Der Umbau von Siemens geht weiter

Klaus Kleinfeld will den einstigen Mischkonzern Siemens weiter zu einem Anlagen- und Infrastrukturanbieter formen. Kritiker werfen ihm vor, ganz im Sinne der Kapitalmärkte würden Problembereiche nicht mehr mühselig saniert, sondern kurzfristig abgestoßen.

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Von
  • Axel Höpner
  • dpa

Der Siemens-Konzern gönnt sich auch in der Krise keine Atempause. Unbeeindruckt von der laufenden Schmiergeldaffäre und der Kritik nach der Pleite der früheren Handysparte BenQ Mobile baut Vorstandschef Klaus Kleinfeld Deutschlands größten Elektrokonzern in atemberaubendem Tempo nach seinen Vorstellungen um. Zur Hauptversammlung und Bilanzvorstellung am Donnerstag in München gab es zwei weitere spektakuläre Verkündungen: Der Autozulieferer VDO mit mehr als 50.000 Mitarbeitern wird an die Börse geschickt, in den USA wird für 3,5 Milliarden Dollar der Software-Hersteller UGS hinzugekauft. Während die Öffentlichkeit vor allem auf den gigantischen Schmiergeldskandal blickt, setzt Kleinfeld unverdrossen auf eine hochaktive Portfolio- Politik und konzentriert den Konzern auf so genannte Megatrends: "Wir tragen dazu bei, die Herausforderungen auf unserem Planeten zu bewältigen."

Der Traditionskonzern hat in den vergangenen Jahren schon viel mitgemacht. Nach der Trennung von Infineon wurde zuletzt die Schlagzahl weiter erhöht: In Bereichen wie Wasser, Medizintechnik oder Windenergie wurden milliardenschwere Zukäufe getätigt. Auf der anderen Seite trennte sich Kleinfeld komplett vom Handygeschäft, die Festnetzaktivitäten sollen in Kürze in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Nokia abgeschoben werden. Der einst größte Konzernbereich Com wird so komplett aufgelöst. Siemens sei "ein lebender Organismus", sagt Kleinfeld.

Doch die Management-Kapazitäten werden derzeit durch die Schmiergeldaffäre ohnehin schon belastet. Staatsanwaltschaft und interne Ermittler durchforsten den Konzern, um illegale Geschäfte aufzudecken und Löcher zu stopfen. Die Siemens-Führung ist aber überzeugt, dass der Konzern durch die Zu- und Verkäufe nicht überfordert wird. Im ersten Quartal sei der Gewinn trotz der vielen Baustellen deutlich gestiegen, sagt Finanzchef Joe Kaeser. "Sie können an der operativen Kraft sehen, dass wir in der Lage sind, viele Dinge gleichzeitig zu managen." Auch Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer – der Siemens VDO in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender zu einem der weltweit größten Autozulieferer geformt hatte – betonte, der VDO-Börsengang habe seine Zustimmung. "Sonst wäre es nicht gekommen."

So will Kleinfeld den einstigen Mischkonzern Siemens weiter zu einem Anlagen- und Infrastrukturanbieter formen. Kritiker werfen ihm vor, ganz im Sinne der Kapitalmärkte würden Problembereiche nicht mehr mühselig saniert, sondern kurzfristig abgestoßen. Sei irgendwo ein Wachstumsfeld in Sicht, werde eben zugekauft. "Manche Mitarbeiter empfinden die Politik von Herrn Kleinfeld als seelenlose Portfolio- Politik", sagte Wolfgang Meiler vom Verein der Belegschaftsaktionäre auf der Hauptversammlung.

Kleinfeld weist solche Kritik zurück. "Ich bin doch kein emotionsloser Aktienhändler", sagte er kürzlich. So versuchte der Vorstandsvorsitzende auf der Hauptversammlung denn auch angesichts der rasanten Veränderungen auch die Seele des Traditionsunternehmens zu treffen. Der prägende Einfluss des Gründers Werner von Siemens sei noch heute spürbar. Siemens sei ein "großartiges Unternehmen mit einer großen Geschichte und ebenso großen Zukunft".

Doch auch die Führung spürt, dass das hohe Tempo auf Dauer nicht haltbar ist. "Organisches Wachstum hat jetzt Priorität", sagte Finanzchef Kaeser. Die Übernahme der US-Softwarefirma werde wohl die größte Akquisition in diesem Jahr bleiben. (Axel Höpner, dpa) / (jk)