„Kultur des Mitmachens“

Seite 3: „Kultur des Mitmachens“

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TR: Mit der Zunahme der Bedeutung von Suchmaschinen gibt es auch eine Diskussion um politische und ethische Fragen der Internet-Suche. Wie sehen Sie das? Haben Suchmaschinen-Betreiber eine besondere Verantwortung?

Bradley Horowitz: Ich denke, dies ist eine sehr komplizierte Diskussion. Ich bin nicht dazu geeignet, in dieser Frage für Yahoo zu sprechen. Offensichtlich gibt es große Unterschiede in den gesetzlichen Regulierungen verschiedener Staaten, und wir halten uns an die Gesetze, wo immer wir auch sind. Trotzdem ist das extrem kompliziert. Ich war auf dem Podium einer Diskussionsveranstaltung zu diesem Thema, und im Verlauf einer Stunde bin ich sowohl dafür kritisiert worden, dass wir uns an die Gesetze halten, als auch dafür, dass wir uns nicht an die Gesetze halten. Es wird sehr aufregend, diese Fragen in den nächsten Jahren zu klären.

Ich denke, dass die Art und Weise wie Yahoo diese Probleme behandelt, sich in einigen Punkten von der Vorgehensweise unserer Wettbewerber unterscheidet. Von Anfang an, haben wir uns intensiv auf die Rechte und die Privatsphäre unserer User konzentriert. Wir wären nicht die beliebteste Site im Internet geworden, wenn wir nicht von Anfang an transparent gegenüber den Benutzern gewesen wären und klar offen gelegt hätten, welche Daten ausgetauscht werden usw. Und das ist für mich das wichtigste grundlegende Prinzip: Absolut ehrlich darin zu sein, was man tun und was man nicht tun will. Und auf dieser Basis können die Leute eine qualifizierte Entscheidung darüber treffen, ob sie zu uns kommen, oder einen anderen Service wählen.

Das zweite ist, dass wir die Situation der Inhaber und Publisher von digitalem Content sehr gut verstehen. Im Vergleich zum Rest der Industrie mag Yahoo in diesen Fragen ein wenig konservativ sein, aber das wird sich langfristig auszahlen. Ich denke, das ist auf den Einfluss von unserem CEO Terry Semel zurückzuführen, der jahrelang in Hollywood selbst Content für die Warner-Studios geschaffen hat. Yahoo ist, was die Beziehung zu Autoren und Publishern angeht, sehr respektvoll.

Ein Beispiel ist, dass wir Teil einer Initiative sind, die Bücher und Zeitschriften einscannt. Aber der Ansatz von Yahoo ist ein Opt-In-Ansatz. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Wir warten ab, bis der Verlag dem Programm aktiv zustimmt. Gemeinnützige Organisationen wie "Internet Archive" aber auch direkte Konkurrenten wie Microsoft beteiligen sich ebenfalls an dieser Initiative. Der Ansatz ist gegenüber den Rechte-Inhabern sehr freundlich - und das ist eine Stärke von Yahoo. Wir haben begriffen, dass wir uns in diesem komplexen Ökosystem nicht bewegen dürfen wie ein Elefant im Porzellangeschäft.

TR: Eine letzte Frage: Es hat eine Menge Aufregung gegeben um Stichworte wie "Web 2.0" und Ähnliches. Steht uns ein neuer Internet-Hype bevor"

Bradley Horowitz: Ich glaube tatsächlich, dass es eine neue Hype-Welle gibt. Und die ist schon da – zumindest im Silicon Valley. Ich glaube der Hype ist schlecht – weil er irrational ist und auf übersteigerten Erwartungen beruht. Aber die gute Nachricht ist, dass es dahinter tatsächlich ein echtes Phänomen gibt. Unternehmen wie Flickr, del.icio.us oder Upcoming, die machen etwas Besonderes. Flickr ist ein fantastisches Beispiel. Das war ein kleines Unternehmen, das von weniger als zehn Leuten betrieben wurde. Aber indem sie sich mit ihren Usern zusammengetan haben, konnten sie großartige Dinge erschaffen. Die User erstellen den Content, bewerten ihn selbst, verbreiten ihn. Schließlich haben auch die User selbst als Entwickler gearbeitet – über offene Plattformen und Schnittstellen hat Flickr die Community eingeladen sich an der Weiterentwicklung zu beteiligen. Über eine solche Kultur des Mitmachens und der Teilhabe kann man sehr viel mehr erreichen, als nur mit den Menschen auf der eigenen Gehaltsliste.

Interview: Wolfgang Stieler (wst)