Disput um Österreichs Mobilfunksteuer

Anbieter, Politiker und Juristen diskutierten in Wien den Stand der Dinge bei der Umsetzung europäischen Telekommunikationsrechts.

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Österreich ist gerade dabei, seinen Status als Primus bei der Umsetzung des europäischen Telekommunikationsrechts gründlich zu ruinieren. Das Land ist zwar bei den Marktanalyseverfahren der fleißigste EU-Mitgliedsstaat nach Großbritannien. Doch die jüngst vom niederösterreichischen Landtag beschlossene Sendeanlagenabgabe ist für Anbieter und Investoren ein Anschlag auf Rechts- und Investitionssicherheit. In diesem Spannungsfeld fand am Freitag das 1. österreichisch-deutsche Regulierungssymposium in Wien statt. Zu der Veranstaltung hatte die auf Telemedienrecht spezialisierte Anwaltssozietät Piepenbrock Schuster geladen. Gemeinsam mit der gleichnamigen Consulting AG ist das Düsseldorfer Unternehmen seit Jahresbeginn auch in Österreich aktiv. Telekommunikationsanbieter, Juristen und Behördenvertreter aus Deutschland, Liechtenstein und Österreich waren der Einladung gefolgt. Auf dem Programm stand die Erörterung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei der Telekom-Regulierung und deren Auswirkungen.

Wolf-Dietrich Grussmann von der EU-Kommission berichtete von den Anstrengungen seiner Behörde, das Reformpaket EU-weit durchzusetzen. Vier EuGH-Urteile gegen Mitgliedsstaaten (Belgien und Luxemburg) wegen mangelhafter Umsetzungen seien bereits gefällt worden. 85 weitere Verfahren in verschiedenen Stadien seien gegen zehn Mitglieder anhängig, acht davon bereits beim Europäischen Gerichtshof. Österreich ist im Telekommunikationsbereich von zwei, Deutschland von drei Vertragsverletzungsverfahren betroffen. Bei der Notifizierung von Marktanalyseverfahren hat die EU-Kommission gegen beide Länder je einmal ein Veto eingelegt. Deutschland hat aber erst vier von 18 Teilmärkten notifiziert, Österreich bereits 16. Insofern hätten Österreichs Regierung und Regulierungsbehörde bei dem Symposium eine weitgehend positive Bilanz ziehen können – wäre da nicht die neue Landesabgabe.

"Vor einigen Tagen ging es durch die Medien; die Branche und auch wir haben es nicht vorher gewusst", sagte Alfred Stratil vom Verkehrsministerium über die unliebsame Überraschung. "Die Bundesregierung kann Einspruch erheben, wenn das Gesetz gegen Bundesinteressen verstößt. Und wir haben Grund zu Annahme, dass es das tut." Lizenzauflagen würden die Netzbetreiber zum Netzausbau zwingen, seit 1999 schreibe das Telekommunikationsgesetz zudem die gemeinsame Nutzung von Sendemasten vor. "Ob es zu einem Einspruch kommen wird, ist aus heutiger Sicht nicht zu sagen. Wenn Sie mich persönlich fragen, wird es dazu eher nicht kommen", sagte Stratil. "Was uns Sorge macht, ist die fatale Signalwirkung an internationale Investoren, dass so etwas über Nacht beschlossen werden kann." Auch Georg Serentschy, Chef der Regulierungsbehörde, äußerte sich kritisch: "Wir betrachten dieses Landesgesetz als verfassungswidrig." Seine Behörde arbeite an einem technischen und juristischen Gutachten. "Bei mir rufen Investoren an: 'Ist es normal, dass in Österreich über Nacht Gesetze beschlossen werden, die unsere Businesspläne durcheinander wirbeln?'"

Die neue Landesabgabe, die gleich bei sechs weiteren Bundesländern Begehrlichkeiten geweckt hat, dürfte den Erlös aus dem Verkauf des Mobilfunkers tele.ring um einen dreistelligen Millionenbetrag reduzieren. Am Freitag ging die Frist zur Abgabe einer verbindlicher Offerte zu Ende, zuletzt war von Geboten in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro die Rede gewesen. Auch die Pläne von 3, internationale Investoren für den Aufbau eines UMTS-Netzes außerhalb der Ballungszentren zu gewinnen, geraten durch die neue Steuerlast ins Wanken. Sollte das Gesetz wie beschlossen umgesetzt werden, dürften ab 2006 in allen Mobilfunknetzen Roaming-Zuschläge auf Telefonate in Niederösterreich erhoben werden. In dünn besiedelten Gebieten könnten die Netze überhaupt abgeschaltet werden. (Daniel AJ Sokolov) / (hos)