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Was war. Was wird.

Ein Blick in die Zukunft gefällig? Ach, warum nur die Unschuld verlieren, es tauchen doch nur Hurd und Bielefeld auf, und Kriegsmaschinen und Gebetslieder, befürchtet Hal Faber.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Lalala, lalala. In the year 2525, wenn dann noch Männer und Frauen leben, sich Monsanto-resistent fortpflanzen können, finden sie ... Na ja, vielleicht finden sie Computer, die weit besser als die Menschen küssen können, wie es der New Yorker Bürgermeister Fiorello LaGuardia 1939 auf der Weltausstellung prophezeihte. Lalala, tralala, wir gehen 100 Jahre zurück: In the year 2425, da gibt es noch Menschen und es gibt Computer und Festplatten, die von den Menschen angebetet werden. Und wo Computer sind, da sind die fiesen Hacker nicht weit weg mit ihrem fiesen Treiben, Wissen zu verstreuen: "Wir schreiben das Jahr 2425. Scienox ist in Aufruhr. Seit ewigen Zeiten wurde hier das Wissen der Welten gesammelt und verehrt. Doch nun scheint es für immer verloren. Denn nach dem Crash der Heiligen Festplatten haben Hacker das Wissen von Scienox über alle Winkel des Universums verstreut. Bildung ist zur begehrtesten Ressource geworden." Wer sich den platten Plot bei Wissenschaft im Dialog ausgedacht hatte, kannte im Jahre 2004 offenbar die Wikipädia nicht, mit der tapfere Wikinauten das Wissen für angehende Scienauten vorrätig halten. Pottwalrüberschmeiß: Warum schwimmen Pottwale lieber im Ozean als im Rhein, ist eine so eine Frage, die Scienauten beantworten müssen.

*** Die Welt ist aus den Fugen, ohne heilige Festplatten, und voller Rätserl obendrein: Warum werden Pinguine so gerne verdroschen? Warum konstruieren kommunistisch gesinnte Gemüseliebhaber auch noch Fischwerfer, wie sie eigentlich nur in Heise-Foren eingesetzt werden, in denen die Argumente hin- und herfliegen?

*** Noch eine Frage: Wie läuft's? Das ist eine gute Frage, die man nicht nur heute, am Tag des offenen Denkmals, dem fließenden Wasser stellen sollte. Man nehme nur den Frau-Holle-Teich, der ein Busenproblem hat, weil der Naturschutz und die Frauen nicht einbezogen wurden. Tja, so läuft's in Deutschland, Frau Thekla Rotermund-Capar: Frau Holle bleibt, Hartz IV kommt, und es wird weiter diskutiert und demonstriert. 15 Jahre nach der in Deutschland vergessenen Grenzöffnung mehren sich die Stimmen in diesem unseren Land, die die Mauer wieder haben wollen. So läuft's, Danke, Deutschland.

*** Journalisten informieren die Öffentlichkeit über Sachverhalte und Vorgänge von öffentlicher Bedeutung. Von daher ist die Forderung der niederländischen Journalisten, am verschlüsselten Tetra-Behördenfunk C2000 teilzunehmen, sehr wohl begründet. Auch bei uns hören Reporter routinemäßig den Polizeifunk mit, doch hat sich keiner der beiden Journalistenverbände zu Wort gemeldet und Mithörrechte beim kommenden BOS-Funk eingeklagt. Vielleicht in der sicheren Erkenntnis, dass ein deutsches digitales BOS-Netz nicht vor 2008 kommen wird, vielleicht aus Achtung vor dem Obrigkeitsstaat. Schließlich ist Deutschland ein Schlusslicht bei der Informationsfreiheit. Es gibt Anstrengungen, den Zustand zu beenden, doch die "Revolution in deutschen Amtsstuben" ist ein verschwitztes Bild. In den meisten Fällen kapitulieren die Journalisten vor Ämtern wie Scheinriesen vor Jim Knopf. Das scheint auch für den BOS-Funk zu gelten.

*** Noch Fragen offen? Hat das Netz eigentlich kein Gedächtnis? Stoppt alle Uhren? Bringt, was Hund ist, zum Schweigen? Lasst Flugzeuge leidvoll über uns sein. Es ist drei Jahre her und schon klingen die meisten Artikel wie Routine-Kommentare zum Tag der deutschen Einheit. Auch die Fotos sind bekannt. Die Weltverschwörung, ob von Al-Qaida oder McDonald's kommend, ist zu der von einer Komission beantworteten Frage geschrumpft, dass das regierende Amerika am Steuer geschlafen hat. Glaubenskriege halt, im übertragenen wie im wörtlichen Sinne: "Die Kriegsmaschine produziert Gebete, und die Gebetsmaschine erzeugt Kriege. Zwei schwungvolle Maschinen, die miteinander verkoppelt und verbunden sind. Totenfelder und Gebetslieder." Derweil diskutiert das von Wahlkämpfen geschüttelte Amerika, ob Proportionalschrift in den 60er Jahren in Militärdokumenten verwendet wurde. Dabei gibt es inzwischen zu den nicht enden wollenden Geschichten über Bushs Vergangenheit den kürzesten Weblog aller Zeiten. Er besteht (ha!) aus einer einzigen Frage.

*** Heute vor 124 Jahren wurde Henry Louis Mencken geboren, einer der großen Lästermäuler im Journalismus, Erfinder der Booboisie, aus der sich später die allseits geliebten wie gehassten Bobos der Dot.com-Zeiten entwickelten. Gut erhaltene Exemplare dieser Spezies trifft man heute nur selten, vielleicht in Stephan Schambachs neuer Firma Demandware, die den E-Commerce revolutionieren will und von Intershop Personal übernimmt. Wie formulierte es jener längst vergessene Mencken mit einem seiner bekanntesten Sätze? "Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, überzeugend und falsch ist."

*** Diese schöne Sentenz bringt mich zum Service Pack 2 , das in den Augen weniger toleranter Leser des Heisetickers zur Eiterbeule der Nachrichtenproduktion geworden ist. Landauf, landab findet sich das von Microsoft angelieferte SP2 nun als angebappte CD in den einschlägigen Zeitschriften, auf dass der Eindruck nicht von der Hand zu weisen sei, dass die deutsche Computerpresse inklusive der c't zum Einwickelpapier von Microsoft geworden ist. Nur Chip aus dem Hause Vogel Burda holte den hauseigenen Delorean aus dem Stall und bescherte seinen Lesern ein Service Pack 3, das wirklich alle Sicherheitslücken schließt. Ein einfacher und nicht einmal so falscher Gag, kommt die SP3-CD doch mit Browsern, die der Sicherheit auf dem Desktop einen guten Dienst erweisen. In jedem Fall erscheint der Ratschlag des BSI fundierter als die Berechnungen der Analysten von Cap Gemini, die für den Londonder Bezirk Newham mit den von Microsoft angelieferten Zahlen nachweisen konnten, dass Linux zu teuer ist.

*** Die 25. Ars electronica ist vorüber und lieferte eine Zeitverschiebung auf die kommenden 25 Jahre, gegen die ein SP3 ein Klacks ist. Zu den Vorhersagen gehörten fliegende Autos, das Ende von Microsoft und, von KI-Großvater Marvin Minsky himself, die Ansicht, dass haptische Interfaces dann besser küssen können als manche Menschen. Das Hurd erscheinen wird und ein Kontinent namens Bielefeld auftaucht, erschien allerdings selbst den fortgeschrittenen Cyberkünstlern als zu unwahrscheinlich

Was wird.

Was vorerst nicht wird, das ist das Hearing in der inniglich geliebten unendlichen Geschichte um das geistige Eigentum von SCO im Prozess zwischen SCO und IBM. Es wurde auf Ersuchen von IBM vom 14. September auf den 19. Oktober vertagt. Wenn der Streit weiter geht, wird hier im Netz der Eiligkeit mit Leidenschaft berichtet werden, ganz ohne Rücksicht auf den Orgasmus der Klickraten, die Manfred Bissinger das Netz versaubeutelt haben.

Wie es läuft in diesem Staat, darüber zerbrechen sich manche kluge Köpfe den Kopf. Das ist gewiss misslich, denn meistens hat der Mensch nur einen. In Paderborn beginnt im Nixdorf-Museum mit Demokratie digital eine Veranstaltungsreihe, die interaktive Politik ergründelt und das Netz als mandantenfähige Beteiligungsplattform begreift. Danach wird das Museum zur Besichtigungsplattform für Nachtschwärmer mit einer Cocktailparty freigegeben, auf der die Chiffriermaschine Enigma auftritt. Die Nächte, in denen der WDR-Computerclub tatsächlich im Museum durchzechte und seine Moderatoren um fünf Uhr morgens eine Diskussionen über Betriebssysteme durchzogen, gehören indes der Abteilung "Was war" an, genau wie der Computerclub.

Wenn es läuft in diesem Staat, dann müssen davon großartige Projekte künden. Die Gesundheitskarte ist ein solchiges Projekt, ganz nach dem Geschmack der SPD. Auf dem Smartcard-Forum in Darmstadt wird gezeigt, wie unsere digitale Gesundheit zunehmend konkrete Gestalt annimmt: Es materialisiert sich was in Deutschland. Lalala, tralala.... (Hal Faber) / (jk)