Das Arbeitszeugnis: Wahr und wohlwollend und wertlos

Seite 2: Keine Lust auf Rechtsstreitigkeiten

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Wer mit seinem Zeugnis nicht zufrieden ist, kann ein besseres einklagen. "Dann muss der Arbeitnehmer aber beweisen, dass er ein besseres verdient hat", sagt Dr. Sandra Flämig, Fachanwältin für Arbeitsrecht mit eigener Kanzlei in Stuttgart. Mit besseren Noten im Zwischenzeugnis oder mit guten Mitarbeiterbeurteilungen kann das gelingen. "Deshalb ist es immer ratsam, sich bei Änderungen im Arbeitsverhältnis ein Zwischenzeugnis geben zu lassen", sagt Flämig. Aus der Praxis weiß sie, dass Arbeitgeber keine Lust auf eine gerichtliche Auseinandersetzung wegen Streitfragen zum Arbeitszeugnis haben und deshalb bei Nichtgefallen lieber ein besseres schreiben, als sich einem juristischen Streit auszusetzen. Das wissen auch die anderen Arbeitgeber, was Arbeitszeugnisse abwertet.

Die Konsequenz ist, dass Personaler auf den Inhalt der Bewertung wenig geben, weil die Beurteilungen oft nicht der Wahrheit entsprechen. "Personaler schauen deshalb nach meiner Erfahrung meist nur darauf, ob das, was im Zeugnis steht, mit dem, was im Lebenslauf steht, übereinstimmt", sagt die Juristin. Im persönlichen Gespräch machen sie sich dann ein eigenes Bild von dem Kandidaten.

Empfehlungsschreiben wie in den USA üblich sind eine Alternative oder Ergänzung zum Arbeitszeugnis in Deutschland. Direkte Vorgesetzte oder wichtige Kooperationspartner schreiben die Empfehlungen, die einer Bewerbung beigelegt werden. Dr. Reinhard Scharff, Geschäftsführer der Personalberatung Die Stellenbesetzer in der Stuttgarter Niederlassung des Unternehmens sucht im Auftrag eines Kunden einen vertriebsorientierten Vicepresident für dessen Tochterunternehmen in der USA.

Den Bewerbungen der Kandidaten liegen typischerweise Empfehlungsschreiben bei. "Die sind oberflächlich und wohlwollend", sagt Scharff. Deshalb spricht er mit dem einen oder anderen Empfehlungsschreiber, nachdem der Bewerber eingewilligt hat. "Typisch amerikanisch wird das Negative konsequent ausgespart und man muss zwischen den Zeilen hören", sagt Scharff. Der eigentlich guten Sache mit Empfehlungen steht die Mentalität der Menschen in den USA entgegen. Bei Referenzen in Deutschland bestehe meist keine Scheu auf der Gegenseite, Dinge deutlich anzusprechen, sowohl schriftlich als auch mündlich.

Scharff dienen Empfehlungen zur Abrundung des Eindrucks aus dem Arbeitszeugnis, Hesse hält sie tendenziell für ehrlicher. Die Lösung des Problems Wahrheitsgehalt im Arbeitszeugnis sind sie sicher nicht.

(mho)