Missing Link: Die UN und das Internet – vage Visionen und mangelnde Teilhabe

Seite 3: Totgeburt oder Markstein?

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Folgenlos werde der Bericht der High Level Gruppe Digitale Kooperation für die Arbeit im Bereich Internet Governance bleiben, prognostiziert Badii. Allenfalls werde es ein paar mehr Gremien geben, die „um die Welt touren, um über Dinge zu diskutieren, die sie nicht beeinflussen können.“ Einen UN-Cyber-Gesandten könnte es geben. Dafür werden schon mehrere Namen kolportiert, vom Ex-ICANN-Chef Fadi Chehade bis zur ehemaligen Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard, beide waren Mitglied des Panels. Echte Veränderung Fehlanzeige?

Optimist Kleinwächter sieht und beschreibt das anders. Als Kenner der Diskussion seit über zwei Jahrzehnten kann er sehr wohl bestätigen, dass der Bericht wenig neue Erkenntnisse bringt. „Ich nenne es die Wiedererfindung des Fahrrads“, sagt Kleinwächter, „aber das Fahrrad hat einen besonderen Touch.“ Anders als Badii hat ein solcher Bericht und Aufruf an die UN, frischen Wind und neue Politikverfahren in die verstaubten Hallen von Genf und New York hereinzulassen, mehr Gewicht, wenn er von einem UN-Generalsekretär kommt. „Dinge, die lange gefordert sein mögen, erhalten dadurch mehr Legitimität,“ so Kleinwächter.

Überdies kommt der Fortschritt eben nur in Nuancen, die den aktuellen Bericht von den vielen vorangegangenen anderer Gremien unterschieden. Hervor sticht für den alten Hasen die Versöhnung von Multilateralismus und Multistakeholderism. Nachdem eine kleine Internet-Community in Genf und Tunis angeklopft hatte, seien 15 Jahre verschwendet worden auf den Konflikt, ob das Internet durch Stakeholder oder rein zwischenstaatlich, also multilateral, regiert werden soll. Der aktuelle Bericht weiche diesen Gegensatz endlich auf. „Wir brauchen innovativen Multilateralismus,“ sagt Kleinwächter und berichtet, dass bei der laufenden European Summer School on Internet Governance bereits eine Kombination der drei vom High Level Panel vorgeschlagenen Modelle für die Zukunft einer globalen Digitalpolitikplattform entworfen worden sei.

Letztlich sei es jetzt einfach an den interessierten Organisationen und Aktivisten, aus dem Bericht etwas zu machen, widerspricht Kleinwächter Badii. Übrigens hat er auch eine Idee für die deutsche Regierung, die es als Gastgeber des IGF 2019 in der Hand hat, eine erste Runde von Diskussionen zum Aufschlag aus Genf und New York zu moderieren. Die Bundesregierung könnte, schlägt Kleinwächter vor, den innovativen Multilateralismus wirken lassen im Bereich Sicherheit. Die Vorarbeit hat eine kleine, unscheinbare Gruppe – der Kleinwächter natürlich auch angehört – schon geleistet. Die Global Commission on the Stability of Cyberspace hat Cyber-Sicherheitsnormen entwickelt, die von verbindlichen Offenlegungsprozessen für Softwareschwachstellen bis hin zu einer Grundsatzerklärung über den gemeinschaftlichen Schutz der Kern-Infrastruktur des Internet reicht. Könnte die Berliner IGF nicht von der Quatschbude zur Gestalterin von Politik avancieren, indem sie eine Empfehlung für die zentrale Netzinfrastruktur ausspricht?, fragt Kleinwächter.

(tiw)