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Was war. Was wird.

Das Sommertheater scheitert: Die Aufführung platzt wegen Unfähigkeit der Protagonisten. Hal Faber aber fragt sich, ob die Möchtegerne in Dänemark, Santa Cruz, Redwood Shores oder unter den Linux-Codern sitzen. Hulot hilf!

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es ist Mittsommernacht, die Trolle feiern im Norden die Sommersonnenwende und die Hyperboräerinnen sind niemals so schön wie heute, in dieser kurzen Nacht. Mittsommernacht ist seit Macbeth auch der Festtag der Diktatoren, der Macht, die alle Mittel kennt. Oder sollten wir lieber von der vernetzten Macht derer reden, die in den USA wie auch in Deutschland kritische Fragen abblitzen lassen und im Irak die unabhängige Berichterstattung stoppen wollen?

*** "Something's rotten in Denmark and in this Code": Wenn schon Shakespeare, dann die Bühnenfassung im Sommertheater von Cruzio. Das Vorspiel war vorbei und Montags sollte es mit dem 1. Akt beginnen, mit einer Entkleidungsszene von IBM. Doch die große blaue Wolke wollte nicht, stattdessen gab es eine sonnenstichige Einlage und Backstage ein Foul gegen einen, der die schlichte Wahrheit sagte. Ob das alles noch das Zeug zum großen Sommertheater hat, wird immer zweifelhafter. Vielleicht wird die Spielzeit besser von Oracle bestritten, das sich auf Einkaufstour befindet.

*** Nach den ersten, halbwegs konkreten Angaben von SCO ist mittlerweile klar, worum es geht und was im Linux-Code angefault sein soll. Dabei zeichnet sich deutlich ab, dass SCO eine sehr weite Definition von abgeleiteter Arbeit (derivative work) pflegt. Um im Bild zu bleiben: Der Schauspieler besitzt die Rechte an Shakespeare. Und ist doch nur ein Schmierenkomödiant. Auf den freilich Analysten hereinfallen, die Bombenfantasien pflegen. Und Reporter, die überall die Möchtegerne am Werke sehen.

*** Nahtlos am Thema entlang darf ich hier den auf Kante genähten Sieges-Haiku vom Dichter-Wettbewerb der vergangenen Woche feiern. Gewonnen hat Leser W.F. mit diesem eingeschickten Text:

Sie haben genug
vom Bastel-OS der Linux
Lemminge? Wir auch.

inspiriert von einer Vorlage. Sicher, es gab poetischere Aussagen, etwa

musikindustrie
will ihrer kundschaft bescheren
unrechtsbewusstseinserweiterung

vom Pu dem Bären in Hommage an den singenden Senator Orrin Hatch, der zu Computern ein militantes Verhältnis hat. Möglicherweise einfach nur beschissenes Timing, ein Mangel an einem elementaren Gefühl für Rhythmus? Immerhin lizenzierte der Senator schnell seine Software nach -- die Geschichte hätte dem Rock'n'Roll-König gefallen, auch wenn sein Schöpfer nicht mehr mit uns lachen kann. Winnie-der-Pu aber, ein Bär von geringem Verstand, verfehlte derweil trotz aller Anstrengungen die 5-7-5 Form. In manchen Tieren steckt Großes, in anderen nur Honig. Nur Honig? Allen Teilnehmern am Haiku-Wettbewerb sei Dank, sie haben latürnich das Zeug, bei Deutschland sucht den Superdichter mitzumachen und einen "modernen Klapprechner" zu gewinnen.

*** Möge der Kübelböck der Klappertasten nicht in einer Firma sitzen, die mit dem neuen eTrust von Computer Associates arbeitet. Selten ist deutlicher geworden, wie das Bemühen um sichere Inhalte zu Lobotomie einer Firma führen kann, die mit einer solchen Spyware eine innerbetriebliche Feinderklärung abgibt. Ja, den Firmen ist die Fähigkeit abhanden gekommen, Entwicklungen richtig einzuschätzen. Das jedenfalls meint die WLAN-Industrie, die extra einen Rechner für Firmenvernetzungen vorstellte, nachdem der Trend zum WLAN in die Kritik gekommen ist. Dabei gibt es Entwicklungen in der Technik, die nicht mit Zensur und simplen Rechenmodellen erschlagen werden, die schon gar nicht zu einer neuen Blase führen können. Die nicht mit Synergien beim Business-Model und anderem Bullshit aufwarten. Sondern die im Überfluss entstehen und schlicht neue Räume erschließen.

*** Doch was ist schon neu? Der Mobilfunk feiert einen 50. Geburtstag, die Deutsche Welle gibt sich festlich, da sollte -- trotz allzu unrunden Jubiläums -- auch des kleinen Computers gedacht werden, der gestern seinen 55. Geburtstag hatte. Nicht zu vergessen Konrad Zuse, der heute 93 geworden wäre.

*** Es gibt jedoch weitere traurige Daten zu vermelden: Vor 370 Jahren leistete Galileo Galilei den von der katholischen Kirche geforderten Widerruf der Ansicht, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Nutzen hatte er davon keinen, denn er blieb Gefangener der Kirche, die ihn erst vor 11 Jahren rehabilitierte. Hätten die Rosenbergs vor 50 Jahren widerrufen können, hätten sie sich kooperativ zeigen müssen, wenn die Freiheit und alle Dinge, die ein Leben lebenswert machen, manchmal teuer bezahlt werden müssen? Heute zeigt die Geschichte der Rosenbergs nicht nur Sentimentalitäten, sondern drastisch, was der Kalte Krieg angerichtet hat.

Was wird.

Am kommenden Montag gibt es ein Schauspiel besonderer Art, wenn Steve Jobs auf der Entwicklerkonferenz von Apple auftritt, von der termingerecht versehentlich einzelne Details bekannt wurden. Versehentlich fällt wohl die Panther-Dressur aus, mit der Apple Programmierer und Benutzer davon abhalten will, den Holzweg zu benutzen. Europäische Journalisten werden übrigens eigens für die Präsentation von Jobs neuem Rolli nach Berlin gekarrt, wo die Keynote am Brandenburger Tor live über den Teich gebeamt wird. Man kann den Klapprechnern von Apple halt keinen Lupf nach San Francisco zumuten, das derangiert sie so. Und das Büffet ist im Adlon sowieso besser, journalistisch gesehen.

Gleich am nächsten Tag erfreut uns die Bertelsmann-Stifung mit einer Veranstaltung für die Generation M zum Thema Suchmaschinen, deren jugendgefährende Wirkung ja nicht genug betont werden kann. Das Ganze findet schließlich in Nordrhein-Westfalen statt, wo die Benutzung der Blinden Kuh es in die Lehrpläne für den korrekten Unterricht geschafft hat. Kinder, die nach dem Aufruf von Google mit einer Verwarnung nach Hause geschickt werden, wissen jedenfalls frühzeitig, dass mit dem Internet in NRW nicht zu spaßen ist.

Ethel und Julius Rosenberg wurden hingerichtet, David Gelernter überlebte vor 10 Jahren am 24.6.1993 eine Briefbombe, die ihn hinrichten sollte, geschickt vom Unabomber Ted Kaczynski. Gelernter überlebte das Attentat und schrieb ein Buch, wie er den Unabomber überlebte, eine bittere, gnadenlose Abrechnung mit dem liberalen Amerika, den Intellektuellen, den Frauenrechtlerinnen, die nichts von der sanften Kritik am Desktop hatte, für die Gelernter sonst bekannt ist. Später, als das Manifest von Kaczynski die Öffentlichkeit erreichte, konnte man feststellen, dass beide Seiten in vielen Punkten übereinstimmten. Und heute erst, da der Aufsatz von Alston Chase in einem ausgearbeiteten Buch verfügbar ist, wird deutlich, was der Kalte Krieg noch angerichtet hat: Als Student war Kaczynski Teilnehmer an einem psychologischen CIA-Experiment, in dem die Persönlichkeit der jungen Leute systematisch gebrochen wurde, um Richtwerte zu sammeln, ab wann verkappte Spione ihre wahre Persönlichkeit zeigen. Später, als viele Kritiker verdächtigt wurden, der Unabomber zu sein, zeigte sich die Kehrseite der amerikanischen Werte.

Ob sich Eric Arthur Blair, der am kommenden Mittwoch hundert Jahre alt geworden wäre, solches hätte träume lassen, bei aller Vorstellungskraft, die er bewies? Auch seine anarchistischen Freunde wären nicht mehr gerne gesehen in einer Welt, in der Steve Jobs nur noch aus kulturhistorischen Gründen Apples Big-Brother-Video in Ehren hält. Nicht nur Anarchisten und aufständische Frauen in roten Hosen sind, so scheint's, mega-out. Nun, was soll's: Es ist Mittsommernacht, der Sommer beginnt. Das kleine Arschloch hat Angst vor'm Sackhüpfen, und Monsieur Hulot fährt wie seit 50 Jahren in die Ferien. Ach was. Eine geplatzte Aufführung macht noch kein abgesagtes Sommertheater. Genießen wir die Sonne, auch in der norddeutschen Tiefebene. (Hal Faber) / (jk)