Zeitmaschine fürs Klima

Seite 3: Klimawandel in Brandenburg

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Erste Einblicke zeigen, dass Extremwetter die Lebensgemeinschaft im Stechlinsee über mehrere Wochen vollkommen umkrempeln kann. Vor allem Cyanobakterien und einige Algenarten entwickelten sich sprunghaft im Oberflächenwasser und veränderten erheblich den normalen Stoffkreislauf. Eine Häufung solcher Ereignisse könnte dazu führen, dass sich die Regenerationsfähigkeit des Sees verringert und die eingespielte Lebensgemeinschaft aus dem Gleichgewicht gerät. Was den Ökologen aber am meisten beunruhigt, ist die Vielzahl der Umweltfaktoren, die der Klimawandel verändert.

Besonders problematisch sei das sich kontinuierlich erwärmende Oberflächenwasser. In den vergangenen 50 Jahren stieg seine Durchschnittstemperatur um 1,8 Grad Celsius. Falls sich dieser Trend fortsetzt, würde der Ruderfußkrebs, der seit der Eiszeit hier überdauert hat und auf kaltes, sauerstoffreiches Wasser angewiesen ist, aus dem Stechlinsee verschwinden – und vermutlich auch ein Fisch, den es nur hier gibt: die Fontanemaräne.

Bad Lauchstädt, Sachsen-Anhalt (51° 23' N/13° 2' O)

Aus der Luft wirkt die Versuchsstation wie eine Aneinanderreihung von Stahlgerüsten und geräumigen Foliengewächshäusern. Jedes so hoch, dass ein Traktor darunter fahren kann. Die Global Change Experimental Facility (GCEF) des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung umfasst 50 Parzellen – jede etwas größer als ein Tennisfeld. Die Hälfte ist mit beweglichen Foliendächern und -wänden ausgestattet, die sich über einen zentralen Rechner auf- und zusammenrollen lassen, um damit lokale Klimamanipulationen durchzuführen. Vor gut einem Jahr ging die Anlage in Bad Lauchstädt bei Halle in Betrieb.

Sie ist eine der größten und komplexesten, um die Folgen des Klimawandels auf landwirtschaftliche Flächen zu untersuchen. Fünf Landnutzungstypen analysieren die Forscher: konventionellen Ackerbau mit einer regionaltypischen Kulturfolge von Raps, Weizen und Wintergerste, biologischen Getreideanbau, intensive Nutzung von fünf Futtergräsern sowie extensive Kultivierung von über 50 verschiedenen Wiesenpflanzen durch Mahd und durch Weidewirtschaft mit einer kleinen Schafherde.

"Diese Flächen werden teilweise extremen Klimabedingungen ausgesetzt, wie wir diese gegen Ende des Jahrhunderts erwarten", erklärt der wissenschaftliche Koordinator Martin Schädler. Die Forscher simulieren dabei vor allem zwei Phänomene: eine erhöhte Durchschnittstemperatur sowie veränderte Niederschlagsmuster und Trockenphasen. "Mit den mobilen Dächern und Seitenteilen können wir Niederschläge zu bestimmten Zeiten abfangen, mithilfe einer Beregnungsanlage später aber auch wieder künstlich hinzufügen", erklärt Schädler. Insgesamt 15 Jahre soll das Großprojekt dauern. Die Wissenschaftler erhoffen sich davon Hinweise auf Landnutzungsmethoden, mit denen eine Anpassung an den Klimawandel möglich ist.

Klimaforscher, Landwirte und Politiker warten ungeduldig auf solche Resultate. Denn viele bereits durchgeführte Untersuchungen weisen darauf hin, dass zunehmende Hitze und längere Dürreperioden die landwirtschaftlichen Erträge weltweit deutlich verringern könnten. Laut einer aktuellen Übersichtsstudie im Fachjournal "Nature" geht in überdurchschnittlich heißen und trockenen Jahren in den betroffenen Regionen die Getreideernte im Schnitt um bis zu zehn Prozent zurück. Die Wissenschaftler hatten rund 2800 Extremwetterereignisse der vergangenen fünf Jahrzehnte in allen Teilen der Welt untersucht. In reicheren Ländern mit großflächigen Monokulturen sind die Einbußen sogar stärker als in armen Ländern mit kleinteiligeren, weniger intensiv bewirtschafteten Agrarflächen. Gelingt es nicht, dem entgegenzuwirken, wären das schlechte Aussichten angesichts des stetig steigenden Lebensmittelbedarfs einer wachsenden Weltbevölkerung.

Freising, Bayern (48° 25' N/11° 39' O)

Das Waldlabor Kranzberg, eine der ersten Freiluftversuchsanlagen für Waldökosysteme, ist schon von Weitem zu erkennen: Ein knapp 50 Meter hoher, dunkelgrüner Kran ragt aus einer Waldparzelle in der Nähe von Freising. Vor Ort, zwischen bis zu 70 Jahre alten Buchen und Fichten, ist dieser kaum noch zu sehen. Dafür stechen sechs Plexiglasdächer ins Auge – jeweils 20 Meter lang und vier Meter hoch. Es sieht aus, als wären einige Stämme mitten durch die Dächer von Treibhäusern gewachsen, denen die Seitenwände fehlen. Dazwischen hängen Gestelle mit blauen Plastiksäcken zum Auffangen des herabfallenden Laubs. In das leise Rauschen der Blätter mischt sich das sonore Brummen eines Druckluftgenerators, das Surren von Computern und das Klickern von Datenschreibern.