Zweites Leben für Auto-Akkus als Puffer für das Stromnetz

Werden Autoakkus ausrangiert, können sie noch ein langes Leben als stationäre Stromspeicher führen. Doch damit sich das lohnt, sind einige Hürden zu überwinden.

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(Bild: P5h / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Clemens Gleich

Mit dem Hochfahren der E-Auto-Produktion wächst auch der Gebrauchtmarkt für Akkus. Ausgediente Batterien lassen sich etwa zusammenschalten, um Wind- und Solarstrom zwischenzuspeichern und das Netz zu stabilisieren. Doch wie es mit der Qualität in einem späteren Ausrangier-Massenmarkt aussieht, weiß heute noch niemand.

Das Magazin MIT Technology Review berichtet in seiner aktuellen Ausgabe 2/2022 (im heise shop bestellbar und im Zeitschriftenhandel erhältlich), dass es bei den Autoherstellern gegensätzliche Vorgehen gibt: So bauen die meisten Hersteller ihre Batterien immer modularer auf, damit Werkstätten sie besser reparieren können. Das bedeutet: Mehrere Dutzend Zellen werden zu Modulen zusammengefasst, die sich relativ einfach austauschen lassen, wenn sie defekt oder zu schwach geworden sind. Das verlängert einerseits das erste Leben auf der Straße, verzögert also die Second-Life-Nutzung. Andererseits erleichtert diese Modularität aber auch die Weiterverwendung enorm, weil Aufbereiter sich die besten Module herauspicken können.

Tesla hingegen setzt gar nicht auf Modularität und ein zweites Leben. Stattdessen will es Kapazitäten aufbauen, um seine Rückläufer-Akkus selbst zu recyceln – in der Erwartung, dass dies wirtschaftlicher wird als neu geförderte Rohstoffe. Teslas Prioritäten zeigen sich in den gegenwärtigen Konstruktionen: Die verklebten Rundzellen-Akkupacks machen eine Aufbereitung vergleichsweise aufwendig. Vorteil: So lässt sich die Batterie energiedichter packen.

Doch wie genau lässt sich die Qualität eines gebrauchten Akkus definieren und ermitteln? Detaillierten Aufschluss können die Daten des Batterie-Management-Systems (BMS) geben. Es sorgt nicht nur für ein ordnungsgemäßes Laden und Entladen der einzelnen Zellen, sondern protokolliert auch die Nutzung des Batterielebens. Das erlaubt Rückschlüsse darauf, was eine Batterie schon alles durchgemacht hat und was von ihr noch zu erwarten ist. Allerdings gibt es noch keinen Industriestandard für Schnittstellen zum Auslesen dieser Daten. Bisher backt jeder Autohersteller etwas Eigenes, sodass sich Hersteller und Aufbereiter üblicherweise unter einem Dach finden. Niemand kennt das eigene System so intim wie seine Erbauer.

Das will sich das Projekt FluxLiCon der RWTH Aachen zu Nutze machen. Forschende haben im September 2021 angefangen, einen Speicher mit einer Megawattstunde Kapazität zur Pufferung des Mittelspannungs-Netzes zu konstruieren. Dazu lässt das Team die ausrangierten Autoakkus ganz und verwendet sogar das eingebaute BMS-Steuergerät weiter. So spart es sich die Demontage, erhält die zertifizierte Sicherheit der Akkupacks und kann Packs verschiedener Hersteller zusammenschalten. Der langfristige Plan: Eine vertrauenswürdige Plattform aufbauen, die es ermöglicht, als standardisierte und zertifizierte Schnittstelle Daten zwischen den Autoherstellern und den Betreibern von Second-Life-Batteriespeichern auszutauschen. So können beide voneinander lernen.

Ob die weitere technische Entwicklung die Zweitnutzung eher befördern oder behindern wird, ist offen. So sind Zellen aus Lithium-Eisen-Phosphat (LFP), die in jüngster Zeit auf den Automarkt drängen, zwar sicherer und langlebiger als die üblichen NMC-Akkus (Nickel-Mangan-Cobalt). Für ein zweites Leben würden sich LFP-Zellen deshalb eigentlich besonders gut eignen. Aber da sie so robust sind, verlangen ihnen die Hersteller im Auto auch mehr ab – etwa, indem sie schlechter gekühlt werden. Überdies sind LFP-Zellen sehr empfindlich gegenüber tiefen Temperaturen und Tiefentladungen. Es kann daher passieren, dass ein schroffer Einsatz im ersten Leben die grundsätzlichen LFP-Vorteile überkompensiert.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 2/2022

(Bild: 

Technology Review 2/2022 im heise shop

)

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Aber auch NMC-Zellen haben offenbar noch ein unentdecktes Potenzial: Stanford-Forscher haben gezeigt, dass sich ihre Alterung teilweise umkehren lässt. Ursache für eine geminderte Kapazität sind oft Lithium-Inseln, die sich während der Nutzung von den Elektroden abgespalten haben. Diese Inseln bewegen sich sehr langsam durch das elektrische Feld. Durch eine gezielte Stromführung können sie wieder Anschluss an die Elektroden finden. Eine Lithiuminsel verhält sich dabei "wie ein sehr langsamer Wurm, der Nanometer für Nanometer den Kopf vorschiebt und den Schwanz einzieht", beschreibt Projektleiter Yi Cui den Vorgang. Das Verfahren erhöhte die Lebensdauer im Experiment um knapp 30 Prozent.

Und schließlich mischen die enormen Fortschritte bei Natrium-Ionen-Batterien die Karten noch einmal neu. Diese Akkutechnik altert anders, hat andere, günstigere Rohstoffe und wird irgendwann selbst für eine Weiternutzung im zweiten Leben infrage kommen. Der weltgrößte Akkuhersteller CATL will schon 2023 solche Batterien in Serien-E-PKW verkaufen.

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(grh)