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Was war. Was wird.

Das Internet vor dem Aus: 150 unsichere Webseiten entdeckt! Das Grauen: 6 Millionen unschuldige Rechner unter Kontrolle von Supergangster Hermes! So könnten für Hal Faber Newsticker-Überschriften lauten, wenn sie sich an einem Jubilar orientierten.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** WIR SIND BLÖD! In vielen deutschen Briefkästen lag gestern ein Frei-Blatt mit besonders großen Buchstaben und dem Anspruch, die Zeitung der Zukunft zu sein, natürlich als iPad-App. 60 Jahre Manipulation als Markenkern wollen gefeiert sein. Da muss eine kleine Wochenschau doch mitziehen, wenn sie "was wird" im Titel hat. Gerade in der IT passieren ja Woche für Woche sensationelle Dinge, die ordentliche Schlagzeilen verdienen: Das Internet vor dem Aus! 150 unsichere Webseiten entdeckt!   Das Grauen: 6 Millionen unschuldige Rechner unter Kontrolle von Supergangster Hermes!

*** DIE GROSSE ABZOCKE! 4,3 Millionen Deutsche betroffen! könnte auch unter der Schlagzeile "Deutsche Anwälte jubeln" laufen, aber bitte, dieser Newsticker ist doch die Stimme des kleinen Mannes und lebt vom gesunden IT-Empfinden, nach dem diese Abmahn-Anwälte auf den Meeresgrund gehören. Zumal die Anwälte erst in Zukunft richtig Grund zum Jubeln haben, wenn ein Leistungsschutzrecht kommt und dann das Internet eingepreist wird für all die ruchlos gemopsten Informationsschnippsel. Hier ist es Zeit für die Chef-Frage nach dem schlechten Gewissen der Juristen, die das Leistungsschutzrecht entworfen haben. Aber halt, es geht wohl nicht wirklich darum, "die wirtschaftliche Verantwortung über ein Leistungsschutzrecht abzusichern". Twittert sie wirklich – oder nicht?, wäre die passende Schlagzeile für sls_bmj. Eine Frau fragt man halt nicht wie einen Bundeskanzler nach dem Haarfärben.

*** WAHNSINN! Julian Assange wird UN-Botschafter von Ecuador! Die Idee des Wikileaks-Chefs, in einer kleinen Botschaft um politisches Asyl zu bitten, konnte er nur umsetzen, indem er die Aufenthalts-Auflagen brach. Insofern ist die für Assange zuständige Einheit der Metropolitan Police schon berechtigt, ihm beim Verlassen der Botschaft zu verhaften. Wenn nun ein ins Grübeln gekommener britischer Jura-Professor als einzige Lösung auf die Idee mit dem UN-Botschafter verweist, hat das schon groteske Züge. Denn dann müsste Assange doch nach New York kommen können, in das Land, das für ihn angeblich die Todesstrafe fordert. In das Land übrigens, das Ecuador gewisse Zollerleichterungen gewährt, über die der Kongress nächstes Jahr abstimmen muss. Angesichts der in diesen Tagen geäußerten Befürchtung, die UN würde Kontrolle über das Internet an sich reißen, hätte Assange als UN-Botschafter womöglich noch die ehrenvolle Aufgabe, das Internet zu retten. "Das Netz ist ein Ami" wäre aber auch eine ganz grauenvolle Nachricht.

*** LEERE KARTEN, VOLLE KASSEN! Warum tut keiner was? Wenn selbst die seriöse Presse fehlerhaft berichtet, dass Millionen Gesundheitskarten fehlerhaft sind, wo doch nur ein Leerstellen-PIN zum Einsatz kam, hat es die knallige Schlagzeile natürlich schwer. Natürlich sind die Karten nicht kaputt, wie es der Jubilar suggeriert. Kaputt ist nur das Selbstverständnis von Krankenkassen, Arztverbänden und den anderen Spielern rund um die "telematische Infrastruktur", den Bürger nicht über die Möglichkeiten aufzuklären, wie er jetzt sinnvoll die Gesunheitskarte zum Authentifizieren und SIgnieren einsetzt.

*** DEVELOPERS! DEVELOPERS! DEVELOPERS! Steve Ballmer schlägt zu! Was wohl Steve Jobs sagen würde? Die Vorstellung der Surface-Tablets ist nach Windows for Pen Computing 1991, den Tablet-PCs der Comdex 2000 und der Tablet-Revolution anno 2002/2003 der vierte Anlauf in Sachen Servierteller für digitale Inhalte. Jetzt will Microsoft im Kampf gegen iPad und Fire alles richtig machen und macht alles selbst. Nimmt man Microsoft die Kühlheit ab. Da darf Post von Wag^H^H, ähem, vom WWWW nicht fehlen:

Lieber Steve Ballmer,

Ich kann mir die Welt ohne Windows nicht vorstellen. Präsidenten wurden erschossen, Tsunamis passierten, 9/11 passierte. Windows blieb uns erhalten und Sie wurden als CEO der Herr über Windows. Dafür danke ich. Wenn es Windows gibt, denke ich, dann gibt es die Welt hinter Windows. Dann sind wir nicht Nichts. Sie sind aus echtem Schweizer Armbrustholz geschnitzt. Machen Sie weiter so!

PS: Weiß ein Klatsch-Reporter eigentlich, welches Deo der Ballmer für seine Schweißflecken benutzt? Ich würde so gern wissen, wonach Sie riechen.

Nach Rosen, Orangen, Zitronen?

*** SENSATION! 14-Jähriger erfindet die E-Mail! Wird er reicher als Bill Gates? Die Meldung, die es am Freitag auf die Seite 1 der Süddeutschen Zeitung brachte, berichtet von einem heftigen Streit über die Entstehung der E-Mail. In ihn hat sich kein Geringerer als Noam Chomsky eingeschaltet, der demnächst in Assanges World of Tomorrow auftreten soll. Angeblich soll ein gewisser V. A. Shiva Ayyadurai als 14-Jähriger für seine Highschool ein Nachrichtensystem programmiert haben, das er EMAIL nannte. Die Geschichte ist so rührend boulevardesk, dass man den mehrseitigen Entstehungsbericht zur E-Mail von Mitchell Waldrop in Dream Machine eine faustdicke Lüge oder ein geguttenbergtes Gefetzel nennen muss. Am Ende war die erste EMAIL ein rührender Pennäler-Liebesbrief mit dem Betreff "Willst du mit mir gehen?" als dieses offiziell berichtete "klklk asdf" von Ray Tomlinson.

Was wird.

DER BALL IST RUND! JA! JA! JA! Europameister Ronaldo hat einen deutschen Schäferhund! Man muss kein Fußballfan sein, um diese Europameisterschaft zu verfolgen, die ein Zuschauer neben Angela Merkel dazu benutzen will, die Vorratsdatenspeicherung dem einfachen Volke nahe zu bringen. Angeblich braucht es diese Technik, um die anonymen Hetzer aufzuspüren, die gegen den Fußballer Mesut Özil hetzten, dazu noch unter piratenartigem Namen. Als Kenner der Materie spricht der Sport- und Innenminister von einer Verwahrlosung der Umgangsformen im Internet. Wer nutzt noch das knackig-deutsche ACK in seiner Kommunikation, wenn Skype ein wundervolles geheimes Spieler-Emoticon bereithält? Eigentlich fehlt nur noch das entsprechende geheime Fan-Emoticon mit einer großen Pet-Flasche voller Wodka zum Anglühen und die Show kann weitergehen. Dank Klimawandel! Fußball jetzt immer ohne Holland!

BERLIN WILL'S WISSEN! Danke für eine tolle Zeit! Bis zum Montag läuft sie noch, die verlängerte Online-Konsultation fürs Open Government, in der Transparenz, Teilhabe und Zusammenarbeit von Bund und Ländern und Bürgern beschrieben und kommentiert werden. Am Ende des Verfahrens soll ein Open Government Portal und eine deutsche Open Government License stehen, mit der Open Data eine neue Qualität erreichen könnte. Wenn dann noch Open Government die Transparenz bei Nebeneinnahmen von Politikern durchsetzen könnte, wäre ein wichtiger Schritt gemacht. Doch die FDP blockiert und ihre Klientel, die freiberuflich tätigen Ärzte machen es vor: Geschenke erhalten die Freundschaft. Wer denkt an die freiberuflichen Programmierer?

NICOLE (22) BRAUCHT ES JEDEN TAG, die Special Womans Card! An dieser Stelle muss eigentlich das IT-Girl seine Schränke aufmachen, doch verzichten wir heute mal auf knisternde Frauen-Erotik. Die Lufthansa hat für ihr Frauenbild ihr Fett weg, und so bleibt es hier nur noch übrig, auf FFF hinzuweisen, den "Fortschrittsbericht Frauen in Führungspositionen", der nächste Woche erstmalig von der Familienministerin Kristina Schröder unter Schirmdamschaft der Deutschen Telekom in deren "Hauptstadtrepräsentanz" vorgestellt wird. Wir fassen ihn stilecht vorab zusammen: Geil! Das sind Deutschlands schärfste Chefinnen! (anw)