DSA: EU-Kommission mit Kooperation der Plattformen vorerst zufrieden

Die großen Onlinedienste haben ihre Transparenzberichte abgegeben. Die EU-Kommission zeigt sich zufrieden – und hat neues Lernmaterial.

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Illustration der EU-Kommission zum DSA.

(Bild: EU-Kommission)

Lesezeit: 5 Min.

Nachdem Anfang dieser Woche auch die letzten noch anstehenden Transparenzberichte der besonders großen Betreiber von Onlinediensten bei der EU-Kommission eingegangen waren, signalisieren Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde für diese Unternehmen unter dem Digital Services Act (DSA) vorläufig etwas Zufriedenheit. Zugleich zeichnen sich die nächsten Probleme bereits ab.

Schon vor der Anwendbarkeit des DSA habe es intensive Gespräche zwischen der EU-Kommission und den Betreibern von Plattformen und Suchmaschinen gegeben. Diese hätten sich Mühe gegeben, den Anforderungen rechtzeitig zu entsprechen, heißt es von hochrangigen EU-Beamten. Das zeigten auch die Berichte der 19 besonders großen Anbieter, die die EU-Kommission im Frühjahr als solche identifiziert hatte. Diese müssen über die Pflichten, die alle Anbieter betreffen, auch hinausgehende Auflagen erfüllen – etwa sogenannte systemische Risiken identifizieren. Dazu gehören allerlei potenziell großflächige Gefahren, die eventuell durch Mechanismen der Plattformen wie etwa algorithmische Rankings verstärkt werden.

Vor allem in drei Bereichen hat die EU-Kommission in den ersten Wochen der DSA-Anwendung Prioritäten gesetzt: erstens im Bereich der Bekämpfung von Desinformation im Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas auf Israel und deren Folgen. Hier geht es zum einen um strafbare Inhalte, zu deren Entfernung Betreiber im Rahmen des DSA verpflichtet sind. Allerdings geht es darüber hinaus auch um die Frage, inwiefern die Plattformen juristisch weniger klaren Problemen begegnen und welche Mechanismen und wie viele Moderatoren sie in diesen Themenfeldern einsetzen. Dabei deutete sich bereits an, dass etwa die Verpflichtung, Moderatoren mit Amtssprachenkenntnis der EU vorzuhalten, zu kurz greifen könnte; Arabisch etwa ist in keinem Mitgliedstaat eine Amtssprache, auch wenn es von mehr EU-Bürgern gesprochen wird als etwa Maltesisch.

Der zweite Bereich sind die DSA-Regelungen zu einem besseren Schutz von Minderjährigen. Hier mussten Plattformen wie etwa TikTok, die bislang keiner spezifischen EU-weiten Regulierung unterlagen, deutlich nachlegen. EU-Beamte zeigen sich derzeit grundsätzlich zufrieden damit, dass die Plattform etwa das Alter von Nutzern prüfe. Unter dem DSA darf keine gezielte Werbung an Minderjährige mehr ausgespielt werden, deren Daten dürfen nicht für Werbezwecke gesammelt werden. Die Kommission hatte in diesen beiden Kontexten Betreiber von Plattformen detaillierte Informationen zu ihrem jeweiligen Vorgehen abverlangt, die rechtlich dazu verpflichtet sind. Politisch wurde dieses Vorgehen zudem von Schreiben des zuständigen EU-Kommissars Thierry Breton begleitet.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt war, Einflussnahme auf Wahlen zu verhindern, heißt es aus Kommissionskreisen. Seit Inkrafttreten des DSA wurde in der Slowakei, in Polen und in Luxemburg gewählt, in den Niederlanden steht am 20. November eine Parlamentswahl an. Portugal und Belgien wählen im kommenden Jahr ihr Parlament. Die Wahl in Belgien fällt dabei mit den Wahlen zum Europäischen Parlament am 9. Juni zusammen. Die EU-Kommission sucht laut Beamten sowohl mit nationalen Behörden als auch mit den Betreibern den Kontakt, um etwa zu prüfen, welche Schlüsse aus Vorgängen rund um die vergangenen Wahlen gezogen werden können und ob die Betreiber für etwaige Manipulationskampagnen bei kommenden Wahlen gut genug aufgestellt sind.

Die Transparenzberichte der Unternehmen nutzen die EU-Regulierungshüter nun als Lernmaterial, denn die von den Betreibern eingereichten Daten zeigen einige Problemfelder auf, beispielsweise die Daten zu automatisierten Moderationsmechanismen: So meldet TikTok etwa 94 Prozent Akkuratheit für seine Moderation – aber 6 Prozent sind bei den Contentmengen der Kurzvideoplattform immer noch eine gewaltige Größenordnung. LinkedIn etwa meldet eine noch geringere Trefferquote bei der automatisierten Inhaltebeurteilung.

Auch die Daten zu den menschlichen Inhaltemoderatoren, die die jeweilige Landessprache sprechen, fallen höchst unterschiedlich aus – je nach Betreiber und Sprache. Hier prüft die EU-Kommission, was sie aus den jetzt vorgelegten Berichten an Schlüssen ziehen kann. Sie will im Laufe des kommenden Jahres Vorschriften dazu erlassen, wie künftige Berichte genau auszusehen haben. Dabei wird sie wohl auch viele definitorische Fragen klären müssen, etwa, was Sprachkenntnis bei Moderatoren überhaupt genau meint oder was eine Anordnung staatlicher Stellen zum Entfernen von Inhalten meint. Hier fällt etwa eine sehr hohe Zahl auf, die Amazon berichtet hat.

Vorerst bleibt die DSA-Durchsetzung jedoch einbeinig, die Mitgliedstaaten müssen ihren Teil erst zum 17. Februar 2024 beisteuern. Bis dahin müssen sie Gesetze für die nationalen Anteile des DSA verabschiedet haben, mit denen etwa bestimmt wird, wer die Aufsicht über kleinere Anbieter übernimmt, die in dem jeweiligen Mitgliedsland ihren Hauptsitz haben. Diese Aufsichtsgremien, Digitale-Dienste-Koordinatoren genannt, sollen dann auch mit der EU-Kommission zusammenarbeiten und diese unterstützen. Gemeinsam mit den zuständigen Kommissionsstellen sitzen sie zudem in einem gemeinsamen Ausschuss, der unter anderem für Strafverfahren zuständig ist.

In Deutschland soll eine neu zu schaffende Stelle bei der Bundesnetzagentur die Federführung übernehmen, dabei allerdings mit einer Vielzahl anderer Behörden auf Bundes- und Länderebene zusammenarbeiten. Der Streit darüber, wie das Verhältnis der Behörden untereinander genau aussehen soll, blockiert die Verabschiedung des Digitale-Dienste-Gesetzes seit Wochen bereits innerhalb der Bundesregierung. Dass es rechtzeitig zum 17. Februar durch Kabinett, Bundestag und Bundesrat und anschließend in Kraft ist, gilt in Regierungskreisen bereits als ausgeschlossen.

(anw)