ETech: Wikia als meinungsstarke Schwester der Wikipedia
Kontroverse Meinungen sind anders als bei Wikipedia bei Wikia ausdrücklich erwünscht, erklärte Gil Penchina, Chef der Wiki-Firma, die mit einer Reihe von kollektiv betreuten Online-Magazinen aus dem klassischen Wiki-Millieu ausbrechen will.
Wikias CEO Gil Penchina erklärte seinen Zuhörern auf der Emerging Technology Conference (ETech) in San Diego, dass seine Firma das ehrgeizige Ziel verfolge, zu einem der größten Medienunternehmen der Welt zu werden. Das vom Wikipedia-Übervater Jimmy Wales gegründete Unternehmen bietet seinen Nutzern die Möglichkeit, kostenlos Wikis zu jedem beliebigen Thema anzulegen.
Kontroverse Meinungen und persönliche Perspektiven sind dabei anders als bei Wikipedia ausdrücklich erwünscht. Penchina verglich die Beziehung zwischen Wikipedia und Wikia in diesem Zusammenhang mit einer Bücherei. "Wikipedia schafft eine Enzyklopädie", meine Penchina. "Unser Ziel ist es, den Rest der Bibliothek aufzubauen." Dieser Unterschied ist Penchina zufolge am einfachsten zu verstehen, wenn man sich einige thematische Beispiele auf beiden Webseiten anschaut. So bemühe sich der Wikipedia-Artikel über das Christentum um den für die Plattform typischen Neutralitätsanspruch. "Das Christentum-Wiki unserer Webseite begrüßt dich dagegen mit den Worten: Jesus liebt dich", erklärte Penchina. Editier-Kriegen gehe man dabei aus dem Weg, indem man Nutzern mit unterschiedlichen Weltanschauungen jeweils eigene Kategorien biete.
Wikia bemĂĽht sich zudem mit einer Reihe von kollektiv betreuten Online-Magazinen, aus dem klassischen Wiki-Millieu auszubrechen. So erwarb die Firma im Dezember das Sport-Magazin ArmchairGM . "Es ist lockerer und mehr Web 2.0 als Wikipedia oder der ursprĂĽngliche Wikia-Content", glaubt Penchina.
Das Untenehmen will sich langfristig mit Werbung finanzieren. Die Kosten für die Unterhaltung des Projekts seien dank des freien Mediawiki-Systems und der unentgeltlichen Mitarbeit von Tausenden von Nutzern minimal. Pläne, diese Nutzer an den Werbeeinnahmen zu beteiligen gebe es jedoch nicht. Ein Grund dafür sei, dass sich die Arbeit an einem Wiki schwer detailliert aufschlüsseln lasse. Doch Penchina führte auch grundsätzliche Bedenken gegen die Entlohnung seiner Nutzer an. "Wenn man Leute bezahlt, bekommt man deutlich schlechtere Inhalte", erklärte er dazu. "So etwas ist Gift für die Community."
Umgekehrt sei es gerade das Gemeinschaftsgefühl, das Nutzer kostenlos Inhalte zu einem kommerziellen Projekt beisteuern lasse. Wikias Software und Inhalte sind frei verfügbar. Wer wolle, könnte sich damit auch auf seinem eigenen Server ein Wiki anlegen und dort Anzeigen schalten. Die meisten Nutzer blieben jedoch wegen der Community bei Wikia. Schlagzeilen machte Wikia jüngst mit einem eigenen Suchmaschinen-Projekt. Die Firma setzt dazu wie bei ihren Wikis auf die Mitarbeit ihrer Nutzer, um Suchergebnisse zu verbessern. Penchina verglich dies mit dem Kampf gegen Spam. "Tausende von Computern arbeiten als Spam-Filter", kommentierte er. "Trotzdem bekomme ich jeden Tag Spam." Manchmal sei es einfach besser, auf die Qualität menschlicher Bewertungen zu setzen.
Zur sechsten Emerging Technologies Conference siehe auch:
- Mark Cuban im Copyright-Streitgespräch
- Grenzenlose Ressourcen mit Amazons Webservices
- Magie und Morddrohungen
- Website der ETech-Konferenz
Zur fĂĽnften Emerging Technologies Conference im vergangenen Jahr siehe auch:
- Die Flickrisierung Yahoos
- Der kollektive Wunschkalender
- Der Stand der Blogosphäre
- Das Clipboard fĂĽrs Web
- Universität New York entwickelt Multi-Touchscreen
- Eine Frage der Aufmerksamkeit
- Kultur des Mitmachens, Interview mit Bradley Horowitz auf Technology Review online
(Janko Röttgers) / (jk)