3. Staffel zu Ende: Mit Star Trek Picard stirbt die Hoffnung auf gutes Star Trek
Seite 2: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Kommen wir also zur dritten Staffel. Ich hätte es nach den ersten beiden Versuchen eigentlich besser wissen sollen. Aber zu Beginn der Serie hatte ich tatsächlich noch einmal die Hoffnung, dass jetzt alles gut werden würde. Und bis zur Mitte der Serie sah auch alles ganz ordentlich aus. Die Produzenten hatten sich anscheinend endlich entschlossen, den Fans das zu geben, was sie seit Jahren lauthals fordern: Star Trek, das dem alten Star Trek der TNG-Ära wenigstens ein bisschen ähnlich ist. Zur Mitte der Staffel kommt die TNG-Crew endlich wieder zusammen. Die ersten fünf Folgen sind quasi ein guter alter Trek-Film in "Wrath of Khan"-Manier, aufgeteilt auf fünf Folgen einer Fernsehserie. Die Figuren reden wieder wie die Figuren, die wir in TNG kennengelernt haben. Sogar Patrick Stewart verhält sich endlich wieder wie der Picard, den wir kennen – und lieben. Klar, die Serie war immer noch viel zu dunkel gefilmt, es gab blöde Fehler in den Seriennummern der Schiffe und bei den Uniformen und eine Menge Kontinuitätsfehler zum alten Trek, aber im Großen und Ganzen waren wir auf dem richtigen Weg. Das alles hätte so schön werden können! Wir hätten die ersten beiden Staffeln einfach aus unserem Gedächtnis gelöscht und gehofft, dass auch in der Ära von Alex Kurtzman als Star-Trek-Chef wieder vernünftiges Trek möglich ist.
Tja, denkste. Denn auch diese Staffel "Picard" verlor prompt ab der Mitte den Faden. Jack Crusher als neuer Michael-Burnham-Messiah, Bösewichte, die mit Superwaffen Rache an der Föderation nehmen wollten und die Borg – natürlich wieder einmal die verdammten Borg – betraten plump die Bühne. Und plötzlich zerfiel die Serie in ihre Einzelteile. In einer der Folgen wird fast 60 Minuten lang einfach nur die rote Tür in Jack's Kopf geteasert und am Ende erfahren wir immer noch nicht, was sich dahinter verbirgt. Sonst passiert in dieser Folge so gut wie nichts. Und als wir dann in der nächsten Folge erfahren, was hinter der Tür ist, ist der Reveal einfach nur eine herbe Enttäuschung. Natürlich sind es die Borg. Ab dem Zeitpunkt ergibt in der Serie einfach nichts mehr Sinn. Picards tödliche Krankheit waren in Wirklichkeit Borg-Gene? Welche beim Beamen, wo der Computer den Körper buchstäblich auf molekularer Ebene scannt, über Jahrzehnte nicht entdeckt wurden? Aber dann haben die Formwandler diese Gene in den Transporter eingebaut und jetzt sind alle Sternenflotten-Offiziere Borg? Aber nur die jungen, weil bei alten Menschen funktioniert das nicht? Die neue Superwaffe der Föderation ist, dass Schiffe jetzt in Formation fliegen? ...soll ich weiter machen? Nichts in diesem Plot macht irgendeinen Sinn!
Die RĂĽckkehr der Enterprise-D
Einige Fans scheinen davon begeistert zu sein, dass die Produzenten über diesen gequirlten Bockmist eines Drehbuchs hinwegtäuschen wollten, in dem sie als ultimativen Fan-Service die TNG-Crew auf der Brücke der Enterprise-D wieder vereinten. Aber für mich war dieser ultimative Blödsinn der letzte Sargnagel in meiner Hoffnung für vernünftiges Star Trek unter Kurtzman. Mal ganz abgesehen davon, dass es absoluter Quatsch ist, dass Geordi alleine ein solch riesiges Schiff restauriert hat – wenn laut TNG tausende Spezialisten nötig waren, um das Schiff zu bauen – ist es einfach beleidigend für TNG-Fans die Enterprise-D auszugraben. Die Enterprise-D war die zentrale Figur von "The Next Generation" und sie im Film "Generations" zu zerstören, war konsequent: Das symbolisierte das Ende der klassischen TNG-Mission und einen Wechsel in die Action-lastigere Welt der Trek-Filme.
Für Harcore-TNG-Fans wie mich ist die Enterprise-D etwas ganz Besonderes. Sie ist das schönste Sternenflottenschiff, das je gebaut wurde und ich empfinde Nostalgie, wenn ich das Schiff nur sehe. Während ich diese Rezension schreibe, habe ich auf meinem zweiten Monitor das Master Systems Display der NCC-1701-D als Bildschirmhintergrund. Mit der Enterprise-D sind so viele Erinnerungen verbunden. Das Brücken-Set nachzubauen und sie zurückzuholen, habe ich etwa so empfunden, als ob jemand den Leichnam eines geliebten Verwandten ausbuddelt, ihm Schnüre an die Gliedmaßen bindet und dann so tut, als wäre er noch am Leben. Das ist "Weekend at Bernie's" mit Raumschiffen. Niemand will so etwas. Lasst die alte Dame einfach in Frieden ruhen!
Interessanterweise haben die Produzenten es auch nicht geschafft, ihr aufwendig nachgebautes Brücken-Set richtig in Szene zu setzen. Ein Zusammenspiel aus falscher Beleuchtung und modernen Kamerawinkeln lässt das Set wie eine Spielzeugversion der TNG-Brücke wirken. Die Schauspieler wirken zu groß für das Set, das in den Original-Maßen des alten TNG-Sets nachgebaut wurde. Das haben wohl auch die Produzenten gemerkt und lassen Riker einen Kommentar dazu abgeben, dass er die Brücke größer in Erinnerung hatte. Vielleicht hätte man nach all der Mühe einfach auch Beleuchtung und Kamerawinkel aus den '90ern nachstellen sollen?
Memberberries statt einer vernĂĽnftigen Geschichte
Die Rückkehr der alten Crew und des alten Schiffes verdeutlicht am Ende der Serie immerhin eindrücklich, was hier passiert ist: Nach zwei Staffeln haben die Produzenten endlich erkannt, dass die Fans ihr neues Trek nicht mögen. Sie sind aber nicht dazu in der Lage, Star Trek wie früher zu produzieren. Warum auch immer. Die Dialoge sind Murks, die Sets sind fancy, aber zu schlecht beleuchtet und gute Geschichten kann eh keiner mehr schreiben, wie es scheint.
Also versuchen die Produzenten, irgendwie, auf Biegen und Brechen Nostalgie bei den Fans aufkommen zu lassen. Bei South Park gibt es die Memberberries, eine sprechende Frucht, die sich an bekannte Ereignisse der Popkultur erinnert und diese ununterbrochen aufzählt, um beim Zuschauer Nostalgie auszulösen. Es scheint so, als ob Memberberries das einzige sind, was Star-Trek-Produzenten noch haben, um ihr Franchise zu retten. Da sie nichts gutes Neues mehr hinbekommen, müssen sie nun andauernd die Nostalgie der Fans bedienen, um von der Unzulänglichkeit der neuen Geschichten abzulenken.
So ende Picard dann auch mit ganz schlechten Ideen, wie eine Enterprise, die in bester Star-Wars-Manier in einen Borg-Würfel fliegt und den typischen Discovery-mäßig übertriebenen Riesen-Weltraumschlachten. Als finalem Rufmord an der Figur des Jean-Luc Picard wird ihm nun angedichtet, dass eine Familie das war, was ihm sein ganzes Leben lang gefehlt hat. Picard war mir vor allem deswegen als Figur immer so sympathisch, weil er oft offen gesagt hat, dass er keine Kinder mag und damit eine im Fernsehen sehr seltene Abkehr vom typischen Familien-zentrischen Lebenswandel der meisten Fernseh-Helden darstellte.
Um diesen hanebüchenen Blödsinn zu überdecken, wird dann auch am Schluss alles an Memberberries hervorgekramt, was geht. Picard rezitiert Shakespeare, sogar das legendäre Pokerspiel am Ende von TNG wird nachgestellt und auch Q ist plötzlich wieder am Leben. Sogar die Titan heißt dann plötzlich Enterprise, obwohl auch das wieder komplett unsinnig ist. Hauptsache, man kann den Namen Enterprise irgendwo draufpinseln.