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Was war. Was wird.

War die Wochenschau jemals jugendfrei? Möglicherweise nicht. Also lesen Sie auf eigene Gefahr weiter, meint Hal Faber -- und warnt nicht nur vor Rock-Opas mit "Sympathy for the Devil".

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Liebe Leserin, lieber Leser dieser kleinen Wochenschau. Bitte lesen Sie nicht weiter, wenn Sie noch nicht das 18. Lebensjahr erreicht haben. Klicken Sie hier oder hier, um den Sommer zu genießen. Suchen sie sich hier etwas oder genießen Sie die Suche von anderen. Erweitern sie Ihre Serendipität. Was immer aber Sie auch unternehmen: Lesen Sie derweil keinesfalls weiter. Denn diese Seite ist heute NICHT JUGENDFREI und enthält möglicherweise schockierendes Material.

*** Das kommt schon allein daher, dass im Rückblick dieser Woche natürlich das Jubiläum der Rolling Stones gefeiert werden muss, die am 12. Juli 1962 die Bühne im Marquee Club betraten. Wer unter 18 ist, wird über die Rock-Opas lachen, auch für die meisten Weiterleser waren Jagger & Co. zeitlebens schon alte Herrn. Aber sie konnten was, daher: "Let's drink to the hard working people". "Wie die Dinge stehen, werden sich die Rolling Stones nicht lange halten", verkündete der Pop-Papst Nik Cohn im Jahre 1968. Woraus man mindestens erkennen kann, dass Päpste und Steine inkompatibel sind. Aber was sind schon Päpste?

*** Ein weiteres Jubiläum der vergangenen Woche ist ebenfalls nur etwas für ältere Herrschaften. Vor vierzig Jahren gab es die erste TV-Übertragung mit dem Telstar-Satelliten, der von den Tornados besungen wurde. Schöne alte neue Welt, auch wenn so Vieles wieder in Vergessenheit geraten is:. Da wird von Lucent ein gewisser Science-Fiction-Schreiber namens Arthur C. Clarke als Erfinder des geostationären Satelliten gefeiert, doch hatte schon Hermann Oberth im Jahre 1925 die richtige Idee. Zu erinnern ist auch an Rudolf Kompfner, den Erfinder der Wanderfeldröhre, der vor den Nazis nach England fliehen musste und dort an der Satellitenübertragung forschte.

*** Absolut nicht jugendfrei ist auch das, was derzeit mit der New Economy passiert. Die Zeiten sind vorbei, in denen man mit ein paar Buzzwords Produkte erfinden und vom Taxi aus mal eben eine Firma gründen und beraten konnte. Das Dot.com-Blutbad, das so manches Computerspiel in den Schatten stellt, ist nichts für zartbesaitete Journalisten, die nur bei lauen Lüften scharf schreiben können. Welcher Bobo kann in diesen Tagen noch aufrecht stehen, geschweige denn in die Zukunft sehen ?

*** Wenn Wünschen helfen würde, wäre die IT-Branche am Brummen. Nehmen wir einmal den bekannten Science-Fiction-Autor Bill Gates, den Organisator des großen "Road Ahead Preises", mit dem Lehrer für die Arbeit ihrer Schüler belohnt werden -- bitte diesen Link nicht den braven jungen Leuten zeigen, die noch an Leistung glauben. Für das Opus Magnum des Straßenbaus poserte Gates vor einer Einfahrt in die Wüste. Wie es aus derselben wieder heraus geht soll in Nevada gezeigt werden, zu Las Vegas: Die Herbst-Comdex steht heuer unter dem Motto "The Road to recovery". Zuvor veranstaltet IDC seinen Kongress unter dem Motto "Getting ready for the IT Rebound", "Making IT Work" heißt es bei Esther Dyson. Die Schamanen sind unter uns.

*** Das harte Business strafft sich und turnt sich, das hat Folgen. Nehmen wir einmal das Projekt Frauen-WG, gestartet als Selbsthilfegruppe zur Beratung von Frauen für Frauen. Ein altes, vergilbtes Pressefoto zeigt mir noch den Frühstückstisch, mit Marmelade, Brötchen und Kaffee, um den die Selbsthilfinnen sitzen und adrett in die Kamera schauen. Heute sieht das anders aus. Ja, der Zwang der Verhältnisse. Es ist schon komisch, wenn Zicken dafür sind Ja, das ist "kein Mut der Ehrlichkeit, sondern der Aufrichtigkeit."

*** In der Bytemutation sind die Bayern besonders erfahren. Nehmen wie einmal den Kampfdackel Waldi, das 30 Jahre alte Maskottchen der Olympischen Spiele zu München. Weil Maskottchen beim Merchandising immer wichtiger werden, hatte Waldi viele, nicht unbedingt erfolgreiche Nachkommen. Nun wollen es uns die Bayern wieder einmal zeigen und zeichneten passend zu den Europameisterschaften den Eurolympi, der munter sein Willkommen wackelt. Leider musste sich die Zeichnung auch noch materialisieren , damit die ausdauernden Sportler belämmert werden können. Oder sollte das Motiv für diese Tierliebe etwas andersrum liegen?

*** "Die Menschheit kann nicht jeden Tage eine Bastille oder ein Winterpalais stürmen", verkündete der französische Philosoph Raymond Aaron im Mai 1968 in einem Festvortrag. Aber sie hat es einmal gemacht, bei der Bastille heute vor 213 Jahren. Und das ist gut so. Das Gefängnis war nicht mal bedeutsam, nur ein verhasstes Symbol der königlichen Willkür, das Volk war nicht besonders edel drauf, aber Geschichte wird auch nicht in Schönschrift geschrieben. Dafür haben die Franzosen das Sommerfeuerwerk bekommen, während unsereins nur im Winter knallen darf. Und was sagt die Hartz-Kommission dazu? Wer nicht glaubt, dass dieses Datum noch eine Bedeutung hat, sollte mal sehen, wie im Linux-Lager mit der Sicherheit umgegangen wird. Franzosen kommen jedenfalls nicht auf die royalistische Idee, von einem Bastille Linux, sondern sprechen lieber vom Cartel securite.

*** Heute ist aber auch ein Computerfeiertag. Denn mit dem Geburtstag von Jay Wright Forrester können wir den Vater der RAM-Chips und der Flugsimulatoren ehren und ihm für seine Forschungen unseren Dank abstatten. Einen besonderen Gruß auch vom RAM im meinem Computer, das inmitten der seltsamen Pisa-Debatte daran erinnern möchte, dass Forresters Ideen zum kindlichen Lernen in Gruppen von den Ländern beherzigt wurden, die uns alt aussehen lassen.

Was wird.

Morgen wird die Liberty Alliance erstmals zeigen, wie das Internet ohne Benutzung von Microsoft Passport authentischer gemacht werden kann. Freiheit, wie sie meinen, ist dann gekommen, wenn man kein Passwort mehr verlieren kann.

Nächste Woche startet zudem die Messe der gebildeten und wohlhabenden Computernutzer, die Macworld. Dort findet sich für alle die richtige Hardware, deren Gehirn anders funktioniert als die gemeine Wintelligenz. Immer noch sind diejenigen ausgesperrt, deren Meinung zu Apple-Produkten etwas anders ist als von der Firma Apple gefordert. Think Different ist nicht mehr erlaubt, gehorsames Switchen erste Bürgerpflicht. Aber das hatten wir schon in der vergangenen Woche. Ich wiederhole mich und kann immer noch nicht langsam tanzen -- dafür hab' ich mich heute hoffentlich kurz genug gefasst. (Hal Faber) / (jk)