Beschwerdemanagement: Deutsche Justiz stellt Bußgeldverfahren gegen X ein

Das Bundesamt für Justiz leitete im April Bußgeldverfahren nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen Twitter (inzwischen X) ein. Nun macht es einen Rückzieher.

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Altes und neues Logo von Twitter (jetzt X)

(Bild: Shaheerrr/Shutterstock.com)

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Der nachlässige Umgang der Plattform X (vormals Twitter) mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wird Inhaber Elon Musk nicht mehr teuer zu stehen kommen. Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat insgesamt drei auf dieser Basis im April angestoßene Bußgeldverfahren gegen den Konzern eingestellt, berichtet das Portal T-Online. Die Bonner Behörde dürfe X, das seinen europäischen Hauptsitz in Irland hat, im Zusammenhang mit dem deutschen Plattformgesetz nicht verfolgen. Dies habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) im November mit seinem Urteil gegen das österreichische Pendant zum NetzDG – dem Kommunikationsplattformen-Gesetz – deutlich gemacht. Demnach verstoßen die einschlägigen Auflagen der Alpenrepublik gegen die E-Commerce-Richtlinie.

Im Frühjahr sah das BfJ noch "hinreichende Anhaltspunkte für Versäumnisse im Beschwerdemanagement" bei Twitter in Deutschland. Es gehe vor allem um den Umgang mit Eingaben von Nutzern über volksverhetzende, beleidigende oder bedrohende Äußerungen, wobei es sich um ein "systemisches Versagen" handeln könne. Twitter hätte damit eine Geldbuße von bis zu 5 Millionen Euro gedroht. Denn das NetzDG verpflichtet die erfassten Plattformbetreiber, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden von Usern über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Solche müssten bei offensichtlichen Rechtsverstößen binnen 24 Stunden gelöscht werden. Twitter ließ einschlägige Beiträge aber monatelang online.

Seit Ende August gilt für sehr große Plattformen wie X, Facebook, Instagram, YouTube und TikTok der Digital Services Act (DSA) mit EU-weiten Vorgaben im Kampf gegen rechtswidrige und schädliche Inhalte. Das NetzDG soll daher bald aufgehoben werden. Noch im Oktober betonte das Bundesjustizministerium (BMJ) aber gegenüber heise online, das BfJ werde die Verfahren gegen X auch nach Anwendbarkeit des DSA fortführen. Mit dem Verfolgen dieser Fälle trage die Behörde "weiterhin im Rahmen der geltenden Zuständigkeiten zur Bekämpfung von Hass im Internet bei". Denn der DSA bleibe bei einigen Straftaten hinter den Vorgaben aus dem NetzDG zurück.

Der EuGH hat inzwischen aber klargestellt, dass EU-Länder die Betreiber sozialer Netzwerke nicht ein zweites Mal regulieren dürfen, wenn diese ihren europäischen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat haben und so bereits einschlägigen EU-Gesetzen unterliegen. Dies betrifft konkret die österreichische Kommunikationsbehörde und damit das Gegenstück zum BfJ. Dieses ist nun zu dem Schluss gekommen, dass das Urteil auf Deutschland übertragbar ist. Es erstrecke sich aber nicht auf Unternehmen, die gar keinen Sitz in der EU haben. Das BfJ führe daher ebenfalls bereits eingeleitete Bußgeldverfahren gegen Telegram weiter. Es stellte gegen den offiziell in Dubai sitzenden Betreiber des Messaging-Dienstes zwei Bescheide in Höhe von insgesamt 5,125 Millionen Euro aus. Die Vorwürfe, die mittlerweile das Amtsgericht Bonn beschäftigen, lauten auch hier auf fehlendes effektives Beschwerdemanagement und zusätzlich auf die Nicht-Benennung eines Zustellungsbevollmächtigen. Dem Bericht zufolge laufen auch vier kleinere Bußgeldverfahren nach dem NetzDG etwa gegen das rechte US-Netzwerk Gab.com weiter.

(tiw)