Pro & Contra: Sollte Apple schärfer reguliert werden?

Mit dem Digital Markets Act zwingt die EU Apple zur Öffnung des iPhones, etwa bei App-Stores und Browsern. Geht das weit genug?

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Pro & Contra: Sollte Apple schärfer reguliert werden?
Lesezeit: 4 Min.

Zum ersten Mal haben Regulierer Apple zu grundlegenden Änderungen in einem Betriebssystem gezwungen: In der EU muss der Hersteller nun andere App-Läden auf das iPhone lassen und Web-Sideloading unterstützen – und das ist erst der Anfang. Bei der Umsetzung drückt Apple allerdings auf die Bremse und außerhalb der EU greifen die neuen Regeln nicht. Sollten Regulierungsbehörden jetzt noch härter einschreiten?

Leo Becker meint, dass für Plattformriesen wie Apple klare Wettbewerbsregeln gelten müssen.

Apple konnte sich lange darauf ausruhen, dass die eigenen Dienste durch technische und geschäftliche Einschränkungen kaum Konkurrenz ausgesetzt waren. Wir Nutzer haben dadurch nicht gewonnen: Apples Provision auf In-App-Käufe und die darum gestrickten Regeln führten zu verwirrenderen (keine Links auf Webseite des Anbieters erlaubt) und teureren Apps (Apple-Provision wird an Kunden durchgereicht). So manche Geschäftsmodelle und App-Kategorien blockiert das komplett.

Dabei verdankt gerade Apple offenen Betriebssystemen viel: Hätte Microsoft in Windows 30 Prozent Provision eingefordert, so wie es Apple auf dem iPhone macht, wäre das Gespann aus iPod und iTunes Store vor über 20 Jahren wohl kaum derart abgehoben – und Apples Firmengeschichte ganz anders verlaufen. Der "Walled Garden" war in den Anfangstagen des iPhones sinnvoll, für eine aus dem Alltag nicht mehr wegzudenkende Plattform mit Milliardenpublikum sollten aber klare Regeln gelten – und zwar Regeln, die nicht einfach der Hersteller selbst aufstellt.

Artikel aus Mac & i 3/2024

Da Apple nicht gewillt war, iOS unter eigener Regie zu öffnen, machen das jetzt die Regulierer und dabei kann es durchaus unerwünschte Nebenwirkungen geben. Das ist aber kein Grund, auf Regulierung zu verzichten, sondern diese möglichst vorausschauend zu gestalten und bei Bedarf nachzubessern. Und es gibt auch höchst erfreuliche Nebenwirkungen: Apple lässt nach gut fünfzehnjähriger Blockade jetzt Game-Emulatoren in den App Store. Statt sich global zu öffnen, macht es Apple allerdings unnötig unbequem für EU-Nutzer (siehe FAQ zu iPhone-Sideloading und App-Marktplätzen: Chancen, Risiken und Probleme). Die rigiden Vorgaben des Konzerns für Sideloading schießen zudem weit über das erklärte Ziel hinaus, Nutzer zu schützen. Auch hier müssen also EU & Co dringend und mit Nachdruck einschreiten. (lbe)

Ben Schwan glaubt, dass die Regulierung Innovationen erschwert.

Niemand ist gezwungen, ein iPhone, ein iPad oder einen Mac zu kaufen. Es gibt hunderte Alternativen bei Smartphones, Tablets, Rechnern. Und die nutzen die Menschen auch: Apple ist kein Marktführer, stattdessen ist es Google mit Android bei den Smartphones, Microsoft mit Windows bei den PCs – und zwar jeweils deutlich. Das weiß auch die EU-Kommission. Dennoch hat sie entschieden, den iPhone-Hersteller zu einem sogenannten Gatekeeper zu erklären – zuletzt sogar beim iPad – und damit starker Regulierung unterzogen. Das kann man gut finden, denn Marktmacht hat Apple definitiv.

Doch was zunächst vernünftig klingt, kann für die Kunden viele Nachteile haben. Eine Plattform, bei der der Hersteller bislang ein großes Interesse daran hatte, sie sauber und sicher zu halten, weil er Software, Hardware und Services kontrollierte – Apples Geschäftsmodell schlechthin –, könnte in der Union ins Wanken geraten. Natürlich nervt Apples Review-Zwang für den App Store und haut auch mal daneben. Aber die Plattform an sich funktioniert. Die viel kritisierten 30 Prozent, die Apple an Provision verlangt, waren eine Innovation, als sie gestartet sind. Damals zahlte man für den Softwarevertrieb auf anderen Plattformen deutlich mehr. Klar, der Konzern hätte sie mittlerweile reduzieren müssen. Das war ein strategischer Fehler.

Ich fürchte, dass die EU mit ihrem Vorgehen Innovationen bremst. Muss Apple jetzt jedes neue Feature in Brüssel vorstellen? Wissen Bürokraten über Technologie wirklich Bescheid? Vom bisherigen Vorgehen mit dem Holzhammer – gut gemeint, schlecht gemacht – profitieren übrigens zunächst nicht die kleinen Firmen, sondern andere Großkonzerne. Der Spieleriese Epic Games beispielsweise, der in seinem eigenen App-Laden gerade mal drei Prozent weniger Provision will als Apple für Umsätze von unter einer Million im Jahr. (bsc)

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