Die IETF feiert 20. Geburtstag

Die für das Internet und dessen Protokolle wichtigste Standardisierungsorganisation habe seit ihrem ersten Treffen am 16. Januar 1986 einen langen Weg zurückgelegt, meint der gegenwärtige IETF-Chef Brian Carpenter.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Engineering Task Force (IETF) hat Geburtstag. Heute vor 20 Jahren trafen sich in San Diego (Kalifornien) 21 Experten für TCP/IP, um dessen weitere Entwicklung zu koordinieren. Gefeiert werden soll der 20. Geburtstag der für das Internet und dessen Protokolle wichtigsten Standardisierungsorganisation "mit viel Stil" beim nächsten regulären Treffen der Entwicklergemeinde im März in Dallas Texas, schrieb heute der derzeitige IETF-Vorsitzende Brian Carpenter auf der Hauptmailingliste der Organisation.

Die IETF habe seit dem ersten Meeting einen langen Weg zurückgelegt, meinte Carpenter. Und das stimmt in vielerlei Hinsicht. Als erstes stechen die schieren Zahlen ins Auge: Statt eines kleinen Grüppchens von 21 Ingenieuren treffen sich heute – dreimal im Jahr – 1200 bis 1400 Internet-Experten, in den Hochzeiten des Dot.com-Booms waren es gar 3000. Damit einhergegangen ist so etwas wie eine "Säkularisierung" der aus dem Forschungsumfeld des US-Militärs entstandenen Organisation. Zunächst sollten nur Unternehmen zur IETF zugelassen werden, die Vertragsnehmer der US-Regierung (vor allem des US-Verteidigungsministeriums) waren. Erster Gastgeber war die Beratungsfirma Linkabit des späteren Qualcom-Chefs Jacobs. Der erste IETF-Vorsitzende, Mike Corrigan, musste schon nach kurzer Zeit wieder abdanken, weil er einen Posten im Verteidigungsministerium übernahm. Doch schon ab dem 4. IETF-Treffen konnten auch nicht vertraglich mit der US-Regierung verbundene Unternehmen teilnehmen.

1993 kam die IETF zum ersten Mal nach Europa, und zwar nach Amsterdam. Dort waren 50 Prozent der Teilnehmer aus den USA; diese Verteilung ist inzwischen konstant, auch bei Treffen in Nordamerika. Seit 2001 ist der IETF-Vorsitz in europäischer Hand – nach Corrigan, Gross, Paul Mockapetris und Fred Baker entschied das Nominierungskomitee sich für den Norweger Harald Tveit Alvestrand (der die große Reform-Debatte der IETF mit anstieß) und anschließend für den gegenwärtigen Chef, den Briten Brian Carpenter.

Begonnen in der Amtszeit von Alvestrand und fortgeführt unter Carpenter erfolgte ein beachtlicher Kraftakt, mit dem sich die IETF eine neue Struktur gab. Sie entzog ihre Administration einem von TCP/IP-Mitvater Bob Kahn kontrollierten Unternehmen und übergab die Rechte am eigenen Namen und an den Request for Comments (RFCs), den Standard- und Best-Practice-Dokumenten für die Internet-Protokolle, einer Treuhandgesellschaft. Die RFC-Rechte hatte bis dahin die 1992 zur Familie hinzugekommene Internet Society (ISOC) gehalten, die nach wie vor als ein Dach für die Entwicklerorganisation dient. Die ISOC greift der IETF auch angesichts der nicht eben einfachen Finanzlage finanziell kräftig unter die Arme. Angesichts gesunkener Einnahmen durch die einzige Einkommensquelle für die IETF, die Teilnehmerbeiträge von 550 Dollar pro Treffen, übernimmt die ISOC 1,45 Millionen vom 3,75 Millionen US-Dollar umfassenden IETF-Jahresbudget 2006.

Obwohl die Entwicklergemeinde keine eigene Rechtsform hat und sich lieber auf die eigentliche technische Arbeit in den Arbeitsgruppen (den Working Groups) konzentrieren will, fühlt sie sich doch an eine komplizierte organisatorische Hierarchie gebunden. Die Arbeitsgruppen werden von so genannten Bereichsdirektoren (Area Directors) beobachtet, die ihrerseits Mitglieder in der Internet Engineering Steering Group (IESG) sind. Über dem gesamten Prozess thront schließlich noch das Internet Architecture Board (IAB), das bei den zu standardisierenden Techniken das letzte Wort hat und auch als Schiedsstelle angerufen werden kann. Das IAB ist übrigens das älteste Kernstück der IETF, seine Gründung geht auf das 1979 ins Leben gerufene Internet Control and Configuration Board (ICCB) zurück, das 1983 in Internet Activities Board (IAB) umbenannt wurde und zunächst für die Standards zuständig war.

Die erklärten Mottos von "rough consensus and running code" und das zentrale Ziel der IETF, "dafür zu sorgen, dass das Internet besser funktioniert" (Alvestrand), klingt eigentlich einfach. Allerdings sieht sich auch die IETF mit der Ökonomisierung und Politisierung des Netzes mehr und mehr mit neuen Fragen konfrontiert – etwa, inwieweit sie patentierte Technologie standardisieren soll. Auch die Frage, ob die IETF sich an der Standardisierung der Überwachungsschnittstellen für die von ihr verabschiedeten Protokolle beteiligen soll, kommt immer wieder aufs Tapet. Bislang überlässt man dies allerdings noch weitgehend der Konkurrenz in anderen Standardisierungsorganisationen. Bis jetzt aber hat sich die IETF auch angesichts neu auftauchender Probleme, die bei der Gründung der IETF kaum vorauszusehen waren, nicht schlecht gehalten. (Monika Ermert) / (jk)