Wie uns Meditation und VR bei globalen Krisen helfen

Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir meditieren? Die Ergebnisse der Bewusstseinsforschung zeigen verblüffende Parallelen zu buddhistischen Schriften.

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Technischer Trip: In der Dream Machine liegen die Teilnehmenden mit geschlossenen Augen. Stroboskop-Lichter wechselnder Frequenz erzeugen vor ihrem inneren Auge bunte, geometrische Strukturen., David Levene

Technischer Trip: In der Dreamachine liegen die Teilnehmenden mit geschlossenen Augen. Stroboskop-Lichter wechselnder Frequenz erzeugen vor ihrem inneren Auge bunte, geometrische Strukturen.

(Bild: David Levene)

Lesezeit: 17 Min.
Inhaltsverzeichnis

Marc Wittmann sitzt in seinem Büro und plaudert über seine Forschung. Es ist ein ganz gewöhnliches Büro, wie man es sich bei einem Universitätsprofessor vorstellt. Eine Tafel im Hintergrund enthält Gesprächsnotizen, es gibt viele Bücherregale und noch mehr Papier. Ab und zu trinkt Wittmann einen Schluck Tee, um dann weiterzusprechen. Wittmann erzählt begeistert von Experimenten mit psychedelischen Drogen, die seine Schweizer Kollegen durchführen, seinen Versuchen mit Isolationstanks und von Forschung zur Manipulation des Zeitempfindens in der virtuellen Realität. Und mit einem Mal werden die Sechzigerjahre wieder lebendig.

Mehr über Resilienz

Der Psychologe Timothy Leary predigte damals auf dem Campus der Harvard University den Gebrauch von LSD und anderen psychoaktiven Drogen. Er wurde dann wegen Marihuana-Besitz zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt, konnte mithilfe der militanten Weathermen fliehen, um schließlich ins Exil zu gehen. Oder John C. Lilly: ein Psychologe und Neurobiologe, der fest davon überzeugt war, wir könnten mit Delfinen kommunizieren. Der Isolationstank, in dem man in körperwarmem, hochgesättigtem Salzwasser schwebt, während man optisch und akustisch von der Welt abgeschlossen ist, ist ursprünglich Lillys Erfindung. Allerdings kombinierte er die Sitzungen im "Flotation Tank" gerne noch mit Gaben von LSD – was ihn schließlich in immer fernere Sphären abdriften ließ: Gegen Ende seines Lebens war Lilly überzeugt, die Geschicke des Universums würden von hoch entwickelten außerirdischen Entitäten kontrolliert.

Wittmann geht es allerdings – anders als den Gurus der Hippie-Bewegung – nicht um Selbsterfahrung, Subkultur und Spaß. Es geht um Wissenschaft, um Medizin und darum, neue Wege zu finden, Patienten mit psychiatrischen Auffälligkeiten, Depression und Schizophrenie zu behandeln. Das Potenzial dieser Forschung geht aber weit über medizinische Anwendungen hinaus. Denn die "veränderten Bewusstseinszustände", die Wittmann und andere mittlerweile erforschen, verändern im besten Fall die Wahrnehmung des eigenen Selbst. Und damit, um es mit den Worten des Philosophen und Bewusstseinsforschers Thomas Metzinger zu sagen, könnte eine neue "Bewusstseinskultur" – so auch der Titel seines neuesten Buches – entstehen. Eine Kultur, die sich auf rationaler und wissenschaftlicher Basis mit dem Innenleben des Geistes beschäftigt. Eine Kultur, die uns in Zeiten globaler Krisen befähigt, "weder den eigenen Verstand zu verlieren noch die eigene Würde".