Kommentar: Statt Abo auf die Sitzheizung lieber Nutzerprofile beim Carsharing

Abo-Geschäftsmodelle haben längst die Automobilbranche erreicht. Aber welche Folgen hat diese Entwicklung für Nutzer und Nutzerinnen?

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(Bild: Anna Niedhart)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Julia Kloiber

Als der Autohersteller BMW verkündete, beheizte Sitze in seinen Autos über einen monatlichen Aboservice anzubieten, ging trotz Sommerloch ein Aufschrei durch das Internet. Für schlappe 17 Euro im Monat müssen BMW-Besitzer endlich nicht mehr am Hintern frieren. Der heiße Sommer war gut gewählt für diese Ankündigung, denn bei 40 Grad denkt man eher an Klimaanlagen als an Sitzheizungen.

Vorbei sind die Zeiten von Herstellerkatalogen mit langen Listen an Extras und langwierigen Entscheidungen beim Autokauf darüber, was man sich leisten kann, will und worauf man verzichten muss. Heute erwirbt man keine fest konfigurierte Hardware mehr, sondern ein Nutzungsprofil, das sich nachträglich anpassen und updaten lässt. Früher ist man mit seinem Neuwagen vom Werksgelände gebraust und kam nie wieder, heute steht man im Dauerkontakt mit dem Hersteller. Der Kauf ist keine abgeschlossene Handlung mehr, sondern ein laufender Dialog, denn das Auto ist jetzt eine Plattform. Ein Softwareprodukt. Mit Plattformen haben wir in den letzten Jahren genug Erfahrungen gesammelt, um zu ahnen, was uns blüht.

Zur Markteinführung des Abos kostet die Sitzheizung noch 17 Euro. Wer weiß, was sie im darauffolgenden Jahr kostet? Plattformen wie Netflix ändern ihre Abopreise regelmäßig. Bei Abos sitzt der Hersteller am längeren Hebel und hat das Recht, die Bedingungen zum späteren Zeitpunkt zu ändern – bekommt mein Fernlichtassistent auch einen Inflationsausgleich? Anders als bei einem Fahrassistenzsystem fallen bei einer Sitzheizung beim Hersteller keine dauerhaften Kosten für Server und Weiterentwicklung an, so betrachtet stößt einem das Abomodell schnell sauer auf.

TR-Kolumne von Julia Kloiber

Was, wenn ich mir zwar für 180 Euro die unbegrenzte Sitzheizung gönne, mein Auto aber irgendwann wieder loswerden möchte? Man kennt es von Computerspielen: Während man CDs und Hardware beliebig weiterverkaufen konnte, sind digitale Güter oft permanent an Nutzeraccounts gebunden. Was bedeutet ein solches Modell umgelegt auf den Gebrauchtwagenmarkt? Wenn ich mein Auto verkaufe, sind alle Software-Features dann mit dabei oder nicht? Ein Nein auf diese Frage wäre ein äußerst lukratives Modell für die Hersteller, denn so können sie dieselben Features ein-, zwei- oder sogar mehrfach für dasselbe Auto verkaufen.

Mikrotransaktionen und Abonnements sind die vermeintlich genialen Antworten einer verzweifelten Autoindustrie auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen, die auch nach dem Verkauf eines Fahrzeuges einen stetigen Einkommensstrom bieten. Doch was für die Hersteller gut ist, ist für die Nutzenden von fragwürdigem Vorteil. Für die Umwelt sowieso, denn die Modelle zielen weiterhin darauf ab, dass möglichst viele Menschen eigene Autos besitzen.

Was mich als jemanden ohne eigenes Auto interessiert: das Modell "Flotte als Plattform". Wenn Nutzerprofile im Autobereich es einfacher machen, Autos zu teilen und Präferenzen zu übernehmen, dann profitiert auch das Carsharing davon. In einer solchen Zukunft muss ich nicht erst fünf Minuten Spiegel und Sitze justieren, sondern finde alles automatisch auf mich eingestellt vor. Wenn es bequemer wird, Autos zu teilen, wollen in Zukunft vielleicht weniger Menschen eigene Autos besitzen – was in Zeiten der Klimakrise ein durchaus erstrebenswertes Szenario ist.

Solange die Autoindustrie aber damit beschäftigt ist, möglichst undurchsichtige Abomodelle und Mikrotransaktionen zu verkaufen, stelle ich meine hehren Wünsche ein und hoffe für alle Autobesitzerinnen, dass sie an kalten Tagen nicht frieren müssen, weil die Sitzheizung zu teuer geworden ist.

(jle)