Zahlen, bitte! Die 10 Gebote für gutes Design

Seite 4: Das Produkt als bescheidener Diener des Nutzers

Inhaltsverzeichnis

Laut Dieter Rams beschrieb Ewin Braun einst die Produkteigenschaften so: "Unsere Elektrogeräte sollten bescheidene Diener sein, von denen man möglichst wenig sieht und hört. Sie sollten im Hintergrund bleiben, wie früher der Butler, den man kaum wahrnahm." Rams selbst beschrieb seine Arbeit: "Ich versuche, Geräte für den täglichen Gebrauch zu entwickeln, die das Auge nicht beleidigen; und ich versuche darauf zu achten, dass sie zu einem annehmbaren Preis hergestellt werden, die sich der Normalverbraucher leisten kann."

Rams war es stets wichtig zu betonen, dass er nicht alleine die Designs entwickelte, sondern im Team. Ein einfaches, intuitives Design erforderte eben viel Entwicklungsarbeit. Schließlich wurde nicht die erstbeste, sondern die bedienerfreundlichste Lösung gesucht. Nicht der Eitelkeit des Designers sollte sich der Kunde unterwerfen, sondern die Form der Funktion. Somit wirken viele von Rams mitentwickelte Produkte einfach, aber nicht primitiv, minimalistisch, aber nicht trist. Und man merkt an vielen Details, dass das Design gut durchdacht und nichts dem Zufall überlassen wurde.

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Zum Beispiel ist Farbe in den Rams-Produkten meist nur ein dienliches Element: Farblich herausstechende Schalter konzentrieren die Aufmerksamkeit auf die Bedienung des Gerätes. Schalter, die die Aufmerksamkeit auf sich richten, sind auch eine Form von selbsterklärendem Design. Später kamen noch farbliche Einteilungen dazu: Grün für An/Aus-Schalter, Bei Radiogeräten "Rot" für UKW, "Gelb" für Phono-Funktionen, genauso wie der gelbe Sekundenzeiger bei Braun-Zeigeruhren. Das Design sollte für sich sprechen und so weit wie möglich die Bedienungsanleitung überflüssig machen. Nebenbei schuf man eine Wiedererkennbarkeit. Ein Corporate Design - in einer Zeit, als der Begriff noch gar nicht geläufig war.

Die Gehäusefarben waren meistens nur weiß, schwarz, hellgrau oder metallic. Ein Braun-Produkt nach Rams sollte den Menschen unauffällig dienen und nicht permanent durch seine Gestaltung auffallen. Zwar gab es einige Produkte, die in knalligen Farben hergestellt wurden – selbst Braun kam in den bunten 60ern und 70ern nicht ganz daran vorbei – aber das geschah eher auf Wunsch des Marketings.

Eine weitere Besonderheit war die Produktgrafik – Rams baute (seit 1961 als Chef des Designbüros) dafür bei Braun eine eigene Siebdruckgrafikabteilung auf, um Grafiken auf Produkten klarer zu gestalten, was ebenfalls die intuitive Bedienung verbesserte.

Möglich war es auch nur, weil die Designabteilung die volle Rückendeckung der Chefs hatte und auch eine offene Betriebskultur ermöglichte. Die Techniker hatten ein gutes Verhältnis zu den Designern und man konnte sich durch kurze Wege gut aufeinander abstimmen.

Wie gut das Verhältnis war, merkte man auch daran, dass es über die Jahrzehnte nur wenig Fluktuation in der Designabteilung gab, und das trotz Inhaberwechsel 1967: Die Brüder Erwin und Arthur Braun veräußerten die Firma an den US-Konzern Gillette, weil Braun zwar in Europa gut aufgestellt war, aber ihnen für weitere, riskante Expansionen auf dem Weltmarkt die Mittel fehlten. Gilette war sehr daran interessiert, die Designabteilung unverändert weiterarbeiten zu lassen, sodass dieser Schritt keine negativen Konsequenzen hatte.

Dieter Rams und sein T3-Radio, sowie der Taschenrechner ET 55 - Darunter: Jonathan Ive und die an Rams Design angelehnten Apple Ipod, sowie der Taschenrechner in einer frühen iOS-Version.

(Bild: CC BY-SA 2.0, Axel Tregoning )

In seiner Zeit bei Braun von 1955 bis 1995 wurden über 1200 Produkte veröffentlicht – Dieter Rams war dabei an 514 Designs direkt beteiligt. Er designte dabei von Alltagsgeräten wie Uhren, Feuerzeugen, Taschenlampen, Blitzgeräten, Mixern, Waagen, Fernsehern, Kofferradios bis zu Hifi-Geräten wie Verstärkern, Plattenspielern, Tonbandgeräten und damit verbunden verschiedene Lautsprechersysteme. Seit Ende der 1950er entwickelte Rams zudem verschiedene Designer-Möbel für die Firma Vitsæ.

Nicht zuletzt wegen seiner 10 Thesen guten Designs war Rams auch nach seiner aktiven Zeit bei Braun stilprägend. Jonathan Ive, von 1997 bis 2012 Chefdesigner der Apple-Produktlinie, ließ sich erkennbar in vielen Details von Rams Designs inspirieren. So wirkt beispielsweise der FS 80-Fernseher wie ein Röhren-Vorläufer der späteren Intel-iMacs. Das Lochrasterdesign der "Käsereibe" genannten Front des PowerMac/Mac Pro ist ebenfalls bei Rams-Produkten bekannt (wie zum Beispiel im T1000-Radio). Vor allem erinnerte die Aufteilung des ersten iPod sehr stark an das T-3 Radio von 1959.

Einige Designer warfen Ive eine etwas zu weit gehende Inspiration bis hin zum Plagiat vor, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich Apple auch schon mal Objekte mit abgerundeten Kanten schützen lässt. Rams selbst sah das aber als Kompliment. Zumal Ive ihm dazu einen freundlichen Brief schrieb und ein iPod schenkte.

Die Firma Braun, die heute vor 100 Jahren ins Handelsregister eingetragen wurde, hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Sparten abgegeben und gehört seit 2005 zu Procter & Gamble. Zwar wird der Name für Kleingeräte lizenziert, die Hauptaktivitäten bestehen auf die Produkte der Körperpflege wie Herrenrasur, Haarpflege und -entfernung konzentriert.

Was von Rams Wirken bleibt: Eine ganzheitliche Firmenphilosophie, unzählige ikonische Designs, die viele Wohnungen prägten ohne aufzufallen und von denen es 23 bis ins New Yorker Museum of Modern Arts schafften, sowie die 10 Design-Thesen, die viele Designer bis heute in ihrem Wirken beeinflussen. Außerdem erhielt er, neben unzähligen Designpreisen, im Jahr 2002 das Bundesverdienstkreuz und 2016 wurde sein Haus unter Denkmalschutz gestellt. Im Musem Angewandte Kunst in Frankfurt werden zur Zeit im Rahmen einer Dieter Rams - Ausstellung mehrere Produkte ausgestellt.

Dieter Rams wäre gerne Architekt geblieben, aber das einzige Gebäude, das es vom Entwurf bis zur Errichtung geschafft hat, war sein L-förmiger Bungalow in Hessen, welchen er bis heute bewohnt.

  • Literaturtipp: Dieter Rams - So wenig Design wie möglich, Sophie Lowell 2013, Herausgeber: Phaidon by Edel, ISBN-13 : 978-3841901903

(mawi)