Ducati Panigale V2: Die Kleine soll es richten
Eine Ducati mit deutlich weniger Leistung als ihre Vorgängerin dürfte Fans schwer zu vermitteln sein. Grund dafür ist der zu hohe Preis des aktuellen Modells.
- Ingo Gach
Das hat es wohl noch nie gegeben: Eine Ducati mit signifikant weniger Leistung als ihre Vorgängerin. Ducati-Fans dürfte das schwer zu vermitteln sein – und doch geht die Marke aus Bologna genau den Weg bei ihrer neuen Panigale V2. Ducatisti müssen jetzt ganz stark sein, ihr geliebter 90-Grad-V2-Motor hat reichlich Leistung verloren: 35 PS weniger wird wohl die Schmerzgrenze mancher Fans der roten Marke aus Italien übersteigen. Noch dazu muss der neue Motor ohne Desmodromik auskommen, fast ein Sakrileg. Ducati beeilt sich, zu betonen, dass die neue Panigale V2 dafür auch 17 Kilogramm weniger wiegt als die Vorgängerin und eine variable Einlassventilsteuerung besitzt. Tatsächlich ist die Panigale V2 von Grund auf neu entwickelt und erfüllt jetzt die Abgasnorm Euro 5+.
Kleiner, leichter, elastischer
Der neue V2-Motor holt aus 890 cm3 Hubraum 120 PS bei 10.750/min. Damit ist er nicht nur um 65 cm3 kleiner, sondern leistet vor allem 35 PS weniger als in der bisherigen Panigale V2, bei gleichbleibender Nenndrehzahl. Das maximale Drehmoment sinkt von 104 Nm bei 9000/min auf 93 bei 8250. Ducati verzichtet auf die drehzahlfeste Desmodromik und lässt profane Federn die Ventile schließen. Das ist leichter, vor allem aber deutlich günstiger – sowohl in der Herstellung, als auch in der Wartung. Eine erstmals eingesetzte variable Einlassventilsteuerung bringt eine fülligere Leistungskurve, 70 Prozent des maximalen Drehmoments sollen bereits bei 3000/min zur Verfügung stehen. Die Chromstahlventile nutzen Natrium in ihren hohlen Schäften als Kühlmittel.
Ducati Panigale V2 (7 Bilder)
Ducati
)Obwohl der neue V2 weniger Hubraum hat, schrumpft zwar die Bohrung von 100 auf 96 mm, aber er bekommt mit 61,5 exakt 0,7 mm mehr Hub. Das klingt erstmal nach einer weniger radikalen Auslegung und sollte eine fleischige Drehmomentkurve begünstigen. Aufgrund der neuen geometrischen Verhältnisse und wohl auch anderer Maßnahmen wie etwa der gekühlten Auslassventile kann die Verdichtung von 12,5:1 auf 13,1:1 steigen, ohne motormordendes Klingeln zu provozieren.
Trockengewicht 179 kg
Gewicht sparen die Entwickler durch das kompaktere Motorgehäuse, einen verringerten Kühlmittelinhalt und einen Öl-Wasser-Wärmetauscher anstelle des bisherigen Öl-Luftkühlers. Das Gewicht des neuen Motors sank auf 54,4 kg, eine Ersparnis von 9,4 kg. Damit liegt der wassergekühlte V2 sogar sechs Kilogramm unter dem luftgekühlten 800er-V2 der Scrambler-Modelle. Das vom Hersteller angegebene Trockengewicht von 179 kg ist bemerkenswert, die teurer ausgestattete Panigale V2 S reduziert ihr Gewicht sogar auf 176 kg, unter anderem, weil sie als Einsitzer auf den hinteren Sitz samt seiner Fußrasten verzichtet.
Zur Gewichtsreduzierung der neuen Panigale trägt auch der Monocoque-Rahmen aus Aluminium bei, der den Motor als tragendes Element aufnimmt und vier Kilogramm einspart. Die Schwingenkonstruktion aus zwei durchlöcherten Armen ähnelt nun der an der Panigale V4 und dürfte leichter als die bisherige Einarm-Schwinge sein. Auch das Design der Vollverkleidung mit dem LED-Doppelscheinwerfer ist komplett neu gezeichnet, erstaunlich ist, dass Ducati auf Winglets verzichtet. Das Heck ist ebenso neu gestaltet Heck wie der Tank, der mit 15 zwei Liter weniger fasst als bisher.
Zwei Underseat-Endschalldämpfer
In Anbetracht der Bemühungen von Ducati, die Panigale V2 zu erleichtern, verwundern die beiden Underseat-Endschalldämpfer. Bei der Vorgängerin endete ein kurzer Auspufftopf kurz hinter dem Motor. Auch an der Fahrwerksgeometrie drehten die Entwickler einiges, so wuchs der Radstand von 1438 auf 1465 mm, wohingegen der Nachlauf von 99 auf 93 mm schrumpfte. Die Gabel von Marzocchi steht jetzt mit 66,4 um 0,4 Grad steiler. Das Federbein bezieht Ducati von KYB. An den Federwegen bleibt es vorne bei 120 mm, hinten federt die Panigale V2 nun auf 150 statt 130 mm Arbeitsweg, die Sitzhöhe bleibt mit 840 mm identisch. Die Panigale V2 S kann mit edleren Öhlins-Komponenten auftrumpfen. Beide Modelle bremsen vorn mit radial montierten M50-Bremssätteln von Brembo und 320-mm-Bremsscheiben.
Ducati Panigale V2 II (8 Bilder)
Ducati
)In Sachen Elektronik braucht sich die Panigale V2 nicht hinter ihrer großen Schwester Panigale V4 zu verstecken. Ein fünf statt bisher 4,3 Zoll großes TFT-Display bietet neben der Instrumentendarstellung eine Fülle an Einstellmöglichkeiten. Die Sechs-Achsen-Inertialplattform stammt von Bosch und ermöglicht Kurven-ABS mit einer Slide-by-brake-Funktion. Sie bietet vier die Fahrmodi Race, Sport, Road und Wet, wobei Letztere mit dem Power Mode Low verbunden ist und "nur" maximal 95 PS zulässt.
Im Assistenzbereich kommen eine mehrfach einstellbare Schlupfregelung, Wheelie- und Engine-Brake-Control sowie ein Quickshifter dazu. Die S-Version erhält zusätzlich serienmäßig eine Launch-Control, einen Pit-Limiter und eine leichte Lithium-Ionen-Batterie.
Schlechteres Leistungsgewicht
Die neue Panigale V2 wirkt sehr gelungen und doch werden viele Fans der Vorgängerin nachtrauern. Die Ducati Panigale V2 hat zweimal in Folge überlegen die Supersport-WM gewonnen, ob das auch der Nachfolgerin gelingen wird, bleibt abzuwarten. Ducati verkündet, dass ihr Testfahrer die Strecke in Vallelunga (Italien) auf der neuen Panigale V2 nur 0,2 Sekunden langsamer umrundet hätte als auf dem Vorgängermodell. Die Aussage lässt sich nicht überprüfen, aber die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Die bisherige Panigale V2 hatte ein Leistungsgewicht von 1,26 kg pro PS, die Neue verschlechtert den Wert auf 1,49 kg/PS. Ganz sicher ist der Modelljahrgang 2025 ein sehr sportliches und leichtes Bike, aber auf der Rennstrecke wird sie der alten Panigale V2 nicht das Wasser reichen können und 270 km/h Topspeed wird sie schon gar nicht erreichen.
Deutlich billiger
So sehr Ducati auch die Talente der neuen Panigale V2 lobt, den entscheidenden Grund für die Neuentwicklung (neben der Euro-5+-Norm) verschweigt die Marketingabteilung: Die Vorgängerin war zu teuer. Der Preis der bisherigen Panigale V2 mit dem 155-PS-Motor startete bei 20.690 Euro. Damit lag sie 5500 Euro unterhalb des Superbikes Panigale[ ]V4 (Test), das satte 216 PS aus 1103 cm3 bot. In dem Preissegment über 20.000 Euro wollen die meisten Käufer einfach nur das beste Material haben und legen dafür gerne noch ein paar Tausender drauf. Deshalb verkaufte sich die kleinere Panigale V2 nur schleppend.
Die neue Panigale V2 gibt es schon ab 16.390 Euro, ist also 4300 Euro billiger und somit ein überzeugendes Kaufargument, die Panigale V2 S wird ab 18.890 Euro angeboten. Wer keine Berührungsängste mit anderen Marken oder mehr Zylindern hat, findet in der Yamaha R9 übrigens eine abgesehen vom höheren Gewicht in ihren technischen Daten praktisch gleichwertige und mit rund 13.800 Euro deutlich günstigere Alternative. Ducati hält im Zubehör ein Racing-Paket für 5355 Euro bereit, das unter anderem Sport-Stummellenker, Öhlins-Lenkungsdämpfer, einstellbare Fußrastenanlage, einige Kohlefaser-Teile und einen Termignoni-Auspuff enthält, der die Leistung um 5,5 PS anheben soll. Beide Modelle kommen ausschließlich in der Farbe Rot und sind ab Ende Januar in den Handel.