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AMD lässt seinen Drachen steigen

Den heute der Öffentlichkeit vorgestellten Quad-Core-Prozessor Phenom II X4 sieht AMD als Teil einer neuen Desktop-PC-Plattform namens Dragon.

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Logo der Dragon-Plattform

(Bild: AMD)

Einige Jahre nach Intel hat auch AMD das Konzept der "Plattformierung" für sich entdeckt. Mittlerweile gehört auch bei AMD fast jeder neue Chip zu irgendeiner "Platform", womit in Bezug auf PCs, Notebooks, Workstations und Server typischerweise jeweils Pakete aus Hauptprozessor und Chipsatz sowie – wo angebracht – auch einem Grafikprozessor gemeint sind. In dieser Plattform-Logik gehört der neue Phenom II zusammen mit einer Grafikkarte mit einer GPU der Baureihe Radeon HD 4800 auf ein Mainboard mit einem Chipsatz der Serie 700 (AMD 780G, 790GX, 790FX) – dieses Paket heißt bei AMD nun Dragon (Drache).

Dragon folgt der Ende 2007 eher schlecht als recht gestarteten Plattform Spider (Spinne), also dem Phenom der ersten (65-nm-)Generation im Verbund mit Radeon-HD-3800-Karte und ebenfalls AMD-700-Chipsätzen.

AMD hatte allerdings noch im Dezember 2007 geplant, den 45-nm-Phenom mit der Leo-Plattform bereits im zweiten Halbjahr 2008 einzuführen. In der ersten Jahreshälfte 2009 hätte dann als "Leo Refresh" eine neue Plattform für DDR3-SDRAM-Hauptspeicher kommen sollen, also die nach wie vor in diesem Zeitrahmen – zumindest Muster dürften in 8 Wochen auf der CeBIT 2009 zu sehen sein – geplanten Phenoms für AM3-Mainboards.

Für Leo (Löwe) waren 45-nm-Phenoms im AM2+-Gehäuse geplant – also wohl genau die beiden jetzt vorgestellten Prozessoren –, aber etwa auch ein Propus (ein Quad-Core ohne L3-Cache) für AM2+-Boards. Der Propus kommt nach Spekulationen nun aber ausschließlich als AM3-Version ungefähr im April, möglicherweise unter dem Namen Athlon X4. Mit diesen Veränderungen der Roadmap ist die ursprüngliche Leo-Plattform zerfallen. Deshalb ist der Löwe nun also offenbar zum Drachen mutiert, und statt Leo Refresh heißt die AM3-Plattform nur noch "Leo".

Wer das Dragon-Logo genau anschaut, sieht auch den Verweis auf Fusion – ganz nach dem neuen AMD-Marketing-Slogan "The Future is Fusion". Damit ist – anders als noch bis zum September 2008 – mittlerweile die "ausgewogene" Kombination von CPUs und GPUs aus dem Hause AMD gemeint ("Balanced Platform").

The Future is Fusion löst das frühere Motto "AMD – Smarter Choice" ab; dieses sollte auch darauf hinweisen, dass AMD – anders als insbesondere Intel – die freie Wahl der Plattform-Komponenten, also die Kombination der jeweils besten Bauteile, ermögliche. Die stammen nun aus AMD-Sicht eben von AMD selbst.

(Bild: AMD)

Die Fülle der Plattformen ist – genau wie übrigens bei Intel – bei AMD geradezu erschlagend, denn es ja gibt noch die Logos AMD LIVE!, AMD GAME! und AMD Business Class. In dieser Logik gehört die Dragon-Plattform sowohl zu GAME! als auch zu LIVE!.

Abgesehen davon, dass sie zumindest bisher reichlich verwirrend ist, funktioniert die Plattform-Strategie bei AMD auch offenbar noch nicht richtig. Eigentlich geht es bei einem angeblich exakt ab- und ausgewogenen Komplettpaket aus Sicht eines Verkäufers ja darum, zusätzliche Argumente für den Umstieg auf neue Hardware zu haben. In diesem Sinne müsste AMD aber wohl mehrere Plattform-Komponenten jeweils gleichzeitig wechseln, etwa zusammen mit neuen Prozessoren auch gleichzeitig neue Chipsätze oder Grafikchips herausbringen. Doch beim Übergang von Spider zu Dragon ändert sich eigentlich nur der Prozessor, denn sowohl Chipsätze als auch Grafikkarten gibt es schon länger. Beim Übergang von Dragon zu Leo ändern sich wiederum nur die Boards – AM3-Prozessoren sollen ja auch auf AM2+-Boards laufen, und einige Hersteller scheinen wiederum Boards mit AM3-Fassung, aber DDR2-DIMM-Slots fertigen zu wollen. Und als Nachfolger von Leo erwartet man im Herbst die neuen Chipsätze der Serie 800 – vielleicht immerhin zusammen mit neuen Grafikkarten.

Auch aus Sicht der Kunden bringen die "Plattformierungen" nach AMD-Art bisher keinen Zusatznutzen. Zum Glück lassen sich die einzelnen Komponenten nach wie vor recht frei kombinieren. (ciw)