon Fuel Standard"-Programm zielt darauf ab, kohlenstoffarme Kraftstoffe zu fördern und so nach und nach den Kohlendioxidausstoß zu begrenzen. Es bietet Unternehmen, die sauberere Kraftstoffe verkaufen, finanzielle Vergünstigungen. Und es schafft zudem einen Markt für diese Kraftstoffe. Denn die Kraftstoffhersteller und -importeure müssen die staatlichen Zielvorgaben erfüllen, indem sie entweder selbst kohlenstoffarme Kraftstoffe herstellen oder kaufen oder indem sie Emissionszertifikate erwerben. Ein Zertifikat für eine Tonne Kohlendioxid-Ausstoß wurde zuletzt für rund 175 Dollar (155 Euro) gehandelt.

Mote könnte auch von einer Steuervergünstigung profitieren, die 50 Dollar (knapp 45 Euro) für jede Tonne Kohlendioxid vorsieht, die in geologische Formationen gespeichert wird.

Das Unternehmen sieht in der Schwerlastverkehrsbranche, die aufgrund der kalifornischen Vorschriften auf kohlenstoffarme Kraftstoffe umsteigen muss, einen ersten Markt für den Wasserstoff. Wasserstoff kann aber auch zur Stromerzeugung oder für die Stahlproduktion und andere industrielle Prozesse verwendet werden.

Die Gründer von Mote argumentieren, dass der besondere Ansatz des Start-ups einige der bekannten Probleme mit BECCS bewusst umgeht oder minimiert.

Durch die Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Abfall- und Nebenprodukten soll eine Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion vermieden werden und kein Druck entstehen, Wälder oder Grasland in landwirtschaftliche Betriebe umzuwandeln. Indem die Biomasse vergast statt wie bei einigen BECCS-Methoden verbrannt wird, soll weniger Luftverschmutzung entstehen als wenn die Landwirte ihre Abfälle selbst verbrennen würden.

Schließlich, so argumentieren sie, sollte der Prozess zu einem erheblichen Netto-Kohlenstoffabbau führen. Mote will nicht nur das abgeschiedene CO₂ unterirdisch verpressen, sondern plant auch, emissionsfreie Fahrzeuge zum Einsammeln der Biomasse einzusetzen.

Auf die Frage, ob es zu kostspielig und kompliziert sei, ständig landwirtschaftliche Abfälle und Bäume einzusammeln, antwortete Kennedy, dies sei eine "sehr verbreitete Ansicht außerhalb des Central Valley". Er betonte jedoch, dass in der Region bereits große Lkw- und Logistikbetriebe täglich große Mengen an Waren transportieren würden – und das äußerst effizient.

Allerdings wird Motes Plan der teuren Wasserstoffanlage im Grunde nicht mit den billigeren, aber weit schmutzigeren Erdgas-Kraftwerken konkurrieren können. In Kalifornien mag die Anlage dank der dortigen Klimapolitik wirtschaftlich funktionieren. Anderswo aber werden sich Motes und andere BECCS-Projekte wohl nur schwer durchsetzen.

Wie sehr sich BECCS-Anlagen wie die von Mote verbreiten und inwieweit sie tatsächlich zur Verringerung der CO₂-Konzentration beitragen, wird wahrscheinlich davon abhängen, welche Art von Politik und Vorschriften erlassen werden und wie sorgfältig die Unternehmen bei der Kohlenstoffbilanzierung sind – oder zu sein gezwungen sind.

(jle)