Wie testet man alle auf das Coronavirus SARS-CoV-2?

Weil offizielle Covid-19-Tests nur begrenzt verfügbar sind, entwickeln Unternehmen und akademische Gen-Experten selbst massentaugliche Nachweisverfahren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 33 Kommentare lesen
Coronavirus - Berlin

Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in eine App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten, die aktuell in Berlin getestet wird.

(Bild: dpa, Kay Nietfeld/dpa)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Antonio Regalado

Die USA haben die Einführung von Corona-Tests ziemlich vergeigt. Diese sind nach wie vor nur begrenzt verfügbar. Deshalb könnten Nachweistests, die jederzeit für alle zugängliche sind, nicht ohne private Entwicklungsinitiativen von Unternehmern und akademischer Spitzengenomzentren möglich sein.

Mehr Infos rund um das Coronavirus

Grundsätzlich lassen sich Tests in dieser Größenordnung auf zweierlei Art durchführen. Beim zentralisierten Testen werden Proben von vielen Personen gesammelt und an einem Ort mit einer ultraschnellen Genomsequenzierungsmaschine verarbeitet. Die Geräte, die normalerweise in kurzer Zeit Milliarden von DNA-Buchstaben in menschlichen oder tierischen Genomen entziffern, können auch die Kosten für Corona-Nachweise drastisch senken. Das hat beispielsweise das Labor von Feng Zhang vom Broad Institute am Massachusetts Institute of Technology (MIT) demonstriert. Anfang April stellte Zhangs Forschungsgruppe auf dem Preprint-Server BioRxiv – also noch ohne Peer Review – einen Ansatz vor, bei dem sie Patientenproben individuelle molekulare Barcodes zur Unterscheidung hinzufügten, die Proben anschließend bündelten und alle gleichzeitig sequenzieren konnten. Theoretisch könnte ein Hochleistungssequenzierer an einem Tag 100.000 Proben gleichzeitig für jeweils sieben Dollar testen.

Auch Sri Kosuri, Gründer und Geschäftsführer des Biotech-Startups Octant, hat Pläne für ein Massentestsystem veröffentlicht. Mit dem "SwabSeq" getauften Verfahren könnte eine Person 10.000 Tests mit Laborzutaten im Wert von etwa 10.000 Dollar durchführen. Aber wie Zhang befürchtet auch er, dass seine Idee nicht umgesetzt wird. Die molekularbiologischen Teams seien nicht in der Position, herauszufinden, woher man 100.000 oder einer Million Wattestäbchen erhält. Noch viel weniger könnten sie die nötige Dateneingabe und das Verschicken so vieler Ergebnisse leisten.

Beim zweiten Weg für massive Testmengen könnte sich jeder dezentral, das heißt, zu Hause bei sich testen. "Wenn es billig genug ist", sagt Zhang, "könnten die Leute zwei Tests pro Tag machen, einen morgens und einen abends. Dann können sie entscheiden, ob sie am nächsten Tag arbeiten gehen." Derzeit gibt es allerdings noch keinerlei Gentests für den Heimgebrauch. Dies liegt daran, dass die meisten Gentestmethoden mehrere Laborschritte und ein PCR-Gerät erfordern, um eine Probe wiederholt schnell zu erhitzen und abzukühlen. Das ist nötig, um das genetische Material ausreichend oft zu kopieren, damit die Menge für Tests reicht. Forscher wie Zhang stehen jedoch nach eigenen Angaben kurz davor, den Heimnachweis für Covid-19 unter Verwendung neuer chemischer Schritte so zu vereinfachen, dass sie ohne die Heiz- und Kühlzyklen auskommen.

Zhangs Labor ist eigentlich für seine Rolle bei der Entwicklung des Gen-Editing-Werkzeugs CRISPR bekannt. Nun hat er es zusammen mit anderen Forschern zu einer neuen Art genetischer Diagnosemethode weiterentwickelt: Wenn ein Gen aus dem Coronavirus vorhanden ist, schneidet das CRISPR-Molekül es heraus und löst eine Art molekularen Alarm aus. Es ist ein ziemlich einfacher Test, der nur eine Stunde dauert.

Bisher umfasst er allerdings immer noch einen Mischschritt und ein einmaliges Erhitzen der Probe auf etwa 65°C, um die Virushülle aufzubrechen und die RNA darin zugänglich zu machen. Sein Labor will den Prozess nun weiter vereinfachen, um die Möglichkeit eines CRISPR-Corona-Heimtests zu demonstrieren. "Das Ziel ist eine einstufige Reaktion: Sie lassen es laufen, öffnen die Teströhre und legen einen Papierstreifen hinein", sagt er. "Darauf haben wir uns im Labor seit einigen Monaten konzentriert.“

Auch der Biotech-Seriengründer und -Entwickler Jonathan Rothberg arbeitet seiner Firma HomoDeus an einem Gentest für zu Hause. Er ist der Schöpfer eines schnellen DNA-Sequenziergeräts und in jüngerer Zeit des günstigen Ultraschallstabs "Butterfly iQ". HomoDeus entwickelt normalerweise Gentherapien mit speziellen Enzymen, sogenannte Rekombinasen, als Gen-Editing-Werkzeugen. Diese Chemikalien boten allerdings auch eine Möglichkeit für die Entwicklung von Heim-Gentests. Die Yale University hat in der ersten April-Woche begonnen, das von HomoDeus entwickelte neue Verfahren an Probenstäbchen von Covid-19-Patienten zu testen. Die chemischen Zutaten stehen größtenteils fest, nur die Durchführung des Tests erfordert immer noch das Bewegen und Mischen von Flüssigkeiten. "Es ist immer noch ein Prozess, den ein 17-Jähriger schaffen würde, ein 70-Jähriger aber nicht", sagt Rothberg.

Es gäbe aber bereits Prototypen des Heimgeräts, das auch diese Schritte automatisieren würde. Es sieht aus wie eine dicke Kreditkarte mit Kammern für die Testflüssigkeiten. Eine zweite Testversion verwendet Kappen, die mit Chemikalien gefüllt sind, und auf ein Testgefäß geschraubt werden. Rothberg hat sein Netzwerk angefunkt, um schnell Prototypen von Leiterplatten und 3D-gedruckten Modellen zu erhalten. Wie schnell wird also der Test fertig sein? Rothberg hat sein Team dazu herausgefordert, im kommenden Monat 10.000 Prototypen-Kits zusammen mit einer zugehörigen Telefon-App bereit zu haben.

(vsz)