3. Staffel zu Ende: Mit Star Trek Picard stirbt die Hoffnung auf gutes Star Trek

Am Ende hat "Star Trek: Picard" es nicht geschafft, das Franchise wiederzubeleben – eine sehr persönliche Rezension von Fabian A. Scherschel.

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Die Next-Generation-Crew vor dem nachgebauten Set der Enterprise-D-Brücke – irgendwie stimmt das alles vorne und hinten nicht

(Bild: CBS Studios, Amazon Prime Video)

Lesezeit: 19 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

Mit der zehnten und letzten Folge der dritten Staffel ist soeben die Star-Trek-Serie rund um alternden Sternenflotten-Admiral Jean-Luc Picard zu Ende gegangen. In seinen ersten beiden Staffeln war "Star Trek: Picard" keine gute Serie. Die dritte Staffel machte zu Beginn den Anschein, besser zu werden und gab Fans endlich das Klassentreffen der Next-Generation-Crew, welches sie sich von Anfang an gewĂĽnscht hatten. Ist "Star Trek: Picard" damit zum Ende hin dann doch noch auf Umwegen zu einer guten Star-Trek-Serie geworden? Das versuchen wir mit dieser ausfĂĽhrlichen Rezension zu beleuchten.

Hinweis: Dieser Text enthält ausführliche Spoiler zu allen drei Staffeln von "Star Trek: Picard".

Ich habe mich entschlossen, für diese Rezension den annähernd objektiven Blickwinkel aufzugeben, den wir sonst bei heise online für solche Artikel anstreben. Deswegen werde ich diesen Text auch in der ersten Person schreiben. Mir ist klar geworden, dass diese Rezension für mich äußerst emotional ist und ich diese Emotionen einfach nicht von meiner Betrachtung dieser Materie trennen kann. Ich schaue Star Trek, seit ich ein kleiner Junge war, der nach der Schule bei seiner Oma auf der Couch die Hausaufgaben machte. Wenn die fertig waren, durfte ich mit ihr "Star Trek: The Next Generation" gucken. Eine meiner ältesten und liebsten Fernseh-Erinnerungen ist an den Zweiteiler "The Best of Both Worlds" in Staffel 3 und 4 von TNG, der zu dieser Zeit noch im ZDF ausgestrahlt wurde. Das damals zu sehen, hat mein Leben maßgeblich beeinflusst. Seitdem liebe ich Star Trek und interessiere mich für Raumflug, Wissenschaft und Technik.

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Und eben weil mein Leben so dicht mit TNG, Deep Space Nine und Voyager verwoben ist – in den letzten 20 Jahren habe ich im Schnitt bestimmt zwei Star-Trek-Folgen pro Woche gesehen – trifft mich "Star Trek: Picard" so tief. Zuschauer mit einer anderen persönlichen Geschichte, und anderen Fernseh-Gewohnheiten in ihrer Jugend, werden wahrscheinlich eine ganz andere Reaktion auf diese letzte Staffel der Serie haben. Aus diesem Grund möchte ich auch, dass dieser Text meine sehr subjektive Einstellung zu diesem Thema deutlich zum Ausdruck bringt.

Ich muss mich an dieser Stelle auch bei allen Lesern entschuldigen, die wegen meiner Rezensionen angefangen haben, "Star Trek: Picard" zu schauen. Ich habe in dieser Hinsicht viele Zuschriften von Lesern bekommen, die mit den ersten beiden Staffeln der Serie auch nichts anfangen konnten, aber wegen meiner positiven Artikel zum Anfang der dritten Staffel der Serie noch einmal eine Chance gegeben haben. Ich kann mir vorstellen, dass das Ende der Staffel (und der Serie) diesen Lesern genauso viele Schmerzen bereitet hat wie mir. Es tut mir aufrichtig leid, wenn jemand wegen mir diese Serie geschaut hat.

Bevor ich auf die Details der letzten fünf Folgen von "Star Trek: Picard" zu sprechen komme, möchte ich noch einmal Revue passieren lassen, was uns zu diesem Punkt in der Star-Trek-Geschichte geführt hat. Um Patrick Stewart an Bord zu holen, mussten ihm die Macher der Serie versprechen, dass "Star Trek: Picard" keine klassische Trek-Serie wird, die an Bord eines Sternenflottenschiffes spielt. Da hatte der legendäre Theater-Schauspieler, der auch nach Star Trek immer wieder in London und Stratford in Hauptrollen bei Shakespeare-Stücken auf der Bühne stand, einfach kein Interesse dran. Trotzdem muss den Serienmachern von Anfang an klar gewesen sein, dass genau das es aber war, was die Fans auf der ganzen Welt von "Star Trek: Picard" erwarteten: eine Reunion der alten Crew. Eine Alternative zu den Action-Filmen der TNG-Ära, die mehr den Fernseh-Abenteuern glich, die sie seit den '90ern vermissten. Da aber Jean-Luc Picard ohne Stewart nicht machbar ist, musste man den Wünschen des Sir Patrick Stewart nachkommen und "Star Trek: Picard" wurde zu etwas sehr anderem, als die Fans dies erwartet, und erhofft, hatten.

Die erste Staffel von "Picard" war nicht gut. Wir sahen einen stark gealterten Winzer im Weltraum, der in einer Umgebung agierte, die so gut wie nichts mit dem gemeinsam hatte, was wir noch knapp 20 Jahre zuvor in "Star Trek: Nemesis" im Kino gesehen hatten. Es wirkte ein bisschen so, als hätte man Picard und Seven of Nine in eine andere Serie gebeamt, die überhaupt nichts mit Star Trek gemeinsam hat. Diese Serie war voller vergessenswerter Figuren wie dem schwertschwingenden Romulaner-Elfen Elnor, der durchgeknallten Wissenschaftlerin Agnes Jurati, der drogensüchtigen Sternenflotten-Versagerin Raffi Musiker und einer ganzen Reihe von merkwürdigen Androiden. Santiago Cabrera spielte mit Captain Rios und seinen Hologrammen die einzige Figur neben Picard und Seven, die überhaupt irgendwie interessant war, ohne einem gleichzeitig einen kalten Schauer des Unbehagens den Rücken runterzujagen.

Die Geschichte, die in der ersten Staffel erzählt wurde, war ganz in Ordnung, aber auch nicht bahnbrechend. Vor allem wirkte der Stoff sehr gestreckt, anscheinend um irgendwie zehn Folgen zu füllen. Trotzdem hatte ich am Ende Hoffnung. Man konnte sehen, dass Stewarts Ideen die anderen Produzenten dazu verleitet hatten, eine Serie zu bauen, die sich mit ihrer Abkehr von fast allem, was bis dahin Star Trek war, keinen Gefallen tat. Aber es war besser als "Discovery" und ich sah Potenzial, hier in der zweiten Staffel doch noch die Kurve zu kriegen.

Die zweite Staffel nahm diese Kurve nicht; hier verloren die Macher der Serie komplett die Kontrolle über ihre kreativen Triebe. Die zweite Staffel von "Star Trek: Picard" war eine Katastrophe. Ich habe nach der zweiten Folge aufgehört, weil mich niemand für eine Rezension bezahlt hat und ich mir diesen Driss nicht weiter geben wollte. Im Endeffekt habe ich mich dann als Vorbereitung für meine Rezension der ersten Folgen der dritten Staffel da durchgezwungen. Und ich musste mich wirklich zwingen. In der zweiten Staffel reisen Picard, Seven, Raffi und Rios zurück in das L.A. im Jahre 2024 und schlagen sich mit der Einwanderungsbehörde ICE und dem Klimawandel herum. Und Jurati wird zur Borg-Queen und tanzt und singt auf einer Galaveranstaltung. Diesen Teil der Handlung habe ich bis heute nicht verstanden. Auch die Idee, dass die Föderation in der Zukunft – natürlich irgendwie wegen Trump-Amerika – zu einem faschistischen Horror-Imperium wird und Q das zur Realität werden lässt, in dem er Picards Vorfahre Renée davon abhält, zu einer Weltraummission aufzubrechen, habe ich nie nachvollziehen können.

Die Verantwortlichen der Serie haben hier komplett vergessen, was der Sinn von gutem Science-Fiction in Star-Trek-Manier ist: Es werden aktuelle Probleme aus unserer Welt angesprochen, in dem man sie in die Zukunft überträgt und allegorisch betrachtet. Und dann wird über die verschiedenen Seiten des Problems diskutiert. So werden Zuschauer auf beiden Seiten der Diskussion zum Nachdenken gebracht. Wenn man die Figuren der Serie einfach direkt in das Problem in unserer Zeit hineinversetzt, funktioniert das nicht. Und niemand wird zum Nachdenken gebracht, wenn die Figuren dann, anstatt das Für und Wider eines Problems zu diskutieren, dem Zuschauer von oben herab sagen, was er oder sie zu denken hat. Sowieso will niemand auf Figuren hören, die moralische Reden schwingen, aber dann bei jeder Gelegenheit kopflos durch die Gegend rennen, einander anschnauzen und wild um sich schießen. Weniger Star Trek als die zweite Staffel "Picard" kann eine Star-Trek-Serie kaum sein.

Dazu kommen dumme Dialoge und Figuren, die plötzlich überhaupt nichts mehr mit denen zu tun haben, die wir vor zwanzig Jahren über den Bildschirm haben laufen sehen. Der Picard aus der zweiten Staffel hat rein gar nichts mit dem Picard aus TNG gemeinsam. Er ist ein grundlos emotionaler, weinerlicher alter Mann, der Blödsinn von sich gibt und alle Prinzipien aufgegeben hat, die ihn damals zu etwas Besonderem machten. Der Plot der Staffel ergibt ebenso wenig Sinn, wie diese Charakter-Demontage der Hauptfigur. Sowohl die größeren Zusammenhänge als auch Szenen im Einzelnen. Besonders blieb mir in Erinnerung, wie Seven und Raffi auf einem offenen Feld durch ein Kreuzfeuer von borgifizierten Soldaten einer Spezialeinheit rennen, die angeblich unglaublich gefährlich sind, es aber in der ganzen Folge nicht schaffen, auch nur eine Person zu treffen, auf die sie schießen. Warum die ganze Staffel behauptet wird, der Grund für die Reise in die Vergangenheit sei, die Zeitlinie nicht zu zerstören, dann aber am Ende alle damit einverstanden sind, wenn Rios zurückbleibt – und zu allem Überfluss seine gemeinnützige Organisation auch noch nach dem Schmetterlingseffekt benennt und damit der Erhaltung der Zeitlinie einen finalen Stinkefinger zeigt – kann ich mir bis heute nicht erklären. Als ich mit diesen zehn Folgen durch war, wollte ich mich erst mal übergeben. Und dann die ganze Staffel einfach so schnell wie möglich vergessen.