Edit Policy: Mit dem Bildungstarif in die digitale Zwei-Klassen-Gesellschaft

Seite 3: Drohende Gewöhnung an Zwei-Klassen-Internet

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Für viele Jugendliche, gerade aus sozial benachteiligten Haushalten, wäre der Telekom-Bildungstarif vermutlich ihr erster Datenvertrag. Weil der geplante Bildungstarif unter dem Namen der Telekom angeboten wird, auch wenn die Schulträger die Kosten für den Tarif bezahlen, bedeutet das Angebot für die Telekom vor allem Neukund*innenwerbung. Stattdessen hätte die Politik sich auch für einen Mobile Virtual Network Provider entscheiden können, bei dem der Bildungstarif nicht den Namen eines großen Anbieters trage und so für ihn Werbung machen würde.

Durch den geplanten Bildungstarif werden junge Menschen an die Telekom gebunden und gleich daran gewöhnt, dass es ein Zwei-Klassen-Internet gibt, bei dem eben nicht alle Online-Angebote unter den gleichen Voraussetzungen zu erreichen sind. Wenn die zukünftigen Kund*innen der Telekom immer weniger auf Netzneutralität bestehen, wird es auch leichter, die gesetzlichen Netzneutralitäts-Garantien wieder abzuwickeln, bis es für alle selbstverständlich ist, dass das Internet wie Kabelfernsehen funktioniert. Der Trend geht bereits in diese Richtung, da zahlreiche Mobilfunkanbieter mit Zero-Rating versuchen, die Netzneutralität zu untergraben. Dabei werden bestimmte Nutzungsarten, etwa Musik-Streaming, nicht auf das monatliche Datenvolumen angerechnet.

Andere EU-Länder zeigen dagegen, dass es wirtschaftlich durchaus möglich wäre, viel höhere Inklusivvolumen als die hierzulande üblichen 5 bis 10 GB zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. Zero Rating oder andere künstliche Beschränkungen des Datenverkehrs würden dadurch ohnehin überflüssig. Wenn die Politik also schon bereit ist, für die digitale Bildung bedürftiger Schüler*innen jeweils 10 Euro monatlich an die Telekom zu zahlen, dann sollte sie mindestens dafür sorgen, dass diese dafür einen vollwertigen Internetzugang bekommen. Ab 2022 wird Deutschland ohnehin durch EU-Recht verpflichtet sein, allen Menschen einen erschwinglichen Breitbandzugang zur Verfügung zu stellen. Auf dieses Ziel kann die Bundesregierung jetzt bereits hinarbeiten, anstatt durch schlecht durchdachte Hauruckaktionen die Netzneutralität zu gefährden.

Die Texte der Kolumne "Edit Policy" stehen unter der Lizenz CC BY 4.0.

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(mho)