Geopolymer statt Zement: Neues Rezept für CO₂-freien Mörtel zum 3D-Druck

Ein neuer Mörtel für den 3D-Druck von Gebäuden verursacht bei der Herstellung nahezu keine Treibhausgase. Robuster und preiswerter soll er obendrein sein.

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(Bild: Cybe Construction)

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Die Herstellung von Beton verursacht rund acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. 3D-Druck von Gebäuden verspricht – zumindest theoretisch – eine Besserung: Da die Wände und Decken belastungsgerechter konstruiert werden können, brauchen sie weniger Material.

Allerdings gibt es auch einen gegenläufigen Effekt: Da der Mörtel beim 3D-Druck sehr schnell fest werden muss, braucht er einen höheren Anteil an zügig aushärtendem Zement – und der ist besonders klimaschädlich. Unter dem Strich verursacht 3D-gedruckter Beton deshalb oft mehr Treibhausgase als konventioneller.

"Die Kritiker des 3D-Drucks haben aktuell noch recht", sagt Thorsten Stengel, Professor für Baustoffe, Bauchemie an der Hochschule München. "Die Forschung geht aber definitiv in die Richtung, weniger Bindemittel zu nutzen."

Ein Beispiel dafür ist das texanische Start-up Hive3D. Es hat mit seinen Partnern Eco Material und Green Cement einen CO2-armen Mörtel für den 3D-Druck vorgestellt. Er soll den CO2-Fußabdruck um 93 Prozent gegenüber herkömmlichem Mörtel reduzieren – und gleichzeitig preiswerter und robuster sein.

Das besondere an dem Mörtel: Als Bindemittel kommt kein kalkbasierter "Portland"-Zement zum Einsatz, der bei seiner Erzeugung besonders viel CO2 freisetzt, sondern ein sogenanntes "Geopolymer" namens Puzzolan. Dies ist eine Mischung verschiedener, überwiegend siliziumbasierter Mineralien. Es ist nach dem Ort Pozzuoli in der Nähe von Neapel benannt. Schon die alten Römer gewannen Puzzolan aus der dortigen Vulkanasche und mischten es ihrem "Opus caementicium" bei. Damit schufen sie Gebäude wie das Pantheon, die Jahrtausende überstehen.

Auch heute noch ist Puzzolan ein weitverbreiteter Zuschlagstoff zu Zement. Er wird meist allerdings nicht mehr aus vulkanischen Ablagerungen gewonnen, sondern aus der Flugasche von Kohlekraftwerken oder aus Hüttensand von Stahlwerken. In Europa besteht im Schnitt rund die Hälfte des Zements aus solchen klimaneutralen Reststoffen. Nur bei besonders hohen Anforderungen – etwa beim 3D-Druck – kommen höhere Anteile von Portland-Zement zum Einsatz.

Doch komplett ersetzen lässt sich der Portland-Zement in der Regel nicht. "Wenn sie Puzzolan-Pulver mit Wasser vermischen, passiert erst einmal nichts", sagt Thorsten Stengel. "Damit es reagiert, braucht es einen Aktivator – etwa in Form einer starken Lauge." Genau diese liefert Portland-Zement: Wird er mit Wasser vermischt, setzt er das stark alkalische Kalziumhydroxid (Ca(OH)2) frei. Nun erst können sich die Mineralien im Puzzolan vernetzen.

Hive3D und seine Partner melden nun aber, Mörtel für den 3D-Druck zu hundert Prozent aus Puzzolanen entwickelt zu haben – völlig ohne Portland-Zement. Wie ist das möglich?

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"Das Basis-Material wurde ursprünglich von unserem Partner zur schnellen Reparatur von Straßen entwickelt", antwortet das Start-up auf Anfrage. "Aber wir haben es ausgiebig modifiziert, um daraus einen 3D-druckbaren Mörtel zu machen."

Eine entscheidende Stellschraube dazu ist offenbar die richtige Vorbehandlung der Flugasche. "Wir nutzen einen einzigartigen und innovativen Prozess, der die reaktive Oberfläche der Partikel vergrößert und ihre Größenverteilung optimiert", schreibt Eco Material auf seiner Homepage (in diesem Fall allerdings noch bezogen auf eine Zement-Sorte, die nur zu bis zu 60 Prozent aus Flugasche besteht). Und Hive3D teilt per E-Mail mit: "Wir können die meisten Arten von Flugasche nutzen, aber sie brauchen die richtigen Partikel-Eigenschaften, damit ihre zement-artigen Eigenschaften herauskommen." Mit allen Flugaschen funktioniere das nicht, mit den meisten aber schon.

Eine weitere Stellschraube sind die Additive. Nachdem die Flugasche verarbeitet und mit Additiven versehen worden ist, könne sie "nur mit Wasser" aktiviert werden, erklärt Hive3D. "Die Additive enthalten die notwendigen Chemikalien, um es hyper reaktiv zu machen. Es hat eine Abbindezeit von 45 Sekunden." Thomas Bier, Professor für Bauchemie an der Bergakademie Freiberg, kommentiert: "Das ist interessant, da eine meiner Doktorandinnen gerade eine Arbeit abgegeben hat, in der auch die Additive im Pulver förmigen Zustand zugemischt werden, sodass hinterher nur noch Wasser dazu kommen muss."

Damit aus dem Geopolymer druckbarer Mörtel entsteht, muss noch Sand zugesetzt werden. Auch dabei ist Hive3D wenig wählerisch. "Wir können jede Art von trockenem Sand verwenden", schreibt das Start-up. In Texas hat Hive3D mit dem neuen Geopolymer-Zement bereits einige 40 bis 80 Quadratmeter große Häuser gedruckt.

Weitere Vorteile des Geopolymers: Fertig ausgehärtet sei der Mörtel dichter, weniger rissanfällig und entsprechend robuster, schreibt der Hersteller. Außerdem lasse er sich bei normaler Umgebungstemperatur produzieren und müsse nicht, wie Portland-Zement, bei hohen Temperaturen gebrannt werden. Das senkt den Energieverbrauch und die Kosten entsprechend. Insgesamt sei der Zement-Ersatz nur ein Drittel so teuer wie vergleichbare kommerzielle Lösungen.

"Das Konzept hört sich erst einmal nicht dumm an", meint Thomas Bier. Denn gerade die Eigenschaften, die Geopolymere beim herkömmlichen Betonbau eher ausbremsten, könnten beim 3D-Druck hilfreich sein: Eine eher dickflüssige Konsistenz und eine kurze Verarbeitungszeit führten oft dazu, dass sich der Geopolymer-Beton in einer Verschalung nicht gleichmäßig verteilt. Beim 3D-Druck ist beides aber erwünscht. Auch der hohe pH-Wert, der das Handling laut Bier "sehr unangenehm" macht, ist beim 3D-Druck nicht so ein großes Problem, weil Menschen weniger Kontakt mit dem Material bekommen.

Ein Problem aber bleibt: In dem Maße, in dem Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, sinkt auch das Angebot an Flugasche. Bei Hive3D ist man sich dessen bewusst: "Unsere Partner können alte Flugasche auch aus Halden ernten, da wird der Nachschub auf lange Zeit nicht ausgehen. Zudem experimentieren wir auch mit Vulkanasche, die reichlich zur Verfügung steht."

Update, 3.8.2023, 9:55 Uhr: Ergänzung bei den verwendeten Additiven.

(grh)