Anga Com: Provider gegen Rechtsanspruch auf schnelles Internet
Um die Breitband-Versorgung zu verbessern, fordert die Branche beschleunigte Genehmigungsverfahren und Fördergelder.
Auf der Breitband-Messe Anga Com in Köln haben Provider Forderungen eine Absage erteilt, mit denen Politiker die Verfügbarkeit von Breitband-Anschlüssen insbesondere in ländlichen Gebieten verbessern wollten. Stattdessen fordern sie einen massiven Abbau von Investitionshindernissen wie langwierigen Genehmigungsverfahren.
"Nicht überall gleichzeitig baggern"
Im vergangenen Jahr hatte sich etwa Bundeskanzleramtschef Helge Braun für den Rechtsanspruch auf Breitband-Anschlüsse eingesetzt, sollte die Branche nicht bis 2025 flächendeckend Breitband-Anschlüsse bieten können. Doch obwohl die Anzahl der Gigabit-fähigen Anschlüsse insbesondere durch Aufrüstung bei Kabel-Anbietern massiv gestiegen ist, zeigten sich die Provider auf der Fachmesse wenig optimistisch, dass dieses Ziel tatsächlich erreicht werden könne.
So erteilte Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Fachverbands VATM, dem Vorhaben eine generelle Absage. So sei eine praktische Umsetzung kaum denkbar: "Dass die Bagger nicht überall gleichzeitig buddeln können, daran werden wir auch mit einem Recht auf schnelles Internet nichts ändern können." Zudem sei ein entsprechendes Individualrecht auch verfassungsrechtlich sehr schwer zu begründen.
Infrastrukturgesellschaft mit Staatsknete
Stattdessen plädierte Grützner für ein Gesamt-System, bei dem Bürgermeister eine verbindliche Aussage erhielten, wann in ihren Kommunen ausgebaut wird. Allerdings hatte Grützner auf der Anga Com zuvor in Frage gestellt, ob die Forderung nach einer hundertprozentigen Abdeckung wirklich sinnvoll sei. So hätten sich die Schweizer bei einer Abstimmung angesichts der Kosten gegen eine solche Lösung entschieden.
Auch die im Bundestag diskutierte Idee einer Infrastrukturgesellschaft für Mobilfunkmasten stieß in Köln auf wenig Gegenliebe. "Es kann nicht sein, dass der Staat baut und die Mobilfunkbetreiber dafür zahlen müssen", sagte Stephan Korehnke von Vodafone Deutschland. Unterstützung erhielt er von Telekom-Manager Marcus Isermann, der in Frage stellte, ob die vom Bund zur Verfügung stehenden Grundstücke überhaupt für die Errichtung von Mobilfunkmasten geeignet seien. Anfreunden könnten sich die Provider allenfalls mit einer Infrastrukturgesellschaft, bei der der Staat die Investitionen zuschießt und den Providern selbst überlassen bleibt, ob sie die Masten nutzen wollen.
Bremsklotz Genehmigungen
Ein großes Hindernis sind immer noch die langwierigen Genehmigungsverfahren. Isermann verwies dabei auf die Telekom-Tochter Deutsche Funkturm, die auf ihrer Website dokumentiert, woran es beim Ausbau einzelner Standorte hakt. Zudem kritisieren die Provider die mittlerweile auf über 6,2 Milliarden Euro angewachsenen Preise bei der staatlichen 5G-Auktion, die den Marktteilnehmern zu wenig Geld lasse, um das Netz anschließend schnell auszubauen.
Auch beim Ausbau der kabelgebundenen Netze sehen die Provider die gesetzlichen Vorgaben sowie mangelnde Kooperationsbereitschaft von Kommunen und Infrastrukturbetrieben als wesentliches Hindernis. "Unternehmen versuchen gar nicht mehr, über Bezirksgrenzen hinaus zu bauen", erläuterte etwa Andrea Huber Geschäftsführerin des Kabelnetzbetreiber-Verbands Anga. Hier wäre es beispielsweise eine Lösung, Genehmigungsverfahren zentral anzusiedeln, so dass sich Provider nur noch mit einer Behörde auseinandersetzen müssten.
Gutscheine für Breitband
Eine der Lieblings-Optionen der Branche zum Breitband-Ausbau sind Gutscheinlösungen, bei denen Nutzer oder Gemeinden eine staatliche Förderung abrufen können, mit denen diese Provider direkt bezahlen könnten. Wie Florian Braun, Digitalisierungs-Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen, auf der Anga Com erklärte, hat das Bundesland im aktuellen Haushalt für ein solches Voucher-Programm bereits eine Million Euro vorgesehen. Derzeit arbeite das Wirtschaftsministerium noch daran, das Programm mit den Europäischen Vorgaben für staatliche Förderung in Einklang zu bringen.
Wie sich in Köln zeigte, gibt es im Wesentlichen einen Konsens: Jedes Unternehmen möchte am liebsten seine schärfsten Konkurrenten reguliert wissen, für sich aber den größtmöglichen Spielraum haben. So räumen alle Teilnehmer ein, dass sie Glasfaser als einzige Option für den Breitband-Ausbau in Deutschland sehen. Wer selbst noch auf Kupfer angewiesen ist, möchte dies jedoch nicht in Gesetzen festgelegt sehen. So verwies etwa Vodafone darauf, dass die Kupfer-Koaxialkabel im Kabelnetz für die effektive Beschleunigung der Bandbreiten unverzichtbar seien.
Zusammenarbeit – nur wie?
Während alle Seiten forderten, dass die gesamte Branche an einem Strang ziehen müssten, stecken die Tücken im Detail. So warnte Verbandschef Grützner davor, dass die Telekom mit ihrem Abkommen mit dem Regionalprovider EWE einen Standard setze, der für andere Provider nicht akzeptabel sei. "Wir haben ein Dutzend Verträge im Markt, die viel einfacher sind als das, was die Telekom beim Bundeskartellamt eingereicht hat", sagte Grützner.
Zudem sei damit zu rechnen, dass die Telekom auch nach der Wende zum Glasfaser letztendlich wieder einen Marktanteil von über 60 Prozent zu erreichen sei. Zwar sei eine kleinteilige Regulierung wie beim Kupferkabel in Zukunft nicht mehr angemessen, doch die Telekom müsse sich an dem messen lassen, was im Markt üblich sei. Dazu sei es nötig, dass staatliche Regulierer weiterhin als Schiedsrichter eingreifen könnten. (vbr)