Kommentar: Ein Solar-Carport als Denkmal des "Weiter so"

An der Raststätte Hegau-Ost steht nun ein Solardach. Es steht für ein "Weiter so" trotz Klimawandels, meint Andreas Wilkens.

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Volker Wissing in einem Video seines Ministeriums vor dem Solardach an der Raststätte Hegau-Ost.

(Bild: BMDV)

Lesezeit: 4 Min.

In Deutschland muss etwas passieren, damit sich der Klimawandel nicht noch weiter verschärft. In Deutschland passiert auch etwas, das zeigt zum Beispiel ein Solardach, das am gestrigen Dienstag Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP besuchte. Ein "Demonstrator" ist das Bauwerk in zweifachem Sinne: Wissing konnte demonstrieren, dass seine Regierung etwas unternimmt. Mit seinen Ausmaßen von 12 m × 14 m × 5,5 m ist es zugleich eine niedliche Ausgabe eines Pilotprojekts.

Abschätzig könnten wir sagen, es sei lediglich ein Carport an falscher Stelle; dort, wo es steht, darf nämlich niemand parken. Zudem wird das Projekt zaghaft betrieben, der Demonstator befindet sich nicht über der eigentlichen Autobahn, sondern auf einer Nebenspur, die zur Raststätte Hegau-Ost unweit des Bodensees gehört. Er wird also in den kommenden Monaten nicht wirklich den Widrigkeiten ausgesetzt sein, die sich durch den Autobahnverkehr ergeben könnten.

Andreas Wilkens

kommt aus den Kulturwissenschaften, wurde frühzeitig in seinem Studium mit Computern konfrontiert – als Arbeitsmittel und Verdienstmöglichkeit. Er kümmert sich im Newsroom von heise online um die Nachrichten aus der IT-Welt.

Nicht zufällig steht der Demonstrator nahe einer Raststätte, denn momentan konzentriert sich der Einsatz von Photovoltaik im Straßenraum darauf, nahegelegene Verbraucher zu versorgen, wie es in einer Beschreibung für das Projekt "PV-Süd" heißt. Neben der Energiegewinnung sollen solarüberdachte Autobahnen aber noch weitere Vorteile bieten: Schutz der Straßenoberfläche vor Niederschlägen und Überhitzung. Dadurch würde die Lebensdauer der Fahrbahndecke erhöht, gleichzeitig könnte sich Lärmschutz ergeben.

Für einen effizienten Lärmschutz würde es sich anbieten, Autobahnen, die mit Solarpanelen versehen werden sollen, einzuhausen. So wie es beispielsweise an der A3 bei Aschaffenburg bereits geschehen ist. Daraus aber würden sich wesentlich höhere technische Anforderungen ergeben, auch für die Sicherheit, beispielsweise wenn Fahrzeuge in Brand geraten. Für das nun umgesetzte Grundkonzept bedeutete das, eine Stahlrahmenkonstruktion zu entwickeln, die statischen Herausforderungen Wind, Schnee und Anprall, aerodynamische Einwirkungen und eben Bränden begegnen kann. Für die Fundamente orientierten sich die Projektbeteiligten an jenen von Schilderbrücken. Alles modular, damit weitere Elemente je nach Geländebeschaffenheit hinzugefügt werden können.

Das sind nur einige der vielen technischen Aspekte, die zu bedenken sind, wenn die bereits verbrauchten Flächen, die Autobahnen zusätzlich genutzt werden sollen, um Energie aus Sonnenkraft zu gewinnen. Und das erst recht, wenn wie in der Schweiz daran gedacht wird, Autobahnen über Kilometer hinweg mit Solardächern zu versehen.

Es gibt noch weitere Aspekte zu beachten, nennen wir sie die politischen. Diese wurden am Dienstag in einem Video deutlich, das das Verkehrsministerium mit einem kurzen Statement ihres Chefs verbreitete. Darin steht Wissing vor einer Autobahn-Geräuschkulisse und sagt: "Hinter mir sehen wir eine Photovoltaikanlage über einer Straße. Ein Pilotprojekt, mit dem wir testen, ob sowas flächendeckend möglich ist. Wir wollen Klimaneutralität und Innovation zusammenbringen und unsere Probleme lösen. Die Gesellschaft muss mobil sein und Mobilität braucht Energie, aber wir können Energie und Verkehrsinfrastruktur gut zusammenbringen mit solchen Projekten."

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Das klingt, als habe Wissing begriffen, dass "Innovation" und "Klimaneutralität" bisher nicht zusammen denkbar waren. Er hält gleichzeitig daran fest, dass die Gesellschaft mobil sein muss. In dem Video fließt der Verkehr hinter dem dafür zuständigen Minister immer weiter. So trägt der "Demonstrator" noch eine dritte Bedeutung: Er versinnbildlicht das Unterfangen, unsere Wirtschaftsform wie bisher weiterzubetreiben, auch wenn der Klimawandel längst begonnen hat. Den stinkenden Straßenverkehr bemänteln, dem Klimawandel mit den Mitteln zu begegnen, die ihn verursacht haben. Ein Carport als Denkmal des "Weiter so". Hoffen wir, dass der Demonstrator auch den zu befürchtenden Extremwetterlagen standhält.

Demonstrator für solarüberdachte Autobahnen an der A81 (11 Bilder)

Bundesverkehrsminister Volker Wissing im Juni 2022 im Eröffnungsgewimmel an der Raststätte Hegau-Ost.
(Bild: BMDV)

(anw)