Ein tieferer Einblick in die Infektions-Tests gegen das Coronavirus SARS-CoV-2

Seite 2: RNA-Viren

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Da mit dem PCR-Verfahren nur DNA vervielfältigt werden kann, ist für den Nachweis von Viren mit RNA-basiertem Erbgut (dazu gehört auch SARS-CoV-2) zuvor eine Umwandlung von RNA in die entsprechende DNA notwendig. Das wird durch ein Enzym namens Reverse Transkriptase (RT) bewerkstelligt. Das Verfahren, kurz RT-PCR genannt, ist sehr anspruchsvoll. Während nämlich DNA zäh ist wie "alte Stiefel" – so die Autoren einer älteren Studie über "Fallstricke bei der RT-PCR", ist RNA extrem empfindlich, sobald sie aus der Zellumgebung herausgeholt wurde.

Wird bei einer PCR bereits im laufenden Verfahren die Menge (Quantität) der gebildeten DNA in Echtzeit (Real Time) bestimmt, bezeichnet man das als qPCR (quantitative PCR). Zur Quantitätsmessung gibt es zahlreiche unterschiedliche Techniken, etwa mit fluoreszierenden Farbstoffen, wobei dann jede einzelne Probe angeregt wird. Da ist dann die Fluoreszenz proportional zur DNA-Menge. Geeignete Farbstoffe können auch spezifisch für bestimmte Targetgene sein, sogenannte Reporter. Dann liefert die Fluoreszenz auch gleich den Nachweis. Mehrere Reporter sind für die Differenzialdiagnose nützlich.

Bei einer RT-qPCR handelt es sich also um eine quantitative PCR mit vorgeschaltetem Reverse-Transkriptase-Schritt. Dumm nur, dass RT sowohl für "Real Time" als auch für "Reverse Transkriptase" stehen kann, was oft verwechselt wird. So verzichtet man mitunter auf die Akronyme und schreibt es lieber als „Real-time reverse-transcription polymerase chain reaction“ aus.

Nun gibt es für das SARS-CoV2-Virus allerdings nicht nur ein standardisiertes Testverfahren mit den gleichen Primern, sondern derer viele. Je nach Land werden verschiedene auf RT-PCR beruhende Tests verwendet, die von der für Virologie zuständigen Einrichtung entwickelt wurde. Man bezeichnet sie auch als „in house“-Tests, die häufig nur für die wissenschaftliche Forschung zugelassen sind (RUO) – aber danach fragt zu Recht jetzt keiner.

Die Tests unterscheiden sich zumeist in der Anzahl und Auswahl der nachzuweisenden Gene. Eine Übersicht der WHO listet z.B.:

SARS-CoV2-in-house -Tests verschiedener Länder
Land Deutschland USA China Hong Kong Japan Frankreich Thailand
Institution Charité CDC USA CDC China HKU Department of Virology III Institut Pasteur NIH Thailand
Zielgene RdRP, E, N ORF1ab, N ORF1ab, N ORF1b-nsp14, N Pancorona and multiple targets, Spike protein Two targets in RdRP N

Zuweilen führt so eine Eigenbrötelei auch zu Problemen, etwa in den USA, wo der eigene In-house-Test der CDC aufgrund fehlerhafter Reagenzien zunächst nicht funktionierte.

Bei dem in Deutschland vom Konsiliarlabor für Coronaviren der Charité in Zusammenarbeit mit dem Erasmus Medical Center in Rotterdam verwendeten In-house-Verfahren handelt es sich um eine RT-qPCR, welche zwei spezielle Gene (RdRp und E) von SARS-CoV-2 nachweist.

Die Primer-Sequenzen für das In-house-PCR-Verfahren werden zwar für alle Labors zur Verfügung gestellt, müssen aber üblicherweise von den Testlabors bei entsprechenden Anbietern bestellt werden. Da dies ein relativ umständliches Procedere ist, weicht man jetzt zunehmend auf die mittlerweile verfügbaren PCR-Test-Kits kommerzieller Anbieter aus, die oft komplette Kits anbieten, welche einfacher und schneller in der Handhabung sind (hier eine Liste von RT-PCR-Kit-Anbietern, oft mit RUO verziert, manche mit Zertifizierung, in Europa etwa CE-IVD).

Zwei wesentliche Kriterien für die Trefferquote solcher Tests sind (diagnostische) Sensitivität und Spezifität. Bei der Diagnose gibt es vier mögliche Ausgänge, die sich am übersichtlichsten in einer sogenannten Vierfeldertafel darstellen lassen:

Mögliche Testausgänge
Infiziert Nicht-Infiziert
Test positiv Positiv (P) Falsch positiv (FP)
Test negativ Falsch negativ (FN) Negativ (N)

Die diagnostische Sensitivität eines Testverfahrens beschreibt den Anteil der positiv Getesteten zu allen tatsächlich Infizierten:

Sensitivität = P / (P + FN)

Die diagnostische Spezifität eines Testverfahrens beschreibt den Anteil negativ Getesteten zu allen tatsächlich Nichtinfizierten:

Spezifität = N / (N + FP)

Dabei ist bei der Bewertung von Verfahren, die nur einzelne Bestandteile des genetischen Materials korrekt positiv nachweisen, zu bedenken, dass damit nicht zwangsläufig vermehrungsfähige Krankheits-Erreger, sondern lediglich Bruchstücke davon nachgewiesen werden. Es könnte sich ja dabei auch beispielsweise um unbedeutende Reste etwa nach einer bereits durchgemachten Infektion handeln oder um Bruchstücke, die bei der Entnahme, dem Transport oder im Labor irgendwie in die Probe gekommen sind. Trotz des eigentlich korrekten Labortests sind diese Ergebnisse dann als falsch-positiv einzustufen.

Problematischer als eine falsche Positiv-Meldung ist aber die falsch-negative Variante, etwa bedingt durch eine nicht ausreichende Erregermenge im entnommenen Probenmaterial, durch einen ungünstigen Entnahmezeitpunkt, ungünstigen Entnahmeort, ungeeignetes Probenmaterial, ungeeignetes Entnahmematerial, ungünstige Transportbedingungen oder durch Fehler bei der Verarbeitung. Dann glaubt der/die Untersuchte aufgrund des negativen Testergebnisses fälschlich, er/sie wäre nicht infiziert.

In China waren die anfänglichen Fehlerraten hoch, die Sensitivität für RT-PCR lag nur bei 71 Prozent. Nun hat man schon wesentlich mehr Erfahrung und bessere Kits. Geht man von korrekt abgestrichenem, sauberen Probenmaterial aus, sollte die heutzutage erreichbare Labor-Spezifität bei 99 Prozent liegen, bei einer Doppelprobe wären es dann schon theoretisch 99,99 Prozent.

Das bestätigen auch erfahrene Virologen. Nach Einschätzung des Direktors vom Institut für Virologie vom Universitätsklinikum Leipzig, Uwe Liebert, liegt die Sicherheit bei 99,9 Prozent; der Direktor des Instituts für Virologie der Technischen Universität Dresden, Alexander Dalpke, beziffert die Sensitivität auf mindestens 97 Prozent. Zum Vergleich, ein gerichtsverwertbarer Vaterschaftstest mit 20 Regionen (Loci) kommt auf 99,999 %.

Leider äußern sich die beiden Virologen nicht zu der Spezifität, die aber ebenfalls hoch in den 90ern liegen dürfte. In der aktuellen Lage ist zu erwarten, dass es auch in den Diagnostiklaboren zu Stresssituationen kommen wird, die Auswirkungen auf Auswertung und Testdurchführung haben können.

In den USA ist die Food and Drug Administration (FDA) für die Zulassung von medizinischen Tests zuständig; sie macht jetzt Notzulassungen „for emergency use only“. PCR-Kits sollten eigentlich mindestens eine Notzulassung haben und nicht nur eine für Forschungszwecke. Zum Teil ist die Zulassung dann nur auf bestimmte Testcenter beschränkt, etwa für die von LabCorp, mit 11 Milliarden Dollar Umsatz eines der größten Labor-Netzwerke der Welt. Wie in den USA üblich, sind die FDA-Prüfberichte öffentlich zugänglich. Dem kann man entnehmen, dass dem RT-PCR-Kit von LabCorp die volle Punktzahl von 100 Prozent Sensitivität und 100 Prozent Spezifität zuerkannt wird.

Insgesamt muss man aber noch neben den Laborwerten die oben beschriebenen Fehlermöglichkeiten bei Tupferherstellung, Probenentnahme, Transport und so weiter berücksichtigen, was die guten Laborquoten um ein paar Prozentpunkte senken könnte.

Hohe Trefferquoten bei der Virendetektion per PCR gab es früher eher selten. Eine Studie aus dem Jahre 2008 listet für viele Virentests in den Jahren 2000 bis 2006 noch erschreckend viele Falschzahlen für damalige PCR auf, das sah eher nach Glücksspiel denn nach Messung aus. Da hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren viel getan.

Eine bestimmte Mindestmenge an Genen muss jedoch für eine erfolgreiche Detektion vorliegen, das sogenannte Limit of Detection (LoD). Beim Charité-In-house-Test gilt als unteres technisches Limit der Sensitivität ein Nachweis von 5,2 RNA-Kopien des E-Gens pro Reaktion bzw. von 3,8 RNA-Kopien des RdRp-Gens pro Reaktion. Leider spricht man auch hier von (analytischer) Sensitivität, was man von oben definierter diagnostischer Sensitivität unterscheiden muss. Analog dazu gibt es eine analytische Spezifität, mit der man die Kreuzreaktivität zu anderen Viren, insbesondere zu anderen Corona-Viren, spezifiziert.