CO₂-Speicherung: Ein Gaskraftwerk wird nicht länger laufen, weil es CCS gibt

Mit seiner Carbon-Management-Strategie verstört Robert Habeck das eigene Lager. Doch die Aufregung fußt auf naiven Annahmen, meint Gregor Honsel.

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Auf Island in der Orca-Anlage wird das CO2 direkt in den Untergrund verpresst – und mineralisiert dort.

(Bild: Climeworks)

Lesezeit: 2 Min.

Wenn ich noch einmal höre, die Grünen seien "ideologisch", garantiere ich für gar nichts mehr. Im Akkord wirft Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine alten Überzeugungen über Bord. Zuerst bei den LNG-Terminals, nun bei der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) – auch wenn er dabei Teile der eigenen Klientel vor den Kopf stößt.

Dass es eine gute Idee ist, "unvermeidbare" Emissionen aufzufangen und unterirdisch zu deponieren, darüber herrschte schon länger ein weitgehender Konsens. Solche Emissionen entstehen beispielsweise chemisch bei der Zement-Produktion. In seiner nun vorgestellten Carbon-Management-Strategie geht Habeck aber noch einen Schritt weiter: Auch die Abgase von Gaskraftwerken sollen abgefangen werden.

Das führte bei einigen Umweltverbänden zu Empörung, weil diese Option den Druck senke, aus fossilen Energien auszusteigen. Der BUND sprach etwa von einem "Dammbruch" und einer "Büchse der Pandora"; die Deutsche Umwelthilfe von einem "Roll-Back in die fossile Vergangenheit".

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 Redakteur bei Technology Review. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leicht verständliche, aber falsche Lösungen haben.

Gemach. Ich persönlich glaube nicht, dass nur ein Gaskraftwerk eine Stunde länger laufen wird, weil es CCS gibt. Dazu ist das Verfahren viel zu teuer und energiehungrig. Und selbst wenn: Mir ist ein ein Gaskraftwerk mit CCS immer noch lieber als eines ohne.

Natürlich wäre es besser, wenn wir möglichst bald ganz ohne fossile Kraftwerke auskommen würden. Und natürlich kann man vorrechnen, was technisch alles möglich wäre: Man nehme soundsoviel Gigawatt Windkraft, soundsoviel Gigawatt Photovoltaik, soundsoviel Terawattstunden Speicher, dazu ausreichend Netzausbau, Effizienz- und Sparmaßnamen sowie Lastverschiebung: Voila, läuft.

Doch über den Ausbau des Stromsystems entscheiden keine Ingenieurinnen und Ingenieuren, sondern Politik und Verwaltung. Und die sind schon mit viel einfacheren Dingen überfordert, wie sich beispielsweise am immer wieder verschobenen Solarpaket zeigt. Nach diesen Erfahrungen möge doch bitte niemand so tun, als sei eine komplett rationale und durchoptimierte Energieversorgung überhaupt eine realistische Option. Sie wird so nicht kommen. Nicht mit dieser Regierung, nicht mit der nächsten und nicht mit der übernächsten. Pragmatisches Durchwursteln à la Habeck ist also das Beste, was wir kriegen werden.

(grh)