Kommentar: Die Treibhausgas-Prämie für Elektroautos ist widersinnig

Halterinnen und Halter von E-Autos dürfen angeblich eingesparte Emissionen als Zertifikate verkaufen. Das ist sozial unfair und führt auf logisches Glatteis.

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E-Auto

Symbol für einen Ladeplatz in Paris.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 3 Min.

Fritzchen kommt schnaufend von der Schule nach Hause. "Ich habe heute zwei Euro gespart, weil ich hinter dem Bus hergelaufen bin", sagt er stolz zu seinem Vater. "Na, toll", brummt der. "Wärest Du hinter einem Taxi hergelaufen, hättest Du zwanzig Euro gespart."

Ein ähnlich gelagerter Witz ist die Idee, dass Besitzerinnen und Besitzer von E-Autos künftig ihre nicht verursachten Emissionen zu Geld machen können. Dahinter steht ein Gesetz, das die Treibhausgasemissionen von Mineralölkonzernen senken soll: Ab 2022 müssen mindestens 6 Prozent ihrer Treibstoffe emissionsfrei sein. Bis 2030 soll die Quote schrittweise auf 25 Prozent steigen. Wer die Quote nicht schafft, muss entsprechende Zertifikate von Wettbewerbern kaufen.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

Eine Umverteilung des Geldes von dreckig zu sauber also. Daran ist auf den ersten Blick wenig auszusetzen. Auch daran nicht, dass Elektromobilisten an dieser Verdienstmöglichkeit beteiligt werden. Über diverse Plattformen können sie eine gewisse Menge an eingesparten Treibhausgasen zum Verkauf anbieten. Einige Plattformen versprechen Einnahmen in Höhe von "mindestens" 250 Euro pro Jahr.

Bei näherem Hinsehen erweist sich das Modell allerdings auf mehreren Ebenen als widersinnig: Erstens liefert es überhaupt keinen Anreiz, Autoverkehr und Emissionen generell zu reduzieren – denn berechnet wird pauschal eine Strommenge von zwei Megawattstunden im Jahr, was laut Fairnergy etwa einer Einsparung von 220 kg CO2 entsprechen soll. Wie viele Kilometer tatsächlich zurückgelegt, mit welchem Strommix geladen wird? Egal.

Zweitens ist die Maßnahme sozial unfair, denn sie belohnt schon den reinen Besitz eines E-Autos, dessen Anschaffung bereits höchstwahrscheinlich subventioniert worden ist. "Das ist keine Umweltprämie, sondern ein Kaufbonus für Gutsituierte. Warum bleiben Menschen ohne Auto so stark diskriminiert?", twittert die Autorin und Verkehrsaktivistin Katja Diehl dazu.

Wie also sollen all jene, die zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad fahren oder Öffis nutzen, belohnt werden für ihre Einsparungen gegenüber – ja, gegenüber was genau eigentlich?

Das führt zu Punkt drei: Die Treibhausgas-Prämie unterstellt ja, dass das E-Auto einen Verbrenner ersetzt. Aber vielleicht wurde der Stromer ja auch als Zweitwagen angeschafft, da sich das dank der ganzen Prämien rechnet?

Belohnungen dafür, dass bestimmte Dinge nicht getan werden, führen generell schnell auf logisches Glatteis, denn die Einsparung bezieht sich dann immer auf eine hypothetische Alternative: Wenn ich beispielsweise eine bestimmte Strecke zu Fuß gehe, habe ich dann wirklich nur die Emissionen gegenüber einer Busfahrt eingespart? Ich hätte theoretisch schließlich auch ein Taxi oder einen Hubschrauber nehmen können.

Deshalb ist der politisch konsequentere Weg, tatsächliche Handlungen teurer beziehungsweise günstiger zu machen – also etwa das Verbrennen fossilen Sprits oder die Benutzung von Bussen und Bahnen. Das erspart gewagte Annahmen über hypothetische Einsparungen.

(grh)